Kategorie: Vollverstärker

Einzeltest: The Gryphon Atilla


Die Sache mit den Klischees

Vollverstärker The Gryphon Atilla im Test, Bild 1
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Wir glaubten sie schon für den deutschen Markt verloren, aber jetzt sind sie wieder da: die wunderschönen Geräte des dänischen Herstellers The Gryphon

Mitspieler



Plattenspieler/Tonarme:


Acoustic Solid Machine/ SME M2-12

Transrotor Fat Bob/SME3500

Clearaudio Master Reference/ Unifiy 12”

Tonabnehmer:


Benz LP-S

MFSL C3.5

Clearaudio Concerto

Phonovorverstärker:


Audio Research Reference Phono 2

MalValve preamp three phono

Restek MRIA+

Lautsprecher:


Lumen White Artisan

Progressive Audio Diablo

Gegenspieler



Vorverstärker:


MalValve preamp three line

Endverstärker:


SymAsym

Gewiss, so ganz aufgegeben hatte Flemming Rasmussen den deutschen Markt natürlich nie, aber in den letzten Jahren gab es keinen „richtigen“ Deutschlandvertrieb. Zwar konnte man sich die exklusiven Gerätschaften einmal im Jahr auf der High End in München ansehen und -hören, aber ansonsten war man auf den einen oder anderen unbeugsamen Händler angewiesen, der willens war, die Geräte direkt aus Dänemark zu importieren.

