Ausgerechnet Audio Research. Jenes Unternehmen, das seit Jahrzehnten unbeirrbar die Fahne mit dem glühenden Heizfaden hochhält
Mitspieler
Plattenspieler:
Acoustic Solid Machine/ SME M2-12/Clearaudio Goldfinger
Transrotor Fat Bob S/SME 5009/ Transrotor Merlot
Phonovorstufen:
Pass XP-25
Audio Consulting Silver Rock Phono
Lautsprecher:
Progressive Audio Diablo
Lumen White Artisan
Teufel Ultima 800
Klang + Ton “Oobs”
Zubehör:
Netzversorung von Silent Wire
NF-Kabel von Transparent
Phonokabel von Straight Wire
Lautsprecherkabel von Transparent
Plattenwaschmaschine von Clearaudio
Gegenspieler
Vollverstärker:
Pass INT-30A
T.A.C K-35
Als Stammleser wissen Sie, dass Audio Research exzellente Elektronik baut. Wir hatten in den letzten Jahren allein drei Phonovorstufen aus Minnesota in der Mache, und alle lieferten hervorragende Ergebnisse.
Gleiches galt für diverse Vor-, End- und Vollverstärker. Allen gemeinsam war, dass Röhren in ihnen eine entscheidende Rolle spielten. Ähem … Moment. Bei gründlicherer Betrachtung stimmt das nicht hundertprozentig. Da war noch dieser klanglich exzellente D/A-Wandler DAC7, der kommt – igitt – ohne Röhren aus. Braucht Sie nicht zu jucken, der ist so digital, dass er für uns in der „LP“ ohnehin nicht in Frage kommt. Aber: Es geht offensichtlich auch ohne. Und wenn ich so zurückdenke, kann ich mich an eine ganze Reihe an ausschließlich mit Halbleitern bestückte Geräte von Audio Research erinnern. Und richtig, eigentlich sind auch die aktuellen Top-Maschinen aus Plymouth mit Chips und Fets bestückt; de facto handelt es sich um Hybridkonstruktionen. Das kann man eingedenk der Ergebnisse alles noch akzeptieren, aber jetzt das: Audio Research baute einen Schaltverstärker. Bevor jetzt wieder jemand „Igitt, ein Digitalverstärker“ ruft: Dem ist nicht so. So etwas wie einen Digitalverstärker gibt es nicht. Es gibt auch bei einem Schaltverstärker einen stetigen Zusammenhang zwischen Ein- und Ausgangsspannung, und damit ist die Definition für analoges Verhalten erfüllt: Hier wird nichts in diskrete Zahlenwerte gewandelt, verrechnet oder „Schlimmeres“ getan. Wir akzeptieren also zähneknirschend, dass Audio Research keine auf Gedeih und Verderb traditionellen Prinzipien verhaftete Retro-Firma ist, sondern mit Technologie jeglicher Couleur überhaupt kein Problem hat; die „Definition Series“, zu der auch unser Proband namens DSi200 (der kostet übrigens 6.000 Euro) gehört, war zudem schon immer die technologische Spielwiese des Unternehmens, und davon wurde gerade hier weidlich Gebrauch gemacht. Rein äußerlich unterscheidet sich das Gerät kaum von einem Verstärker klassischer Machart. Okay, diesmal gibt’s ein silbernes Alugehäuse und keine schwarzen Schrumpflackdeckel, aber das war’s auch schon. Anschlussseitig sieht ebenfalls alles unverdächtig aus: zwei symmetrische und drei unsymmetrische Eingänge, ein Paar Lautsprecherterminals – das war’s. Auch in Sachen Bedienung sieht alles nach klassischem Vollverstärker aus; hübsche Displays und ein wenig Mikrocontrollertechnik zur Steuerung sind jetzt auch nichts soo Besonderes. Was soll das überhaupt, dieses Schaltverstärkerprinzip? Nun, auf dem Papier ist es das Paradies: Eine extrem hoher Wirkungsgrad ermöglicht Aufbauten fast ohne Kühlkörper, gewaltige Leistungen auf kleinstem Raum werden möglich. Die doofen EU-Bürokraten haben endlich nichts mehr zu meckern, weil dieses Prinzip so „grün“ ist, wie es nur sein kann (okay, die in Brüssel werden etwas anderes finden, um dem Audio-Business den Hahn abzudrehen), die Geräte werden klein, leicht und billig. So die landläufige Meinung. Möglicherweise hat sich die in Minnesota noch nicht so ganz herumgesprochen, denn mit diesen Faktoren hat der DSi200 nur bedingt etwas am Hut. Er ist fast einen halben Meter breit und ebenso tief, wiegt satte 17 Kilo und verbraucht ohne Signal rund 35 Watt. Okay, das ist kein Class-A-Niveau, aber auch nicht sensationell wenig. Der Wirkungsgrad steigt, wenn wir ihn fordern: Bei 5 Watt am Ausgang verbraucht er 44 Watt, bei 100 Watt muss man 270 hineinstecken. Das ist dann immerhin ein Wirkungsgrad von 74 Prozent, das ist schon mal nicht so schlecht und mit einem klassischen Konzept schon ziemlich schwierig zu erreichen. Was er in jedem Falle hat: Leistung satt. 200 Watt pro Kanal an 8 Ohm, deren 400 an vier. Das ist auch für einen