Kategorie: Vollverstärker

Röhrenvollverstärker Fezz Lybra 300B Evo


Alles so rund hier

Vollverstärker Fezz Lybra 300B Evo im Test, Bild 1
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Röhrenverstärker gibt’s bekanntermaßen wie Sand am Meer und das in allen Formen und Farben. Das Konzept unseres heutigen Probanden jedoch ist ein erstaunlich selten umgesetztes.

Man muss nicht zwangsläufig tief in der High Fidelity verwurzelt sein, um einen Eindruck von der Qualität der Produkte des polnischen Herstellers Fezz Audio zu bekommen. Schon viele Jahre vor der Gründung der „Verstärkerabteilung“ im Jahre 2014 nämlich gründeten die Brüder Lachowsky im Nordosten Polens nämlich ein Unternehmen namens „Toroidy“, das erst einmal so gar nichts mit Musikwiedergabe zu tun hatte, sonder mit Transformatoren. Und zwar mit Netztransformatoren. Noch genauer: Mit Ringkerntransformatoren, wie der Name schon vermuten lässt. Dabei belieferte Toroidy nicht auschließlich gewerbliche Kunden, sondern auch den Hobbyelektroniker, dem das Unternehmen seinen Wunschtrafo wickelte – und zwar auch als Einzelstück.

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Das ist etwas, was Toroidy bis zum heutigen Tag tut und ich kann aus reichlich eigener Erfahrung aus vielen Jahren sagen, dass die Qualität hier auf den Punkt stimmt, und das zu sehr fairen Preisen. Dieser Umstand hat sich herumgesprochen, Toroidy ist heutzutage ein renommierter Zulieferer in diesem Bereich – für Privatleute und Profis.   

Irgendwann wollten die Polen zeigen, dass sie mehr können als „nur“ Netztrafos. Enthusiasmus fürs Thema Audio war eh vorhanden und so begann man, Ausgangsübertrager für Röhrenverstärker zu entwickeln, was nochmal ganz andere Herausforderungen mit sich bringt als das bisherige Tätigkeitsfeld. Dem Ringkern als Trägermedium blieb man auch hier treu, was die Sache nicht unbedingt einfacher macht, nicht umsonst gibt es weltweit nicht viele Röhrenverstärker mit Ringkernübertrager. Konventionelle Trafos unter runden Deckeln – jede Menge, aber richtige Ringkernübertrager sind selten. Und es kam, wie es kommen musste – der Wunsch nach einer eigenen Gerätelinie führte zur Gründung von Fezz Audio. Das Portfolio hat mittlerweile beeindruckende Dimensionen angenommen und umfasst beileibe nicht mehr nur Röhrenverstärker, es gibt auch eine ganze Reihe von Halbleitergerätschaften. Und, man hören und staune: sechs verschiedene Phonovorstufen. Bei den Röhrenvollverstärkern gibt’s zwei Baureihen. Die eher traditionellen „Legacy“-Geräte und die etwas moderneren „Evolution“-Modelle. Wir – um endlich die Kurve zum Gegenstand dieses Artikels zu kriegen – beschäftigen uns hier mit dem Lybra 300B Evo, einem in der Hierarchie ziemlich weit oben angesiedelten Modell zum Preis von 4950 Euro in der Basisversion.   

Konfiguration


Der Lybra 300B ist ein Single-Ended-Verstärker reinsten Wassers auf Basis der Mutter aller Audio-Endröhren, der 300B.

Vollverstärker Fezz Lybra 300B Evo im Test, Bild 9
Der Lybra 300B Evo zählt zur raren Spezies der Parallel Single Ended-Verstärker
Aus der sich realistisch vielleicht sechs Watt  Ausgangsleistung herauskitzeln lassen, wenn man die Röhre nicht über Gebühr stressen will. Was nicht eben übermäßig viel ist und gehörig Obacht bei der Auswahl der Lautsprecher erfordert, die man damit verbandelt. Wer sich dem Zauber einer 300B hingeben will und einen gängigen Wandler mit weniger als 90 Dezibel Wirkungsgrad betreiben will, der braucht ein besonderes Gerät wie dieses hier. Hier kommen nämlich pro Kanal zwei der illustren Röhren im wunderschönen Coke- Bottle-Design zum Einsatz, die nicht etwa im schnöden Gegentaktbetrieb arbeiten, sondern parallel. Was zu realistischen 15 Watt am Ausgang führt, dem heiligen Gral des Eintakt-Triodenbetriebs aber keinerlei Abbruch tut.   

Äußerlichkeiten


Mit seinen sanft gerundeten Ecken und der sehr aufgeräumten Frontplatte wirkt der 300B Lybra ausgesprochen modern, besonders im (mit 100 Euro Aufpreis zu entlohnenden) weißen Outfit. Zwei Drehknöpfe bestimmen das Bild. Einer schaltet zwischen den drei Eingängen um, einer ist für die Lautstärke zuständig. Der Netzschalter ist auf der Geräterückseite angeordnet – nicht sehr praktisch, aber immer noch weithin üblich. Wer mehr Ausstattung möchte, kann gegen einen Aufpreis von 250 Euro ein Bluetooth 5.0-Modul ordern, für komplexere Anwendungen gibt’s ebenfalls für 250 Euro einen Vorverstärkeraus- oder Endstufeneingang. Insgesamt sieben Gehäusefarben stehen zur Wahl, standardmäßig gibt’s schwarz oder silbern. Ein von vorne aufschiebbares Abdeckgitter mit Acrylglasfront gehört zum Lieferumfang, dürfte jedoch in den allermeisten Fällen im Karton verbleiben. Wer will schon die Aussicht auf das Quartett wunderschöner Psvane-300Bs verbauen? Den feinen Endröhren zur Seite steht eine ECC83, die sich um die Eingangsseitige Spannungsverstärkung kümmert und pro Kanal eine 6SN7, die die Treiberaufgaben erledigt. Hinten auf dem Chassis residieren drei Transformatoren – natürlich runde Exemplare. Der in der Mitte ist für die Netzversorgung zuständig, die beiden außen sind die Ausgangsübertrager.  