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Das ist jetzt nicht mehr erforderlich, mit TAD gibt’s jetzt wieder einen klassischen Vertrieb. Und jener überließ uns unlängst einen schwergewichtigen Karton, in dem unsere Proband in Gestalt des Vollverstärkers „Atilla“ steckte. Mit einem Preis von 8.000 Euro ist das übrigens der Einstieg in die dänische Verstärkerwelt; es gibt noch einen größeren Vollverstärker namens „Diablo“ und diverse Vor-/Endstufenkombis, die preislich in noch weit unerfreulichere Gefilde vordringen. Wir bleiben hier erst einmal beim „kleinen“ Vollverstärker und stellen uns die Frage, wo der Name des Gerätes eigentlich herkommt: Der berüchtigte Hunne schreibt sich anders, und so passt eigentlich nur der zeitgenössische türkische Komponist „Can Atilla“. Weniger Geheimnisse gibt es um die Personalien hinter The Gryphon. Das Unternehmen wurde 1985 von besagtem Flemming E. Rasmussen gegründet, eigentlich ausgebildeter Künstler und Designer. Dieser Hintergrund lässt erahnen, warum seine Geräte erheblich anders aussehen als übliche HiFi-Geräte, ja eine ganz eigene optische Signatur haben. Dazu passt der ebenfalls nicht alltägliche Firmenname, an den Vogel Greif aus der griechischen Mythologie angelehnt. Mit einem Gryphon-Vollverstärker hatte ich in meinem letzten Leben schon einmal zu tun; der hieß damals „Callisto“ und war, von ein paar Hakeligkeiten in der Bedienung abgesehen, eine klanglich ganz hervorragende Maschine, so dass ich, was einen Test des Atilla anging, sofort einverstanden war. Optisch gibt’s durchaus ein paar Parallelen zwischen der mittlerweile fast zehn Jahre alten Konstruktion und dem neuen Modell. Beide setzen auf ein hochbeinig stehendes Gehäuse aus schwarz eloxiertem Aluminium. Die Front wird von einer überstehenden, schwarz eingefassten Acrylplatte gebildet. Das aktuelle Modell sieht dabei noch etwas eleganter aus als der Klassiker, beiden gemeinsam ist eine vornehme, fast geheimnisvolle Anmutung. Die hohen Gerätefüße sorgen für ungehinderte Luftzirkulation durch die seitlich im Gehäuse angebrachten Kühlkörper, und diesbezüglich hat der Atilla durchaus Bedarf: Das Gerät liefert stramme 100 Watt an Acht-Ohm-Lasten und derer 200 an Vier-Ohm-Boxen. Tatsächlich konnten wir die fast exakte Verdopplung der Leistung an halber Lastimpedanz auch messen, was für eine sehr stabile Versorgung spricht. Die Bedienung des Gerätes erfolgt entweder über unsicht- und fühlbare Sensorkontakte hinter der Gerätefront oder aber über die mitgelieferte Fernbedienung. Der Universal-Plastikwerfer hinterlässt mich etwas ratlos: Auf ihm finden sich gleich zwei Standby-Taster, aber keiner von beiden scheint das Gerät zu einer Reaktion zu bewegen – nein, auch dann nicht, wenn man beide drückt. Das zweizeilige Display gab’s damals beim Callisto auch schon; es gab auch keinerlei Veranlassung, daran etwas zu ändern. Im Normalbetrieb wird oben der gewählte Eingang angezeigt und unten die eingestellte Lautstärke. Natürlich ist hier ein steuernder Mikrocontroller im Spiel, der erlaubt auch solche Spielereien wie das Benennen der fünf Eingänge; eine logische Ergänzung dazu wäre gewesen, jeden Eingang getrennt pegeln zu können, um bei allen angeschlossenen Quellen die gleiche Grundlautstärke zu haben. Dieses heutzutage eigentlich selbstverständliche Feature wurde hier erstaunlicherweise nicht realisiert. Mit der neuen Gryphon-Lautstärkeregelung wäre das kein Problem gewesen, hier werkelt nämlich eine ganze Reihe sehr leise schaltender Relais nebst passenden Festwiderständen als Pegelsteller. Die Rückseite zieren die besagten fünf Eingänge, einer davon ist symmetrisch ausgelegt, einer als Tape-Schleife – dazu gibt’s natürlich auch einen passenden Ausgang. Lautsprecher werden an ziemlich massive Schraubklemmen gehängt, die auch mit Bananas klarkommen. Eine Massebuchse deutet es an: Hier geht auch Phono. Zwar nicht serienmäßig, aber gegen Aufpreis lässt sich ein passendes Modul erstehen. Unser Testgerät hatte kein solches, wir schlossen also eine externe Lösung an. Der Gehäusedeckel – übrigens sehr kunstvoll mit dem Firmenlogo verziert – musste kurze Zeit der berufsbedingten Neugier weichen und den Blick auf einen blitzblanken Aufbau freigeben. Mittig thront ein ziemlich fetter Ringkerntrafo vom dänischen Kulthersteller Holmgren, der die Audio-Abteilung versorgt, und zwar mit fein säuberlich kanalgetrennten Wicklungen – ein sauberer Doppelmono-Aufbau ist bei allen Gryphon-Geräten Pfl icht. Ein zweites Transformatörchen versteckt sich fast schamhaft hinter der Front – richtig, der darf nur die Steuerung versorgen. In der Theorie beruhen die Gryphon- Schaltungsdesigns auf möglichst breitbandigen Verstärkerstufen mit möglichst wenig oder sogar ohne Gegenkopplung. Letzteres gibt’s in der Praxis praktisch nicht, das mit den geringen Gegenkopplungsfaktoren können wir aber durchaus glauben: Die Verstärker sind durch die Bank diskret aufgebaut, Operationsverstärker nehmen hier