Kategorie: Vollverstärker

Einzeltest: Viva Audio Solistino


Eintaktgefühl

Vollverstärker Viva Audio Solistino im Test, Bild 1
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Es gibt Geräte, da genügt ein Blick, und man weiß, wo sie herkommen. Das hier ist so eines

Na klar: Italien. Sowas traut sich ja sonst keiner. Und auch nur die Italiener haben das Händchen dafür, ein Design so hinzubekommen, dass es aufregend und individuell ist, aber haarscharf am Übertriebenen vorbeisegelt. Ganz besonders große Experten in dieser Hinsicht sind die Herren von Viva Audio aus der Region um Venedig, übrigens gar nicht weit weg von Unison Research. Die Brüder Amedo und Giampietro Schembri sind die Firmengründer, der preisgekrönte Designer Constanzia di Costigliole zählt ebenfalls zum harten Kern und zeichnet für das Styling der Geräte verantwortlich. Viva Audio baut Verstärker und Lautsprecher. Verstärker sowohl für Lautsprecher als auch für Kopfhörer, wobei die Grenzen dazwischen manchmal fließend sind.

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Alle Geräte arbeiten mit Trioden im Single-Ended-Betrieb. Und das konsequent: Auch als Endröhren kommen nur echte Trioden zum Zuge und keine in den Triodenbetrieb gezwungenen Pentoden. Das hat Folgen: Viva-Verstärker sind durch die Bank ziemlich groß, schwer und mit moderater Ausgangsleistung gesegnet. Wenn Sie vermuten, dass aus diesem Grunde eher keine niedlichen Regalböxchen im Sortiment der Italiener zu finden sind, dann liegen Sie goldrichtig. Uns leuchtet derweil ein Kunstwerk namens „Solistino“ an. Der „kleine Solist“ stellt in der Tat den Einstieg ins Lautsprecher ansteuernde Portfolio der Italiener dar und darf gegen Entrichtung von 13.000 Euro bei Ihnen einziehen. Was Details zum Gerät angeht, hält sich der Hersteller seht zurück, ein Klick auf den „Read-More“- Button der Feature-Liste auf der hauseigenen Webseite liefert kein entscheidendes „Mehr“. Bewundern wir zunächst das Äußere: Alle Kanten an dem Gerät sind mehr oder weniger stark verrundet, fließende Formen prägen das Bild. Das auffälligste gestalterische Merkmal ist die große Kerbe, die dem 30-Kilogramm-Boliden sehr überzeugend die optische Schwere nimmt. In der Mitte, quasi im Scheitelpunkt des „V“, residieren die glimmenden Protagonisten. Am Auffälligsten sind natürlich die beiden großen Endröhren vom Typ 845, die Italiener setzen gute Ware vom Fernosthersteller Psvane ein. Mit einer dieser Röhren mobilisert das Gerät mit einem in Sachen Klirr etwas zugekniffenen Auge rund 20 Watt. Ein besonders „grünes“ Gewissen darf man beim Betrieb so eines Gerätes nicht mitbringen, es verbraucht nämlich im Betrieb ziemlich konstante 480 Watt und sorgt für kuschelige Temperaturen im Hörzimmer. Die 845 ist übrigens eine Entwicklung aus den frühen Dreißigern des vergangenen Jahrhunderts und eine der wenigen Leistungsröhren, die ausdrücklich auch für den Einsatz in Audioverstärkern konzipiert war. Zu ihrer Zeit war sie auch die größte ihrer Art. Bei der Ansteuerung der Leistungsabteilung gibt sich Viva Audio ziemlich minimalistisch: Lediglich zwei weitere Doppeltrioden sind für die Signalverarbeitung zuständig. Zum Zuge kommen eine Oktal-Doppeltriode von Typ 6SN7, ebenfalls eine US-Entwicklung und ein 6N1P mit Novalsockel, die wurde eher im Osten erdacht. Aus dieser Konfiguration dürfen wir folgern, dass sich beide Kanäle die Röhren jeweils teilen, sprich: Je ein Triodensystem jeder Röhre ist für einen Kanal zuständig. Ungewöhnlich wird‘s bei der Stromversorgung: Die beiden Röhren vorne auf dem Chassis sind nämlich Gleichrichter vom Typ 5U4G. Ich wäre geneigt zu vermuten, dass jede davon eine Endröhre mit Spannung versorgt, aber dafür mag ich meine Hand nicht an die Anodenspannung legen. Auf der Gerätefront gibt‘s drei großzügig verrundete Öffnungen mit Bedienelementen. Ganz links steckt ein Kippschalter mit drei Positionen, der übernimmt das „Power Management“. Will sagen: In der Mittelstellung ist das Gerät ausgeschaltet. Wenn man den Verstärker in Betrieb nimmt, kippt man den Hebel zunächst nach unten. Dabei wird die Heizung in Betrieb genommen und eine reduzierte Anodenspannung an die Röhren gelegt. Das dient dem sanften Anfahren der Glaskolben. Ein bisschen Musik hören könnte man so auch schon, aber das ist nicht vorgesehen und auch nicht empfehlenswert. Nach ein paar Minuten stellt man den Hebel nach ganz oben, dann erwacht