Vor Leuten, die ihren Prinzipien trotz aller Widrigkeiten treu bleiben, habe ich eine gehörige Portion Respekt. Beim US-Hersteller Krell sitzen solche Leute und schwelgen in der puren Unvernunft
Mitspieler
Plattenspieler:
Transrotor Zet 3 / 5012 / Merlo Reference
Phonovorstufen:
Pure Sound P10, Übertrager T10
Lautsprecher:
Audio Physic Avantera
Klang + Ton Nada
Progressive Audio Elise II
Zubehör:
Netzsynthesizer PS Audio P10
NF-Kabel von van den Hul und Transparent
Phonokabel van den Hul
Lautsprecherkabel von Transparent
Plattenwaschmaschine von Clearaudio
Gegenspieler
Vollverstärker:
ASR Emitter 1
Quad II Classic Integrated
Krell – das war noch nie Kindergarten. Von den Anfängen im Jahre 1980 an waren Krell-Verstärker immer extrem.
Zu Beginn gab‘s eine wirklich brutale Endstufe namens KSA-100, die ernsthaft Leistung im reinen Class-A-Betrieb produzierte und ihre Kühlkörpergebirge dringend brauchte. Was der Anwender nicht mehr brauchte, war eine Heizung im Hörzimmer. Leistung und Ruhestrom -–das waren immer die Schlüsselaspekte bei Geräten aus diesem Hause. Bis vor einigen Jahren saß Entwicklerlegende Dan D‘Agostino bei Krell am Ruder, mittlerweile ist der Mann in eigener Mission unterwegs – auch davon wird demnächst zu berichten sein. Ob‘s nun Dan war oder einer seiner Nachfolger, die Basis für Krell-Verstärker ist auch heute noch die gleiche. Nur haben sich die Methoden geändert. So gab‘s immer wieder mehr oder weniger erfolgreiche Versuche, die Vorteile des Class-A-Betriebs zu nutzen, ohne Unmengen von Energie zu verheizen. Da gab‘s legendäre Boliden mit „Sustained Plateau Bias“, bei dem der Ruhestrom in mehreren Stufen je nach benötigter Ausgangsleistung umgeschaltet wurde, und zwar mit irrem Aufwand. Die Krell-Verstärker von heute geben sich nur ein bisschen weniger martialisch als die Geräte aus der wilden Zeit. Leistung gibt‘s nach wie vor satt, und da macht der neue große Vollverstärker S-550i keine Ausnahme: Er drückt lockere 500 Watt pro Kanal auf die Lautsprecherklemmen. Ein Lautsprecher, der damit nicht auf Trab zu bringen ist, hat irgendwo unterbrochene Anschlussleitungen. Der S-550i erinnert entfernt an das bislang größte Krell-Vollverstärkermonster „FBI“, baut aber nur gut halb so hoch wie jener. Knapp 30 Kilo Gewicht sind trotzdem ein Wort, irgendwo her muss die Leistung ja auch kommen. Bei Krell mittlerweile Tradition hat die mitgelieferte Docking-Station für diverse Apple-Mobilgeräte. Deren Daten werden dann auch gleich amtlich, sprich: digital aus dem irgendwas in den Verstärker transportiert und erst dort in ihr analoges Pendant überführt. Interessiert uns hier nur am Rande, soll aber nicht unerwähnt bleiben. Optisch dominierendes Bedienelement des Gerätes ist der zentral angeordnete Lautstärkesteller. Der Knopf mit leicht martialischer Schrauben-Optik ist mittlerweile ein Krell-Markenzeichen und kann natürlich viel mehr als einfach nur laut und leise. Per eingebauter Tastfunktion kann man mit ihm durch Menüs scrollen und einzelne Punkte anwählen – wie man das heutzutage halt so macht. Bei den Einstellmöglichkeiten fallen ein paar Dinge auf. Erst einmal freue ich mich über die Möglichkeit, das Display zweistufig zu dimmen; erfreulicherweise beeinflusst die Einstellung auch gleich die Helligkeit der Einschaltkontrollleuchte. Dann fällt das Vorhandensein von zwei Standby-Modi auf: Man kann sich zwischen „Brüssel-kompatibel“ und „ist zügig auf Betriebstemperatur“ entscheiden. Es gibt drei unsymmetrische und einen symmetrischen Eingang, hinzu gesellt sich ein Cinch-Vorstufenausgang. Die Lautsprecherterminals hätten von mir aus gerne etwas Besseres als billige WBT-Kopien sein dürfen, gegen die anderen Anschlüsse ist nichts zu sagen. Heimkino-Einbindungsmöglichkeiten finden sich natürlich auch. Im Gerät gibt‘s, wie kaum anders zu erwarten, Dickes. Krell ist so etwas wie der Erfinder des „kochtopfgroßen Ringkerntrafos“, und genau den gibt‘s hier auch: einen Umspanner mit gewaltigen 1750 VA Belastbarkeit. Die Stromfluten werden von einer Platine mit Siebelkos, gut gekühlten Gleichrichtern und dazugehörigen Baugruppen