Kategorie: Lautsprecher Stereo

Standlautsprecher · ESS AMT-1 D Revival


Kultobjekt

Lautsprecher Stereo ESS AMT-1 D Revival im Test, Bild 1
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Für die Älteren unter uns gehören diese Lautsprecher zu den ersten jugendlichen Audiowunschträumen, wie zum Beispiel das Klipschorn oder die Electro Voice Sentry III. Für alle anderen könnte dieser besondere Lautsprecher eine echte Überraschung werden.

Träume werden wahr

 
Raimund Saerbeck, Chef der renommierten Firma Hifi sound in Münster, der die neuesten US-Versionen dieses Klassikers seit einigen Jahren zugänglich macht, sagte mir: „Ich habe die ESS Air Motion Transformer schon in den 70er Jahren auf der Messe in Düsseldorf gesehen, wo sie von Oscar Heil persönlich vorgestellt wurden. Er zeigte seine geniale Erfindung zunächst nur als Einzelchassis. Erst später habe ich dann die Lautsprecher von ESS aus den USA als AMT-1 BOOKSHELF mit passiver Membran auf der Rückseite bzw. auch als MONITOR mit passiver Membran frontal unter dem Tieftöner kennengelernt.“ Da hat er mir und vielleicht auch Ihnen ein bisschen was voraus.

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Falls Sie sich fragen, wofür ESS steht: Electro Static Sound. Das mag ein wenig verwirrend wirken, weil der von Dr. Oskar Heil entwickelte Hochtöner kein Elektro- sondern ein Magnetostat ist. Klingen soll er aber wie ein Elektrostat und braucht dessen Netzanschluss nicht. Noch Fragen? Ich versuche, alle zu klären.   

Oskar Heil und sein AMT

 
Der ESS Heil Air Motion Transformer– kurz AMT – kommt dem theoretischen Ideal der Rückwandlung elektrischer Energie in Schallwellen sehr, sehr nahe. Der deutsche Physiker Dr. Oskar Heil, 1908 in der Pfalz geboren, hat mindestens aus noch einem weiteren Grund seinen Platz in der Audiohistorie sicher, denn er war mit einem Patent aus dem Jahr 1934 maßgeblich an der Entwicklung des Feldeffekttransistors (FET) beteiligt, der bis heute seinen Einsatz in Audioanwendungen findet. Oskar Heil konnte weit über den Tellerrand hinaus schauen, denn er hatte neben Physik auch Chemie, Mathematik und Musik studiert. Er lebte und arbeitete eine Zeit lang in England, dann in Berlin, wo er bei der Lorenz AG an einem nach ihm benannten Mikrowellengenerator arbeitete. Ab 1947 verlegte er seinen Lebensmittelpunkt in die USA, wo er sowohl als Wissenschaftler als auch für die Industrie arbeitete. 1963 gründetet er schließlich eine eigene Firma und begann am menschlichen Ohr orientiert über das Hören zu forschen. Daraus entwickelte und patentierte er seinen legendären AMT, den zuerst nur die amerikanische Firma ESS vermarktete. Erst als der Patentschutz endete, wurde seine Erfindung so richtig populär – Geiz war halt schon immer geil. 1994 starb Oskar Heil in San Mateo, Kalifornien. Die Firma ESS Labs baut seinen AMT bis heute als Einzelchassis und bietet ihre klassische AMT-1 nun in der Version D als Revival Ausführung an.  

Der AMT

 
Worum handelt es sich bei diesem AMT genau?  Um einen Hochleistungsmittelhochtöner, der bis auf tiefe Töne das komplette Frequenzspektrum übertragen kann. 