die Maschine zu vollem Leben. Die Logik von „in der Mitte ist aus“ erschließt sich nicht so richtig, aber man gewöhnt sich dran. In der Mitte gibt‘s das Lautstärkepoti, es kommt das übliche Alps-Poti mit Motorantrieb zum Zuge. Das lässt sich nicht nur mit dem Knebel an der Front betätigen, sondern auch mit dem beigepackten Infrarotgeber: eine solide Metallvariante mit nur zwei Tastern. Der Drehschalter zur Rechten wählt zwischen fünf Eingängen. Vier davon sind klassische Hochpegeleingänge, einer ein Direkteingang für den Anschluss einer externen Vorstufe, sprich: unter Umgehung des Lautstärkestellers. Ein Gegenstück dazu gibt‘s auch in Gestalt eines „Vorstufenausgangs“. Das ist allerdings eine etwas geschönte Bezeichnung, weil die „Vorstufe“ de facto nur aus dem Lautstärkesteller besteht. Sprich: Der Ausgang ist ziemlich hochohmig und bei entsprechender Belastung nicht sehr breitbandig. Man sollte hier außer einem aktiven Subwoofer nichts anschließen. Schrauben wir mal das vielfach gekantete Deckelblech des Gerätes ab, das bei uns übrigens in einem ziemlich auffälligen Metallic-Rot vom britischen Sportwagenhersteller TVR lackiert ist. Besondere Farb- und Gestaltungswünsche sind eine Spezialität von Viva Audio. Was unter dem Blech zum Vorschein kommt, ist eindrucksvoll: Die fünf dort versammelten Induktivitäten sind von absolut beeindruckender Statur. Zwei davon sind Ausgangsübertrager, zwei vermutlich Netzrafos (ich vermute einen separaten Trafo für die Heizung) und eine wage ich als Siebdrossel zu identifizieren – was übrigens meine oben geäußerte Vermutung über kanalgetrennte Röhrengleichrichter ad absurdum führen würde. Vielleicht sind‘s aber auch zwei Siebdrosseln und ein Heiztrafo. Der Rest des elektronischen Geschehens findet unter dem deutlich einfacher zu entfernenden Bodenblech statt. Und da passiert eine Menge: Ein solch komplexer Aufbau war ob des eigentlich schlichten Schaltungskonzeptes nicht zu erwarten. Das Ganze ist frei verdrahtet und in optischer Hinsicht etwas gewöhnungsbedürftig, auch was den Einsatz von Heißkleber und Silikon angeht. Ich gebe aber zu, dass das in der Praxis eigentlich gut funktioniert. Schnell wieder zu damit, wir lassen uns von dem Umstand erleichtern, dass das Ganze messtechnisch ziemlich gut funktioniert. Die knapp 20 Watt des Solistino sind die Unterkante dessen, was man einem durchschnittlichen 86-Dezibel-Lautsprecher zumuten sollte. Das Gerät entwickelt zwar auch an unserer mit vier Tieftönern pro Seite nicht ganz einfach anzutreibenden Audio Physic Avanti III einen erstaunlichen Druck, aber so ganz ist es das noch nicht. Deutlich besser funktionert unsere Todo mit einem Zwölfzöller im geschlossenen Gehäuse, noch besser aber das 95-Dezibel-Konstrukt, das ich eigens dafür ins heimischen Wohnzimmer gewuchtet habe: Ein legendärer alter Zehn-Zoll-Audax-Bass im Onken-Gehäuse und zwei alte JBL-Treiber nebst entsprechenden Hörnern schaffen saubere 95 Dezibel Wirkungsgrad, und damit fliegt die Kuh am Solistino: Die Geschmeidigkeit seiner Stimmwiedergabe ist atemberaubend, Im Bass spielt er mit wunderbar federnder Leichtigkeit, da macht sogar das überstrapazierte erste Rickie-Lee-Jones-Album wieder Spaß. Ganz oben zeichnet der Solistino überragend weich und unaufgeregt, ich habe lange keine so authentische Wiedergabe an diesem Ende des Spektrums erlebt. Die richtige Kombination macht‘s bei diesem Gerät. Wenn der Wandler stimmt, entwickelt dieser Verstärker eine Faszination, der man sich kaum entziehen kann.

Fazit

Nicht nur optisch ein echter Italiener: Der Solistino spielt am richtigen Lautsprecher superweich, detailliert und beschwingt. Schöner geht‘s nicht!

Kategorie: Vollverstärker

Produkt: Viva Audio Solistino

Preis: um 13000 Euro

7/2018
Ausstattung & technische Daten 
Vertrieb Ibex Audio, Heidenheim 
Telefon 07321 25490 
Internet www.ibex-audio.de 
Garantie (in Jahre) 2 Jahre 
B x H x T (in mm) 430/250/440 
Gewicht (in Kg) 30 
Unterm Strich... Nicht nur optisch ein echter Italiener: Der Solistino spielt am richtigen Lautsprecher superweich, detailliert und beschwingt. Schöner geht‘s nicht! 
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Holger Barske
Autor Holger Barske
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Datum 21.07.2018, 14:59 Uhr
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  • www.hausgeraete-test.de
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