so ausgewachsenen Kameraden ein ziemliches Pfund. Audio Research nennt den DSi200 ein Hybridkonzept. Das halte ich für eine unglückliche Bezeichnung, die andeuten soll, dass es sich um einen Schaltverstärker mit klassischem Netzteil, also ohne Schaltnetzteil handeln soll – was mehr oder weniger die Normalität darstellt. Schaltverstärker mit Schaltnetzteil gibt’s im HiFi-Bereich praktisch gar nicht, in der Bühnentechnik schon eher: Da freuen sich die Jungs, dass sie nicht mehr so viel schleppen müssen, während der ordentliche HiFi-Fan ja keinem Endverstärker traut, den er ohne Bandscheibenvorfall heben kann. Von daher ist beim neuen Audio Research also alles in bester Ordnung … Im Geräteinneren sieht’s auch erst einmal vertraut aus. Ein gewichtiger Blechpakettrafo erledigt das Gröbste beim Stromversorgungsjob, gleich 16 10000-µF-Elkos helfen ihm dabei. Zweifellos ein herrlich anachronistisches und über jeden Zweifel erhabenes Netzteil. Die Endstufe selbst sieht dagegen etwas gewöhnungsbedürftig aus. Zwei überschaubare Kühlkörperchen tragen je zwei lächerlich kleine Leistungs-Mosfets. Und diese beiden treten bei Bedarf lockere 400 Watt los – das ist schon ziemlich beeindruckend. Die Steuerung des Schaltprozesses liegt üblicherweise in den Händen von mittlerweile recht zahlreich erhältlichen Spezialchips, aber nicht bei Audio Research: Der Hersteller ließ es sich nicht nehmen, den „Modulator“ weitgehend diskret nach eigenen Vorstellungen aufzubauen. Das Gerät ist weitgehend vollsymmetrisch aufgebaut; das bietet sich an, weil die schaltende Endstufe ohnehin symmetrisch ist. Für den Vorstufentrakt bedeutet das doppelten Aufwand, so werden für die elektronische Lautstärkeregelung auch gleich vier Chips verbaut. Der Vorverstärkerpart ist weiterhin mit Jfets realisiert, an dieser Stelle blieb man sich treu – wenn schon keine Röhren drin waren. In Sachen Bedienung ist der DSi200 etwas gewöhnungsbedürftig. Erst einmal sitzt hinter den beiden Drehknöpfen nichts zum Drehen, sondern jeweils zwei Taster, die man per Rechts- oder Linksdreh der Knöpfe betätigen kann. Das ist beim Eingangswahlschalter zu verschmerzen, beim Lautstärkesteller allerdings ist mir was zum Drehen deutlich lieber. Außerdem sitzt der Pegelsteller links und der Eingangswahlschalter rechts, das geht so ziemlich gegen alle Konventionen. Ich habe jedenfalls eine Weile gebraucht, um nicht jedesmal den Eingang zu wechseln, wenn ich eigentlich lauter oder leiser drehen wollte. Einen Vorwurf muss sich der DSi200 auf keinen Fall machen lassen: zu klingen wie jeder andere Verstärker. Er gehört zu diesen Geräten, bei dem man nach dem Umklemmen innerhalb von Sekundenbruchteilen weiß, dass das, was da jetzt kommt, etwas Besonderes ist. Und die so plötzlich erzeugte Erwartungshaltung wird nicht enttäuscht: Das ist das exakte Gegenteil eines Kindes von Traurigkeit. Ein tendenziell schlankes, aber ungeheuer durchzugskräftiges und entschlacktes Fundament bildet die Bühne für ein echtes Auflösungswunder; ich kenne wenig Verstärker, die Instrumente mit so leichter Hand im Raum verteilen, sich eines so opulenten Bühnenbaus befleißigen und den Lautsprecher als solches so schön verschwinden lassen. Dazu gesellen sich Biss, Ausdruck und Kraft über den gesamten Frequenzbereich – große Klasse. Eins allerdings ist das nicht; im klassischen Sinne schöngeistig. Getragen. Rund. Röhre. Der DSi200 haut rein, und er macht dabei wenig Gefangene. Er nervt nicht in den Höhen, aber er spricht schon mit deutlich vernehmbarer Stimme. Apropos: Dem Organ einer Rickie Lee Jones verleiht er die Sprödigkeit und genau den zerbrechlichen Ton, der da nunmal hingehört. Das ist nicht diese hingehauchte klassische audophile Spielweise, die viele Leute für erstrebenswert halten. Das hier ist deftig, energiegeladen und dramatisch. Die Zeiten, in denen Schaltverstärker lautsprecherkritisch waren, scheinen übrigens vorbei zu sein. Wir haben verschiedene Kandidaten zwischen vielleicht 83 und 96 Dezibel angeklemmt, und der schnelle, offene Charakter des Gerätes blieb immer erhalten – bis hin zu Pegeln, bei denen der Membranhub dem Spaß ein Ende bereitet.
Fazit
So langsam wird’s ernst in Sachen Schaltverstäker. Der DSi200 klingt ungeheuer kraftvoll und offen, extrem durchsichtig und gut gestaffelt und ist außerdem Herr über so ziemlich jeden Lautsprecher