Lautsprecher Stereo ESS AMT-1 D Revival im Test, Bild 4
Das ist er, der sagenumwobene AMT mit seiner leichten, vielfach gefalteten Membran. Seiner Faszination kann sich kaum jemand entziehen

Dafür geht ein sehr schwerer und leistungsfähiger Magnet mit einer ultraleichten, gefalteten Membran aus Kapton und metallisiertem Polymer eine Einheit ein, wobei das Membranmaterial variieren kann. Durch den sehr starken Antrieb und die ziehharmonikaartige Faltung der Membran kann ein AMT so schnell wie sonst kaum ein anderer Mittelhochtöner auf elektrische Signale reagieren. Er soll dabei Luft bis zu fünfmal schneller beschleunigen und so mit irrer Rasanz akustische Signale erzeugen – deutlich schneller als ein „konventioneller“ Elektro- oder Magnetostat und die sind schon sehr, sehr flott. Das behauptet zumindest der Schweizer Hersteller Precide SA, der ebenfalls Fertiglautsprecher mit dem Heil AMT anbietet. So oder so ergibt sich aus der Kombination des massiven Magneten mit der ultrafeinen, gefalteten Membran ein sehr hoher Wirkungsgrad, mit dem die restlichen Treiber des Komplettlautsprechers mithalten können müssen.  

Feinheiten

 
Amerikaner wie Schweizer nutzen die besonderen Fähigkeiten des AMT als Dipolstrahler voll aus, denn man sollte ihn auf keinen Fall in ein Gehäuse einbauen, sonst nimmt man ihm diese besondere Fähigkeit, Musik ohne Gehäuseklang in den Raum stellen zu können. Man sollte aber auch bei diesem Lautsprecher unbedingt den „Deckel“ aufsetzen, der den AMT rundherum schützt und trotzdem transparente akustische Bedingungen schafft. Ein wenig ulkig ist der Umstand, dass der Deckel auf den Schraubenabdeckungen des AMT aufliegt. Bei den Lautstärken, mit denen ich ihn gefahren habe, und die waren keineswegs gering, vibrierte er jedenfalls nicht, also soll uns das nicht weiter beschäftigen. Zwei Herausforderungen lassen sich ausmachen. Zum einen ist der Wirkungsgrad des AMT so hoch, dass er meist abgeschwächt werden muss und damit verbunden kommt gleich Hürde Nummer zwei ins Spiel: die Ankoppelung des Basses. Daran ist so mancher Hersteller gescheitert, ESS nicht. Seit den 70er-Jahren existieren Grundform und technische Basis für die ESS AMT-1, aus der sich alle Nachfolgermodelle generiert haben. Für die Unterschiede der Modelle ist hier nicht der richtige Ort, aber ich möchte noch einmal Raimund Saerbeck zitieren: „Das Model AMT-1 (D) hat mich immer schon fasziniert und ich fand die Idee mit dem auf dem Pyramidenstumpf angeordneten AMT Hochtöner als Dipolstrahler genial gelöst.“  


Technik

 
Für die vorige Version des AMT-1 hatte sich Saerbeck mit seinem Team der Optimierung der damaligen Frequenzweiche angenommen.

Lautsprecher Stereo ESS AMT-1 D Revival im Test, Bild 5
Von hinten beinahe wie von vorne. Was für den AMT uneingeschränkt gilt, muss man beim Bass einschränken. Er ist beinahe das Pendant zum frontseitigen Exemplar, nur dass er rein passiv arbeitet
Das scheint die Amerikaner in ihrer Ehre getroffen zu haben und so ist die Frequenzweiche der neuen ESS Revival Edition AMT-1D deutlich aufwendiger, daran ist also nichts mehr zu tun. Unter dem AMT im eigenen Gehäuse arbeitet ein mächtiger 30 cm Bass mit dicker Gummisicke, einem Korb aus Aluguss und einer behandelten Papiermembran. Sein passives Pendant auf der Rückseite ersetzt den Bassreflexkanal, was Vorteile hat, wenn man es gut macht. Einer davon ist, dass es keine Strömungsgeräusche gibt. Wie früher gibt es Pegelregler für Mittel- und Hochton, deren Einfluss nicht überragend groß ist. Die Übergangsfrequenz für den AMT liegt bei 800 Hz, was ihn zu einer Art Breitbänder werden lässt. Man kann übrigens alle Komponenten dieses Lautsprecher bei Raimund Saerbeck auch einzeln kaufen und sich dann an einem Gehäuse versuchen. Dann bekommt man einen Lautsprecher, der unter Umständen besser als dieser verarbeitet ist. Klanglich spielt der AMT-1 D Revival jedoch voll auf den Punkt. Durch den einzigartigen Heil-AMT auf dem von Saerbeck angesprochenen Pyramidenstumpf wird der Lautsprecher zur akustischen Pyramide und das hören wir uns jetzt an.  


