Einer der Großen der deutschen Analoghersteller geht in Rente: Peter Suchy zieht sich aus dem operativen Geschäft zurück und legt die Geschicke von Clearaudio in die Hände seiner Kinder. Zum Abschied hat er uns gebeten, uns noch einmal seinem neuesten Sprößling zu widmen, dem Tonabnehmer Talismann V2 Gold. Dem Wunsch sind wir gerne nachgekommen, bescherte uns das System doch schon etliche schöne Stunden
Mitspieler
Plattenspieler:
Clearaudio Innovation Compact
Transrotor Dark Star Reference
Denon DP6000 mit Stax UA7
Phonoverstärker:
Clearaudio Balance+
Restek MRIA+
Verstärker:
T.A.C. K-35
Magnat RV 1
Lautsprecher:
Diapason Karis
K+T Minimonitor TS
Zubehör:
Netzleiste: PS-Audio
Phonokabel Furutech, Nordost
NF-Kabel: Van den Hul
Lautsprecherkabel: Oehlbach
Racks und Basen: SSC, Empire
Gegenspieler
Tonabnehmer:
Clearaudio Goldfinger V2
Denon DL103, 103R
Peter Suchy hat sich seit der Gründung Clearaudios vor über 30 Jahren unermüdlich mit der Technik der analogen Wiedergabe auseinandergesetzt, wobei er sich nach unzähligen Innovationen auf der Wiedergabeseite in den letzten Jahren mehr und mehr den Tonträgern zugewandt hat. Wir sind uns im Übrigen sicher, dass Suchy sich auch weiterhin der Hebung musikalischer Schätze aus den Tiefen der Deutschen-Grammophon-Archive widmen wird.
Seine Kinder Veronika, Patrick und Robert hat er in den letzten Jahren harmonisch in die Firma „hineinwachsen“ lassen – ein eingespieltes Team, bei dem es uns um die Zukunft wahrlich nicht bange ist. Zum Thema Clearaudio kann man stehen, wie man will: Zwei Dinge wird den analogen Geräten aus Erlangen niemand absprechen können und wollen: In jeder Komponente steckt eine Menge Gehirnschmalz und der Materialaufwand und die Verarbeitung sind in jedem Falle beispielhaft: Sogar der winzige Phonopreamp Nanophono steckt in einem aus dem Vollen gefrästen Gehäuse, das soll den Erlangern in der 200-Euro-Klasse erst mal einer nachmachen! Der Durchbruch für Clearaudio kam 1979 mit den ersten MC-Tonabnehmern – klar, dass Peter Suchy besonderes Augenmerk auf seine Abtaster gelegt hat – gekrönt im wahrsten Sinne des Wortes durch das Über-MC Goldfinger mit einem 14-Karat- Gold-Korpus und einer Performance, die uns immer wieder buchstäblich den Atem raubt. Und damit sind wir auch schon beim Thema: Das Talismann V2 Gold teilt sich mit der hauseigenen Referenz nicht nur den Clearaudio-Schriftzug, sondern tatsächlich einen Großteil des technischen Innenlebens. Dass das ursprüngliche Clearaudio Talismann weitgehend auf dem Klassiker Denon DL103 basiert, war weder ein Geheimnis noch eine schlechte Entscheidung, wie wir spätestens seit der ausgiebigen Beschäftigung mit dem japanischen Altmeister in der letzten Ausgabe wissen. Der neue Träger des Namens Talismann besitzt nun auch das Innenleben aller Clearaudio-MC-Systeme, die sich nur vom Selektionsgrad her voneinander unterscheiden. Auf dem langen, dünnen Bornadelträger sitzt ein Diamant mit dem Clearaudioeigenen Micro-HD-Schliff – ein winziger Splitter mit einer Masse von nur 0,00016 Gramm (an dieser Stelle messen wir nicht nach, sondern vertrauen einfach mal den Herstellerangaben). Die gesamte bewegte Masse wird dadurch sehr sehr klein, der erste Punkt auf einer Liste von Maßnahmen, die Clearaudio-Systeme so impulsiv machen. Gewicht gespart hat man auch bei den Spulen, die zwar aus 24-karätigem Gold bestehen, in ihrer Drahtlänge aber gegenüber der ursprünglichen Bauform deutlich reduziert werden konnten – der Innenwiderstand des Generators ist damit von 50 auf etwa 30 Ohm gesunken. Natürlich würde dies zu einer verringerten Ausgangsspannung führen, hätte man dem nicht an anderer Stelle entgegengearbeitet. Statt wie früher vier hat man nun sage und schreibe acht Neodym-Magneten so angeordnet, dass um die Spule herum ein komplett homogenes Magnetfeld entsteht. An dieser Stelle ist natürlich