Kategorie: Vollverstärker

Einzeltest: Atoll IN-100


Reifeprozess

Vollverstärker Atoll IN-100 im Test, Bild 1
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Vollverstärker haben’s gut, denn die können bleiben, was sie sind, unabhängig von der Entwicklung auf dem digitalen Musiksektor. Doch es gibt welche, die im Laufe der Zeit dazulernen.

Lernprozesse können dauern, wenn man sie mit Gelassenheit und Durchdachtheit angeht. Hauptsache, am Ende stimmt das Ergebnis. So scheint man in Nordfrankreich in der Normandie zu denken. Dort wird gut gegessen, feiner Wein getrunken und überhaupt weiß man in der Gegend ganz genau, was Lebensqualität ist. Dazu gehört natürlich auch der Genuss von Musik, dem sich Atoll Electronique verschrieben hat. Außerdem scheint Stéphane Dubreuil, der technische Kopf der Firma, immer die Ruhe wegzuhaben. Anstatt immer sofort mit allen Trends mitzuziehen, konzentriert er sich lieber auf das konsequente Durchentwickeln eines Konzepts, das dann, wenn er es für ausgereift befindet, in seine feinen Audiogeräte Einzug erhalten darf.

Vollverstärker Atoll IN-100 im Test, Bild 2Vollverstärker Atoll IN-100 im Test, Bild 3Vollverstärker Atoll IN-100 im Test, Bild 4Vollverstärker Atoll IN-100 im Test, Bild 5Vollverstärker Atoll IN-100 im Test, Bild 6
Somit ist der der IN100 ein über Jahre gereifter Verstärker aus Atolls SE-Serie, der im für das Unternehmen typischen schlichten, gefälligen Design ausgeliefert wird und außer Tastern für die Quellenwahl und einem zentral angeordneten, ordentlichen Aluknopf für die Lautstärkeregelung keine Interaktionen von außen zulässt. Wenn man den IN-100 aufschraubt sieht man auch schnell, warum diese doch recht kompakte Kiste so schwer ist. Die Stromversorgung baut auf zwei knüppeldicke Ringkerntrafos auf, die natürlich ihren Teil zum Gesamtgewicht beitragen und eine stabile Basis für den Strombedarf des Verstärkers darstellen. Sie versorgen schon kanalgetrennt den komplett in Doppelmono aufgebauten Verstärker, dessen Endstufe an einer Kühlkörperbank sitzt und der ansonsten einen sachlichen, sauber umgesetzten diskreten Aufbau vorweisen kann. Ein feines Alps-Poti stellt die Lautstärke ein, hochwertige Relais schützen den Verstärker für den Fall der unsachgemäßen Behandlung. Die Verstärkerstufe ist als MOSFET-Stufe ausgeführt, die mit einer sehr sanft ansetzenden Gegenkopplung auskommt. Das ist so ein bisschen Firmenphilosophie, denn natürlich kann man sich tolle Dämpfungsfaktoren und andere messtechnisch gut aussehenden Vorteile mit einer starken Gegenkopplung erkaufen, doch bewegt man sich immer auf dem Grat zwischen Papierform und natürlicher Dynamik. Ich glaube Stéphane Dubreuil jedenfalls, dass er über die Jahre das Ideal gefunden hat. Und deswegen misst sich so ein Atoll Amp „nur“ gut, das Messgerät namens Ohr entscheidet den Rest. Vier analoge Zuspieler vermag der IN-100 zu verwalten, einer davon hat außerdem noch die klassische Tape-Schleife zu bieten. Auch einen Direktanschluss hat Atoll reingebaut, der von der Lautstärkeregelung unbeeinflusst bleibt und sich somit für den Einsatz beispielsweise in einem Heimkinosystem eignet. Ich selbst brauche so etwas immer öfter, um beispielsweise DACs mit eingebauter Vorstufe sinnvoll anschließen zu können. Das ist besonders für das, was er kosten soll, ein ganz, ganz feiner Vollverstärker. Kein Schnickschnack wanderte da rein, sondern nur das, was man für einen klanglich groß auftretenden Verstärker braucht. So oder so ähnlich spielt der N50 seit Jahren in vielen glücklichen Haushalten. Die Franzosen haben der aktuellen Inkarnation eine Zusatzfunktion verpasst, die gerade für diejenigen interessant ist, die viel Musik auf ihrem Computer im Arbeitszimmer oder auf einem iPod gespeichert haben und möglichst einfach über ihre HiFi-Anlage wiedergeben wollen. Ein langes Kabel legen ist beliebig unelegant und dem Streaming möchte sich ja tatsächlich noch nicht jedermann öffnen. Deswegen hat Atoll die einfachste denkbare Drahtlosverbindung implementiert, um