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Herrlich verspielt - der Vollverstärker HiFi Rose RA180
Manchmal muss man einfach ganz schnell „hier“ schreien – zum Beispiel, als die ersten Bilder dieses Vollverstärkers auftauchten, der aussieht, als ob sich seine Macher einen Dreck um jegliche Konvention scheren würden.
Eigentlich war ich geneigt, diese Geschichte mit den drei groß geschriebenen Buchstaben W, T und F, gefolgt von mindestens drei Fragezeichen anzufangen. Da wir hier aber unter gesitteten Leuten sind, hole ich wohl besser etwas weiter aus. Das, was hier gerade vor mir steht und sehr überzeugend Töne mit Hilfe zweier Boxen namens „Ella“ generiert, das sieht aus, als ob es von einem Nagra-Designer auf Crack entwickelt worden. Und das schnöde Wort „Vollverstärker“ trifft auch nur ansatzweise, was die koreanischen Konstrukteure hier auf Kiel gelegt haben. Der Hersteller heißt „HiFi Rose“ und ist bis jetzt in erster Linie mit topmodernen Streaming-Gerätschaften mit vollflächigen Touch-Screen- Displays auffällig geworden.
Die übrigens sehr schick sind und gut funktionieren – für den Fall, dass Sie sich für sowas interessieren.Das hier jedoch, dass ist Lichtjahre davon entfernt und doch kaum weniger modern als ein Streamer. Es ist ein Vollverstärker mit vier Endstufenkanälen. Schaltverstärker in Gallium-Nitrid-Technologie. In Brückenschaltung sind locker 400 Watt pro Kanal drin. Und jetzt kommt‘s: Das Ding hat einen Phonoeingang. MM- und MC-fähig. Mit einer ganzen Armada umschaltbarer Entzerrerkurven, um auch die nach der krudesten Kennlinie geschnittene Platte korrekt wiedergeben zu können. Das ist aber beileibe noch nicht alles, wozu sich das 7000 Euro teure, in wirklich schickes Aluminium gehüllte und auf 300 Stück limitierte Gerät überreden lässt.
Bei soviel High-Tech liegt der Verdacht nahe, dass die Signalverarbeitung mehr oder weniger auf digitaler Ebene erfolgt. Dem ist aber nicht so, der RA180 ist ein rein analoger Vertreter seiner Zunft. Naja, fast: Natürlich ist das Gerät WLAN-fähig und mit der entsprechenden App fernsteuer- und ins Rose-Universum integrierbar. Bedauerlicherweise müssen wir uns in dieser Geschichte verstärkt auf Äußerlichkeiten verlassen, denn: Ich kriege das Ding ohne den Einsatz spanabhebenden Werkzeugs nicht auf. Weil: Es ist mit Senkkopf- Inbusschrauben der Größe M3 verschraubt und die gehören dringend vom Antlitz des Planeten getilgt. Einmal mit ein bisschen zuviel Drehmoment angezogen und man bekommt sie ums Verrecken nicht zerstörungsfrei wieder heraus – zumal dann, wenn wie hier eher weicher Stahl zum Einsatz gekommen ist. Von daher müssen wir mit dem einen Innenfoto des Gerätes vorlieb nehmen, dass der Hersteller zur Verfügung stellt.