Genauigkeit gefragt – den Aufwand beim Selektionsprozess von insgesamt acht möglichst gleichen Kleinstmagneten mag man sich gar nicht vorstellen, vor allem bei der hochpräzisen Abstimmung der ganz großen Clearaudio- Systeme. Das stärkere Magnetfeld sorgt in jedem Fall dafür, dass die Ausgangsspannung bei sehr gesunden 0,7 Millivolt liegt. Das ist für ein MC ein sehr hoher Wert, der an die nachfolgende Phonostufe keine allzu hohen Anforderungen in Sachen Verstärkung stellt – mit 60 Dezibel ist man schon allemal auf der sicheren Seite. Durch den wuchtigen Ebenholzkorpus ist das Talismann in Sachen Design der wohl konventionellste Clearaudio-Tonabnehmer und fällt dadurch ein bisschen aus der Designlinie der Firma. Mir gefällts auf jeden Fall - der Klotz wirkt vorne am Headshell irgendwie beruhigend und lässt sich durch seine flache Front auch gut einstellen. Wer sich bei der Justage lieber am Nadelträger orientiert – bitte: Der ist Clearaudio- typisch lang und sehr gut sichtbar, allerdings auch recht bruchgefährdet. Davor schützt das Vollvisier des aufschiebbaren Nadelschutzes, der vielleicht noch ein bisschen strammer sitzen könnte. Im Plattenspieler Innovation Compact trägt das Talismann V2 zum runden Gesamtklang ein gehöriges Stück bei – im Gegensatz zum Übervater Goldfinger fehlen ihm ein paar Nuancen an Feininformation am oberen Rand des hörbaren Spektrums, unten herum ein paar Pfund Bassenergie und -präzision. Das war es aber dann schon an schlechten Nachrichten: Die Familienähnlichkeit schlägt ansonsten voll durch. Dynamik bis zum Abwinken (wenn es die Platte denn hergibt), völlige tonale Ausgewogenheit und daraus resultierend eine wunderbare Klarheit der Reproduktion von Musik. Das Schöne bei Clearaudio ist, dass man zum Testen eines Tonabnehmers nicht nur Clearaudio-Phonostufen verwenden kann, sondern auch Clearaudio-Platten: Gerhard Oppitz zeigt auf seinem neuen Werk „Impressions romantiques“ Fingerspitze und Pranke – Klaviertechnik vom Feinsten, während Tontechnik-Altmeister Heinz Wildhagen produktionstechnisch beweist, dass er nichts verlernt hat. Das Talismann V2 rundet harte Klavieranschläge einen Hauch mehr ab als das Goldfinger, lehrt aber seinerseits die meisten anderen Tonabnehmer das Fürchten, was Dynamik angeht. Das Instrument steht sehr frei im Raum, das musikalische Nutzsignal (welch profanes Wort!) setzt sich klar von einem sehr ruhigen Hintergrund ab. Im Klartext: Die Kanaltrennung und -gleichheit ist sehr sauber, der Nadelschliff (exakte Justage vorausgesetzt) ergibt eine extrem saubere Abtastung mit wenig Rillengeräuschen. Nun, von Clearaudio haben wir nichts weniger als diese technische Perfektion erwartet – entscheidend ist aber, dass die Feinabstimmung dem System zu einer fantastischen Musikalität verhilft, die Rockmusik so dreckig und verschwitzt daherkommen lässt, die rauchig-schwülstige Atmosphäre des Jazzkellers genauso authentisch heraufbeschwört wie das edle und akustisch große Ambiente eines Konzertsaals. Das Talismann V2 ist ein echter Allrounder geworden – es spielt etwas verbindlicher als seine großen Brüder (was kein Nachteil sein muss), zeigt aber in Sachen Dynamik und Aufgeräumtheit große Familienähnlichkeit. Diesen Abschiedsgruß Peter Suchys erwidern wir jedenfalls gerne mit einem Daumen nach oben – insgeheim gehen wir ohnehin davon aus, dass der rastlose Tüftler auch ohne offizielle Funktion der Firm Clearaudio noch lange Jahre erhalten bleibt und sich vielleicht noch an der Entwicklung des einen oder anderen Tonabnehmers beteiligt.
Fazit
Das „Downgrade“ der großen Clearaudio- MCs in die Preisklasse bis 1.000 Euro ist gelungen: Es gibt Grenzbereiche, in denen das Talismann V2 den „Großen“ leicht unterlegen ist – das geht aber in Ordnung, weil die Musikalität, Klarheit und Impulsivität der ganzen Familie auch beim neuen Talismann voll da sind.