Innereien


Doch damit nicht genug des Einsatzes von Ringkernen: Im Geräteinneren kommen zwei weitere Exemplare zum Vorschein, die als Drosseln für die Hochspannung fungieren dürften.

Vollverstärker Fezz Lybra 300B Evo im Test, Bild 8
Zwei Ringkerndrosseln fungieren als Siebung für die Hochspannung
Der Aufbau des Lybra 300B ist ein sehr moderner, auf der großen Platine tummelt sich reichlich Elektronik. Der Hersteller investierte in eine aufwändige Stromversorgung mit reichlich Siebkapazität, die Heizspannungen sind gar elektronisch stabilisert. Die Bauteilequalität ist hoch, die Koppelkondensatoren stammen gar vom polnischen Hersteller Miiflex, was anerkannt feines Material ist. Mit der Ruhestromeinstellung der Endröhren hat der Anwender nichts zu tun, das erledigt eine Auto-Bias-Schaltung. Was eine feine Sache ist, sollte man doch irgendwann einmal die Endröhren austauschen müssen. Das Lautstärkepoti ist das unvermeidliche Alps-Motorpoti, das nicht nur per Drehknopf bedient werden kann, sondern auch mit dem mitgelieferten hübschen Fernbedienungsgeber. In Sachen Verarbeitung ist das Gerät ohne Fehl und Tadel. Keine scharfen Kanten, sehr gute Oberflächenqualität, vertrauenerweckende 23 Kilogramm Gesamtgewicht. Kann klappen.  

Klang


Tut es auch, wie der Hörtest zeigt – und wie. Das Gerät braucht ein paar Tage am Netz, während derer es dezent vor sich hin dudelt, direkt aus dem Karton zündet der Vierfachtreibsatz noch nicht, sondern verbreitet eher gepflegte Langeweile. Geben wir im noch ein bisschen… Und siehe da – irgendwann passt’s dann auch mit der Thivan Labs Eros 9 Ultra, die als klassischer Vertreter der „Pappe plus Horn“-Zunft auf dem Papier genau das richtige Kaliber für so einen Verstärker sein sollte. Dem ist auch so, wie sich zügig herausstellt. Es läuft der Strokes-Klassiker „Comedown Machine“. Wenn auch sicherlich kein audiophiles Highlight, zeigt das quirlige fünfte Album der Amerikaner doch ganz schnell, dass der Fezz ein ausgesprochen lebendiges Wesen entwickelt hat, dem leicht lärmigen Tenor des Albums um jede abstruse Ecke folgt, federnd und entspannt tönt. Pegelreserven? Aber sowas von. Okay, der kommt mit nach Hause. Wo sich herausstellt, dass die Maschine auch mit meinem Standard-Dreiwegerich bestens zurechtkommt. Im Vergleich zum bewährten Thivan Labs 811 Anniversary tönt der Fezz noch etwas agiler, nicht ganz so substanziell, mit noch inbrünstigerer Stimmwiedergabe. Letzteres lässt das Organ von Anette Askvik schon fast dramatisch erscheinen, was man dem zarten Stimmchen sonst gar nicht zutrauen würde. Leonard Cohen zeigt, was passiert, wenn 300B-Sound so richtig einrastet: Perkussives klingt staubtrocken, die Gesangsstimme klingt glockenklar und unverstellt, es herrscht pure Musik. Der Fezz wirkt diszipliniert, wieselflink, aufs Wesentliche konzentriert und doch wunderschön – große Klasse. 

Fazit

Ein ganz wunderbarer Verstärker, der die magischen Tugenden einer 300B einem breiteren Publikum zugänglich macht – dank praxisgerechter 15 Watt.

Kategorie: Vollverstärker

Produkt: Fezz Lybra 300B Evo

Preis: um 4950 Euro

9/2023

Ein ganz wunderbarer Verstärker, der die magischen Tugenden einer 300B einem breiteren Publikum zugänglich macht

Fezz Lybra 300B Evo

Ausstattung & technische Daten 
Preis: ab 4.950 Euro 
Vertrieb: Audium, Berlin 
Telefon: 030 6134740 
Internet: vertrieb.audium.com 
Garantie: 2 Jahre 
Abmessungen: 420 x 226 x 380 mm 
Gewicht (in kg): 23,5 kg 
Unterm Strich … Ein ganz wunderbarer Verstärker, der die magischen Tugenden einer 300B einem breiteren Publikum zugänglich macht – dank praxisgerechter 15 Watt. 
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Holger Barske
Autor Holger Barske
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Datum 19.09.2023, 09:59 Uhr
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