diese Leute trotzdem glücklich zu machen. Im „alten“ IN-100 war auf der rechten Seite der Platine noch ein wenig Platz, der jetzt mit einem Streamingmodul gefüllt wurde. Das ausschließlich drahtlos arbeitende Modul sitzt auf einer Huckepackplatine und belegt den Aux-Eingang. Um Passwörter, WLAN-Schlüssel oder IP-Adressen müssen Sie sich trotzdem nicht kümmern, denn so einfach wie hier wird‘s einem selten gemacht. Es genügt, einen USB-Dongle in den Computer zu stecken, und schon ist man bereit. Die Kommunikation zwischen Computer und Verstärker wird vollautomatisch aufgebaut, da muss man sich um nichts kümmern. Selbst ein WLAN ist überflüssig, denn die beiden kommunizieren auf einer eigenen Funkstrecke miteinander. Die Bandbreite ist hierbei auf 48 kHz begrenzt, hochaufgelöstes Material wird vorher runtergerechnet. Den Einsteigern ins Metier wird das natürlich erstmal schnuppe sein, denn wer noch in den Kinderschuhen der Computermusik und des Streamings steckt, hat sicher eh CD-Rips oder iTunes-Downloads auf dem Rechner. Gerade letztgenannte Anwendung birgt einen großen Charme, denn für iTunes gibt es ja die wirklich gut gelungene Remote-App, die komfortable Steuerung der gespeicherten Inhalte erlaubt. Es reicht, den Arbeitsrechner eingeschaltet und iTunes im Hintergrund laufen zu lassen, schon streamt man auf einfachstem Weg vom Rechner direkt in den IN-100 hinein. Genau so habe ich denn auch gehört, wobei ich natürlich verlustfreie Dateien auf dem Rechner habe, um dem Funkmodul bestmögliche Voraussetzungen für den Klangtest zu geben. Und da sieht‘s gut aus für ihn. Der Franzose vermittelt ein tolles Rhythmusgefühl und holt gerade untenrum jede Menge Druck aus dem Ärmel. Damit erzeugt er ein hohes Maß an Souveränität, das man einem Vollverstärker dieser Größe hoch anrechnen muss. Tonal geht‘s sehr farbenfroh zur Sache, nüchterne Sterilität gehört weniger zu den Eigenschaften, die seine klangliche Marschrichtung beschreiben. Gut so, ich mag HiFi mit Charakter. Tatsächlich machen sich unter OSX Programme wie Amarra und Pure Music bemerkbar und auch an einem Windows-Rechner lohnt es sich, Kernel-Streaming oder WASAPI zu aktivieren. Doch auch ohne diese Maßnahmen stellt sich ein feiner Klang ein, der natürlich von der sehr guten Verstärkerstufe gekrönt wird. Er schaffte es mühelos, die Dynamik von HiRes-Musik, die ich ihm über angeschlossene DACs zuführte, zu transportieren und schafft es, sowohl kleine Regalboxen als auch ausgewachsene Standboxen ganz locker zu Höchstleistungen zu treiben. Und das ist es doch, was ein richtig guter Vollverstärker können muss. Die neu hinzugekommene Streamingfähigkeit verstärkt jedenfalls meine letzte Aussage: In der 1.000-Euro-Klasse muss man erst mal einen Vollverstärker finden, der den IN-100 umschubst. Hier wird ein ausgereiftes Verstärkerkonzept mit sinnvollen, das Gerät in die Moderne hievenden Möglichkeiten erweitert. Ganz heiß!

Fazit

Der IN-100 ist ein Vollverstärker klassischer Schule, der jeder Anlage ein saubere Fundament liefert. Durch die hinzugekommene Drahtlosverbindung macht er zudem die Übertragung vom Computer absolut einfach und stabil.

Kategorie: Vollverstärker

Produkt: Atoll IN-100

Preis: um 700 Euro

1/2013
Ausstattung & technische Daten 
Vertrieb Audium/Visonik, Berlin 
Telefon 030 6134740 
Internet www.audium.com 
Leistung ( 8 Ohm / 4 Ohm) 101 W/138 W 
THD+N (in %) 0.102 
SNR (in dB) 91 dB(A) 
Eingänge 6 x analog RCA, 1 x Wireless 
Besonderes Funk-Dongle für PC/Mac und iPhone/iPad 
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Christian Rechenbach
Autor Christian Rechenbach
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Datum 17.01.2013, 11:03 Uhr
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Unser Hobby spiegelt die Welt da draußen wider: immer mehr, immer größer, immer teurer muss es sein. Zum Glück gibt es aber auch Gegenbeispiele. Mit dem dänischkanadischen Traumduo kann man seinen irdischen Musikfrieden finden.

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