Die Optik des RA180 polarisiert naturgemäß: Entweder man liebt die leicht krude Mischung aus Steampunk-Anleihen, Schweizer Studioanmutung und klassischer Achtziger-HiFi-Ästhetik, oder man wendet sich mit Grausen ab. Ich bin Kategorie A und bei HiFi für alles zu haben, was nicht langweilig ist. Arbeiten wir uns bei unserer Untersuchung der Maschine von links nach rechts vor. Da wäre zunächst der Eingangswahlschalter, bei dem man sich streiten kann, ob eher ein Nagra-Design oder ein früher MBL-Vorverstärker Pate gestanden hat. Muss man aber nicht, man kann sich auch einfach an dem satt klackenden Schalter und dem griffigen, in der Front versenkten Knebel erfreuen. Mit ihm lassen sich jedenfalls drei unsymmetrische und ein symmetrischer Line-Eingang und der Phonoeingang umschalten. Natürlich alles fein säuberlich per Relais geschaltet, die genau so verzögert angesteuert werden, dass beim Umschalten ja nichts knackst. Rechts davon sind klassische Vorverstärkerfunktionen installiert, die sich mit einem Kippschalter links aktivieren lassen. Wenn man das tut, hat man Zugriff auf einen Bass-, einen Höhen- und einen Balancesteller. Die ersten beiden sind als Drehpotis ausgeführt, letzterer als Schieberegler. Das funktioniert tadellos, die Angelegenheit ist allerdings auch in Mittenstellung nicht völlig klangneutral. Macht nix, dafür gibt‘s ja den Bypass-Schalter. Hat man die Beleuchtungsoption des Gerätes aktiviert, bekommen Bass- und Höhensteller übrigens einen hübschen „Lichtzeigereffekt“. Unterhalb dessen kommt die „Crossover“- Abteilung zum Zuge. Wer auf eine voll parametrierbare Zweiwege-Aktivweiche gehofft hat (wie ich zum Beispiel), den muss ich enttäuschen Das Feature ist dazu gedacht, auf einem Paar Ausgänge einen Zusatzhochtöner zu betreiben. Der entsprechende aktive Hochpass lässt sich mit den beiden Drehknöpfen parametrieren: Der linke wählt die untere Grenzfrequenz zwischen 580 Hertz und sechs Kilohertz, der rechte stellt den entsprechenden Pegel ein. Das ist auf alle Fälle ein ziemlich spezielles Feature. Rechts daneben wird‘s für Phonofreunde interessant, das ist nämlich das Einstellfeld für die umschaltbaren Entzerrerkurven.
Das funktioniert hier etwas anders als bei anderen Ansätzen, denn: Man kann hier zwei Parameter einstellen, nämlich den Übergang zwischen die untere Zeitkonstante und den Rolloff bei zehn Kilohertz. Das Handbuch listet neun Wertepaare für die gängigsten Kurven, damit sollte man erst einmal zurechtkommen. Nicht ganz klar ist mir, warum der ohnehin nur über den Phonoeingang wirksame Equalizer einen separaten Bypass-Schalter bekommen hat. Und überhaupt, der Phonoeingang. Er manifestiert sich in Form zweier Cinchbuchsen, einer Erdungsklemme und eines Schiebeschalters an der Geräterückseite. Letzterer schaltet zwischen MM- und MC-Betrieb um. Die angegebenen Verstärkungsfaktoren liegen bei 43 und 63 Dezibel, das passt. Den Spaß an der Sache verdirbt aber leider der Umstand, dass sowohl im MM- als auch im MC-Betrieb lediglich eine Eingangsimpedanz von 47 Kiloohm zur Verfügung steht. Schön für MMs, für die meisten MCs weniger, sie quittieren den Versuch in den meisten Fällen mit einem dünnen, strähnigen Klangbild. Vereinzelt kann das klappen, das ist aber die Ausnahme. Weiter geht‘s mit den beiden hübschen runden Aussteuerungsinstrumenten. Sie zeigen den Pegel der angewählten Quelle an, ihr Ausschlag ändert sich also nicht mit der Stellung des Pegelstellers. Rechts daneben folgt das herrlich überdrehte Showpiece des Gerätes: der Lautstärkesteller. Egal, wie gewöhnlich das Potentiometer dahinter auch sein mag, das kunstvolle Zahnradgetriebe mit Zahnstangen-Pegelanzeige ist der absolute Hingucker, inklusive des asymmetrisch „eingespeichten“ Drehknopfes. Der deutlich Nagra-inspirierte Knebelschalter rechts daneben schaltet zwischen den beiden „Lautsprecherbänken“ um, Parallelbetrieb beider Sektionen geht nicht. Der geschwungene Knebel darüber überbrückt die komplette Vorverstärkersektion und man kann direkt die Endstufen ansteuern. Das ist im Betrieb nicht ganz ungefährlich, daher gibt‘s dort auch einen Warnaufkleber.