hinten im Gerät aufbereitet und verwaltet, darüber sitzt eine weitere Platine, die Eingangswahl, Vorverstärkung, Lautstärkeregelung und eine Vielzahl von Schutzfunktionen erledigt. Links und rechts im Gerät stecken die beiden Endstufenmodule; auf die Kühlkörper sind jeweils 14 Leistungstransistoren geschraubt – das ist auch für Leistungsorgien wie die hier möglichen satt genug. So ziemlich alle Funktionen werden beim S-550i vollelektronisch erledigt, auch Eingangswahl und Pegelwahl; eine Vielzahl spezialisierter Chips übernimmt diese Funktionen. Zur Topologie der Verstärkerschaltung lässt sich aus der Anschauung kaum etwas ablesen, zu komplex ist das mit einer Unzahl von miniaturisierten SMD-Komponenten aufgebaute Gerät. Ein paar Informationen lässt der Hersteller uns aber zuteil werden: Grundsätzliche handelt es sich um „Current- Mode“-Verstärker. Das macht Krell schon lange und heißt andernorts „Stromgegenkopplung“ – zweifellos eine moderne und erfolgversprechende Art der Realisation. Es gibt eine echte Trennung zwischen dem vollsymmetrischen Vor- und dem Endverstärkerteil, die über eine Krell-Spezialität miteinander verbunden sind: Die „Cast“-Verbindung nutzt einen Strom zum Signaltransport, nicht, wie üblich, eine Spannung. Das macht die Verbindung extrem störarm und außerdem von Leitungseinflüssen unabhängig. Die diskret aufgebaute Endstufenschaltung gibt‘s prinzipiell bei jedem Krell-Leistungsverstärker, sie zeichnet sich durch extreme Niederohmigkeit und damit maximale Dämpfung aus. In der Praxis gibt‘s ein paar Kleinigkeiten, die mir beim S-550i nicht recht gefallen wollen. Erst einmal scheint sich der Trafo bei uns nicht recht wohlzufühlen – er brummt nämlich vernehmlich, und das ständig. Die Beschriftung auf der Front und Rückseite des Gerätes ist irgendetwas zwischen ganz schlecht und überhaupt nicht lesbar, zumindest bei unserem schwarzen Testmuster. Alles kein Beinbruch, aber verbesserungswürdig. Auch das merkliche Knacksen in den Lautsprechern, wenn man das Gerät in Betrieb nimmt. Was klemmt man nun an einen solchen Verstärker für Lautsprecher? Bevorzugt natürlich solche, bei dem sich der Einsatz der gebotenen Leitung auch lohnt. Unser kleines Experiment mit dem Klipschorn an anderer Stell in diesem Heft hat zwar erheblich besser funktioniert, als wir es erwartet hatten, aber praxisgerecht ist so eine Anwendung natürlich nicht. In Kombination mit der Audio Physic Avantera, bei der pro Kanal immerhin vier Bassmembranen auf Trab gebracht werden wollen, sieht die Sache schon etwas anders aus. Das ist das Umfeld, in dem ein solcher Verstärker wach wird. Wie sag ich‘s am besten? Leute, das ist Krell. Die bauen keinen Verstärker mit 500 Watt pro Kanal, bei dem man nichts von den Muckis hört. Und so tönt der S-550i zwar wirklich ausgezeichnet, seinen amerikanischen „ich muss den Bassverlust durch die blöden Pappwände kompensieren“- Charakter leugnet er nicht. Das Ding schiebt, und zwar richtig. Das macht er allerdings mit so viel Differenzierungsvermögen und Disziplin, dass man ihm deswegen gar nicht böse sein kann. Zumal der eigentlich sehr akkurate und feine Hochtonbereich sich damit zu einem wunderbar warmen Ganzen ergänzt. Sie haben da vielleicht eine weitgehend wirkungsgradfreie Kompaktbox, der sie untenherum etwas auf die Sprünge helfen möchten? Das hier ist das Mittel dazu. Unsere Nada braucht solcherlei Nachhilfe nicht, aber ich will nicht verhehlen, dass der Sound des Krells an der im Bass überaus potenten Kompaktbox höllisch Laune macht. Tatsächlich ist das so richtiger Class-A-Klang; schnell, fein, nur halt untenherum etwas reichlich. Es gibt Situationen und Lautsprecher, da würde ich mit keinem anderen Verstärker als genau diesem hören wollen. Wenn Sie mit solcherlei Charakter eines Gerätes etwas anfangen können, dann verspreche ich Ihnen bei den ersten Tönen ein breites Grinsen im Gesicht.
Fazit
Der neue große Krell-Vollverstärker hat so richtig „Eier“, und das hört man auch. Neben einem massiven Fundament bietet er einen supersanften und fein aufgelösten Mittelhochtonbereich – das ist bester „Class-A-Sound“.