Klang

 
Der Wirkungsgrad der ESSS AMT-1 D Revival ist mir exorbitanten 98db angegeben. Mit dem LFD Mistral Vollverstärker und seinen 45 Watt an 4 Ohm geht das schon sehr, sehr gut. Noch besser allerdings spielt er mit dem Moon Audio 250i V2 und 100 Watt an 4 Ohm oder dem Soulnote A3 mit sogar 120 Watt an 4 Ohm. Mit diesen Verstärkern bekommt der Lautsprecher das passende Mehr an Struktur und Ordnung, das ihm sehr, sehr gut tut. Damit klingt er dann modern, luftig, kraftvoll und präzise. Neil Youngs geniale Einspielung von „Old Man“ aus der Massey Hall 1971 steht mit einer Präsenz im Raum, dass ich Gänsehaut bekomme: genau so muss das klingen. Und wie kann es anders sein, ich lege Johnny Cash nach, der mit „One“ das vielleicht beste U2-Cover aller Zeiten eingespielt hat. Wieder ist die Musik mit mir im Raum und wirkt nicht wie von technischen Gerätschaften erzeugt. Ich habe den Eindruck, dass ich neben Johnny Cash auf der Couch sitzen darf und so erinnert mich der Klang der ESS AMT-1 D Revival tatsächlich an gute Hornsysteme: präsent, raumfüllend, involvierend und dynamisch. Ist das jetzt nur ein Männerlautsprecher? Keineswegs. Hilde Knef tanzt ebenso souverän durch unseren Hörraum wie Fleetwood Mac, was die ESS AMT-1 D Revival zum perfekten Allrounder macht.

Fazit

Eine Legende lebt – und wie. Lassen Sie sich nicht von seiner besonderen Formgebung irritieren. Das ist ein Lautsprecher, der die Zeiten überdauert (hat) und heute noch genau so viel Hörspaß bringt, wie eh und je.

Kategorie: Lautsprecher Stereo

Produkt: ESS AMT-1 D Revival

Preis: um 4998 Euro

Ganze Bewertung anzeigen


10/2024
4.0 von 5 Sternen

Referenzklasse
ESS AMT-1 D Revival

10/2024

ESS AMT-1 D Revival
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Bewertung 
Klang 70%

4 von 5 Sternen

Labor 15%

4 von 5 Sternen

Praxis 15%

4 von 5 Sternen

Ausstattung & technische Daten 
Kategorie Standlautsprecher 
Preis (in Euro) 4998 Euro 
Vertrieb: Hifi sound Lautsprechervertrieb 
Telefon: 0251-58330 
Internet www.hifisound.de 
Ausstattung
Ausführung Walnuss 
Abmessungen (H x B x T in mm) ca. 910 x 420 x 420 mm (mit Abdeckung) 
Gewicht (in Kg) etwa 35 kg 
Prinzip 2-Wege Standlautsprecher mit Passivtieftöner 
Frequenzgang 30Hz-23kHz (+/-3db) 
Bestückung 1 x 300 mm Tieftöner; 1 x ESS HEIL Air Motion Transformer; 1 x 300 mm Passivtieftöner 
Empfindlichkeit 98 dB bei 1W/1M 
Nennimpedanz 6 Ohm 
Trennfrequenz 800 Hz 
Garantie (in Jahren): 2 Jahre 
+ charmanter, erwachsener Klang 
+ erstaunlich leicht anzutreiben 
+/- + zeitloses Design 
Klasse Referenzklasse 
Preis/Leistung hervorragend 
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Christian Bayer
Autor Christian Bayer
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Datum 14.10.2024, 12:26 Uhr
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