Drei Kippschalter unten rechts bleiben uns noch: Einer schaltet die sehr geschmackvolle und schummerig-warme Beleuchtung in zwei Stufen, einer ein Subsonic- Filter – interessanterweise für alle Quellen – und einer senkt den Pegel auf ein in jedem Falle telefoniertaugliches Niveau. Die Geräterückseite bietet neben den fünf Eingängen einen allerdings nicht weiter einstellbaren Cinch-Subwooferausgang und gleich acht Paar dicker Polklemmen für den Lautsprecheranschluss. Von denen ist immer nur die obere oder die untere Reihe aktiv – Sie erinnern sich, der entsprechende Schalter vorne. Vier Ausgänge gehören zu jeweils einem Endstufenausgang und lassen sich „ganz normal“ – der Hersteller nennt das Bi-Amping – betreiben, in Verbindung mit dem aktiven Hochtonfilter oder im Brückenbetrieb, was dem Gerät zu ernsthaft viel Leistung verhilft. Den Hörtest habe ich mit zwei Endstufenausgängen im einfachen Stereobetrieb gemacht. Wir müssen noch kurz über Galliumnitrid reden. Das ist nämlich ein zunehmend interessanter werdendes Halbleitermaterial, mit dem sich sehr verlustarme Leistungs- Mosfets realisieren lassen, und die kommen auf den vier mittig im Geräten angeordneten Endstufenmodulen zum Zuge. Trotz erklecklicher Leistungen sind die Module schon fast niedlich klein und brauchen kaum nennenswerte Kühlkörper. Die Versorgung des Ganzen übernimmt natürlich ein modernes Schaltnetzteil, dass das linke Gehäusedrittel beansprucht. Rechts neben der Endstufensektion gibt‘s die analoge Kleinsignalverarbeitung.
Ich gebe zu, dass ich das Gerät zu Beginn für ein etwas überkandideltes Gimmick gehalten habe, den Eindruck habe ich allerdings schnell revidiert. Während ich diese Zeilen tippe, läuft hinter mir der frühe Ryan Adams via Ortofon Per Windfeld Ti und Übertrager am MM-Eingang des RA180 und ich stelle fest: Verdammt – das ist nicht schlecht! Es klingt flüssig, es hat Rhythmus, Timing und Kontur. Es hat sich gezeigt, dass die Schaltverstärker hier besser klingen, wenn sie ein wenig gefordert werden. Das heißt: Zuviel Wirkungsgrad ist nicht gut. An meinen Standard-Dreiwegerichen mit rund 96 Dezibel klingen sie zwar nicht schlecht, aber etwas stolperig und überschwänglich, mit zuviel Oberbass. Das bessert sich merklich, wenn man laut hört, aber das will man ja nicht immer. Fünf bis acht Dezibel Wirkungsgrad weniger, und der Rose-Verstärker ist in seinem Element. Die Verhältnisse stimmen, der Bass bekommt ein gewisse Geschmeidigkeit, der Hochton gewinnt an Luft. Das Ensemble zieht auffällig große Räume auf und wirkt extrem stabil, was zum Beispiel Neil Youngs Massey Hall-Auftritt von 1971 ausgezeichnet bekommt. Meine Lieblings- Stonerrocker von My Sleeping Karma zelebrieren ganz große Atmosphäre und ich vermisse nur ganz wenig Geschmeidigkeit und Attacke von Single-Ended-Trioden – das ist weit mehr, als ich von den allermeisten Halbleiterverstärkern behaupten kann.
Fazit
Der Überraschungsvollverstärker von HiFi-Rose ist ein mit Features gespicktes Gerät, das in jeder Hinsicht anders sein will. Nicht jede Idee zündet hundertprozentig, aber sein kräftiger, flüssiger und geschmeidiger Klang gibt dem originellen Konzept absolut Recht.Kategorie: Vollverstärker
Produkt: Rose RA180
Preis: um 7000 Euro
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Vertrieb: | audioNEXT, Essen |
Telefon: | 0201 8325825 |
Internet: | www.audiodomain.de |
Garantie: | 2 Jahre |
B x H x T: | 430/110/350 |
Gewicht (in kg): | ca. 16,7 kg |
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