nur periphere Funktionen wahr. Auf der zentralen Platine sitzen, wiederum fein säuberlich kanalgetrennt, Spannungsverstärkung, Relais-Eingangswahl und Lautstärkesteller, dahinter die umfangreichen Schutzschaltungen. Die funktionieren übrigens ausgezeichnet, wie ich erfahren durfte: Bei heruntergedrehter Lautstärke die Phonovorstufe vom Eingang abgezogen – klack, das Gerät geht sofort aus. Per Standby-Taster lässt es sich reaktivieren, das Display vermeldet das Auftreten von Gleichspannung oder hochfrequenten Störungen am Eingang, was aber nicht tragisch gewesen sei; deshalb schaltet sich das Gerät in ein paar Sekunden wieder ein. Nett gemacht, muss ich zugeben. Die Endstufen des Atilla sind zwei weitgehend autarke Module, die nur ein Eingangssignal, Strom vom Trafo und Lautsprecheranschlüsse brauchen; alles andere sitzt mit auf dem Modul, inklusive sechs potenter Siebelkos und Gleichrichter. Vier bipolare Sanken-Endtransistoren stellen die Leistung bereit und heizen den Kühlkörper schon im Leerlauf: 100 Watt verbrät der Atilla mindestens, wir haben es also zumindest für kleinere Leistungen mit Class- A-Betrieb zu tun. Auch wenn’s ob der schon fast drangvollen Enge in dem Gerät nicht so aussieht: beim Design wurde auf kürzest mögliche Signalwege Wert gelegt. Das sei auch der Grund dafür, dass man die Buchsen direkt in die Platine (doppelseitig mit der doppelten der üblichen Kupferschichtdicke) eingelötet und auf die üblichen Kabelverbindungen verzichtet habe. Die Masseführung ist gerade bei einem Gerät, bei dem ein so potenter Trafo in unmittelbarer Nähe der empfindlichen Spannungsverstärkung sitzt, eine echte Kunst. Eine, die die Dänen augenscheinlich beherrschen, denn das Gerät ist exemplarisch ruhig, messtechnisch wie akustisch. Irgendwie assoziiere ich mit skandinavischen Geräten in den meisten Fällen automatisch so etwas wie „nordische Kühle“. Was in der Nähe des Polarkreises zusammengebaut wird, das muss doch auch irgendwie so klingen? Dass das Quatsch ist brauche ich wohl nicht extra zu erwähnen, aber kaum jemals war es so falsch wie in Bezug auf diesen Verstärker. Rein akustisch gehört das Gerät in den Süden, dorthin, wo das Temperament zu Hause ist. Der Atilla ist keinesfalls ein sich selbst verleugnender Verstärker ohne Charakter, vielmehr klingt er am ehesten nach dem, was man gerne als typische Class-A-Tugenden bezeichnet: Sehr agil und transparent von den tiefsten Registern bis in die höchsten Höhen. Er prügelt seinen Willen nicht mit Nachdruck in die Lautsprecherterminals, er zeichnet bestimmt, aber dezent. Die Basswiedergabe gerät dadurch leichtfüßig, variabel, aber nicht besonders nachdrücklich. Es ist ein schneller, gefühlvoller Bass, einer, der schon wieder weg ist, bevor er überhaupt auffällt. Der Atilla ist ein exzellenter Verstärker zum Leisehören: Ich kann mich an kaum einen Vollverstärker erinnern, bei dem auch bei geringen Pegeln der Raum so glaubhaft erhalten bleibt, die Dimensionen nicht zusammenklappen und die Hälfte der Informationen im Nichts versinkt. Da gehen dann auf einmal auch Dinge wie Klassik morgens um drei bei nachbarschaftskompatiblen Pegeln, ohne dass man nur die Hälfte mitbekommt. Auch die dänisch-norwegische Zusammenarbeit funktioniert ausgezeichnet: Kari Bremnes‘ jüngstes Studioalbum „Ly“ ist ein Musterbeispiel von Klarheit und Trockenheit, das gerne schon mal ins Analytische kippt. Kann mit dem Gryphon nicht passieren: Er verleiht dem Album erst einmal eine ungeheure Plastizität und Leichtfüßigkeit, dreht die Temperatur der Grundstimmung ein paar Grad höher und macht die Platte zu einem deutlich sanfteren Genuss als üblich. Einen wirklichen Vorteil beim Anschluss eines symmetrischen Gerätes an den XLR-Eingang gibt’s übrigens nicht zu vermelden; das überrascht auch nicht weiter, weil die Signalverarbeitung im Gerät im Wesentlichen asymmetrisch erfolgt. Was es sowohl über die Cinch- als auch über die XLR-Terminals gibt, ist ein faszinierendes, ungemein schlüssiges und fein abgezirkeltes Klangbild, bei dem sich das Vierteljahrhundert Erfahrung, das bei Gryphon mittlerweile im Verstärkerbau steckt, ziemlich deutlich erahnen lässt.

Fazit

So kann man sich irren: Keine Spur von nordischer Kühle beim kleinen Gryphon-Vollverstärker. Vielmehr bestimmen Temperament und eine beschwingte Leichtigkeit das Bild. Aufregend gestylter, toll klingender Verstärker.

Kategorie: Vollverstärker

Produkt: The Gryphon Atilla

Preis: um 8000 Euro

3/2010
Ausstattung & technische Daten 
Vertrieb TAD-Audiovertrieb GmbH, Aschau Im Chiemgau 
Telefon 08052 9573273 
Internet www.tad-audiovertrieb.de 
Garantie (in Jahre)
B x H x T (in mm) 475/135/425 
Gewicht (in Kg) 15 
Unterm Strich... » So kann man sich irren: Keine Spur von nordischer Kühle beim kleinen Gryphon-Vollverstärker. Vielmehr bestimmen Temperament und eine beschwingte Leichtigkeit das Bild. Aufregend gestylter, toll klingender Verstärker. 
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