Kategorie: Tonabnehmer

Serientest: Ortofon SPU Classic E N, Ortofon ST-7 Übertrager


Die Klassiker

Tonabnehmer Ortofon SPU Classic E N, Ortofon ST-7 Übertrager im Test , Bild 1
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Bei sich zusehends in Richtung Irrsinn entwickelnden Tonabnehmerpreisen lohnt es sich, einen Blick in die Klassikerabteilung zu werfen. Vielleicht gibt‘s da ja was richtig Gutes, das sich noch irgendwie bezahlen lässt?

Ein großer Teil des Stolzes des dänischen Tonabnehmerherstellers Ortofon aufs eigene Schaffen hat mit einer Tonabnehmerbaureihe zu tun, die man seit fast 60 Jahren hegt und pflegt: das erste „SPU“ erblickte 1958 das Licht der Welt. Das Kürzel steht für „Stereo Pick-Up“ und stellt die Reaktion des bereits damals sehr traditionsreichen Unternehmens auf das Erscheinen der modernen Stereo-Langspielplatte nach dem Füllschriftverfahren dar. Heutzutage gibt‘s von Ortofon gar einen eigenen Katalog mit verschiedenen Varianten des Klassikers, die allesamt auf dem prinzipiell gleichen Generator aufbauen. Die bekannteren Vertreter der Baureihe sind zweifellos die im Bakelitgehäuse verpackten Varianten mit Bajonettanschluss nach SME-Standard, die gewissermaßen gleich ihr eigenes Headshell mitbringen.

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Diese Modelle bilden das Rückgrat der Reihe, wollen mit schweren und stabilen Tonarmen kombiniert werden und sind der Hauptgrund dafür, warum die frühen Zwölfzoll-Tonarme von SME auf dem heutigen Gebrauchtmarkt horrende Preise erzielen. Mir hat sich diese Welt zugegebenemaßen immer nur bedingt erschlossen, was in erster Linie daran liegt, dass ich den „dicken Prügeln“ optisch nur wenig abgewinnen kann. Für Leute wie mich – und andere, die mit etwas filigranerem Gerät arbeiten möchten oder schlicht keine Tonarme mit SME-Bajonett haben, baut Ortofon auch „nackte“ SPUs ohne Gehäuse. Davon gibt‘s derzeit drei Modelle, unser heutiger Gast hört auf die Typenbezeichnung „SPU Classic E N“ und stellt das mittlere der drei Modelle dar. Auch das ist beileibe keine brandneue Entwicklung von Ortofon, jedoch eine über die Jahre immer ein bisschen modernisierte Angelegenheit. Die aktuelle Variante ist zum Listenpreis von 790 Euro erhältlich. Die „Tondosen“-Version des Abtasters heißt „Classic GM E“ und ist ebenfalls ein aktuelles Modell. Die nackte Variante schlägt mit einem Gewicht von 23 Gramm zu Buche, die Tondose mit derer 30. Auch wenn man beim Classic E N noch das Gewicht eines Headshells dazurechnen muss, wird klar, dass das Finden eines passenden Tonarms hier etwas leichter wird. Machen wir uns nichts vor: Mit einer Nadelnachgiebigkeit von lediglich 8 µm/mN zählt das gute Stück eindeutig zur Spezies der hart aufgehängten Abtaster und will in einem stabilen Tonarm geführt werden. Ein weiteres Indiz dafür, dass das SPU eine ziemlich steife Angelegenheit, ist lässt sich aus der empfohlenen Auflagekraft ableiten: Ortofon gibt 30 bis 50 Millinewton an und das ist locker das Doppelte von dem, was wir von modernen MCs gewöhnt sind. Sorgen ob der abzutastenden Platten muss man sich übrigens keine machen: Die hohe Auflagekraft schadet dem Vinyl nachweislich nicht, was auch mit Größe und Geometrie des Abtastdiamanten zu tun hat. Beim Classic E N ist‘s ein elliptischer Diamant mit großzügigen Verrundungsradien von 8 und 18 Mikrometern. Damit haben wir‘s zweifellos noch nicht mit einem der Hardcore-SPUs zu tun, bei denen natürlich eine klassische Rundnadel montiert ist. Ein Problem beim SPU-Generator ist seine Formgebung. Der „schräge Rücken“ ist ein Grund dafür, dass das gute Stück üblicherweise in einer Tondose steckt. Bei den nackten Varianten muss man sich etwas einfallen lassen, sonst passt der Abtaster nicht unter ein normales flaches Headshell. Zum Glück gibt‘s eine Distanzplatte aus Aluminium mit einer entsprechenden Vertiefung auf einer Seite, die den „Buckel“ aufnimmt. Die ganze Anordnung baut dadurch relativ hoch, diesem Umstand gilt es bei der Montage natürlich Rechnung zu tragen. Tatsächlich präsentiert sich der Abtaster optisch maximal reduziert: Der Generator steckt in einem Minimalgehäuse, die beiden „Flügel“ aus Kunststoff dienen lediglich der Bereitstellung von Befestigungslöchern im Halbzoll-Abstand. Jawohl, Löcher, keine Gewinde: Das System will mit Schrauben und Muttern montiert werden, Entsprechendes liegt natürlich bei. Aus Messing, mit Schlitzschrauben, versteht sich – wir haben es schließlich mit einem Vintage-Produkt zu tun. Vorne am „Business End“ des Abtasters begrüßt uns ein kurzer Aluminiumnadelträger mit besagtem elliptisch geschliffenen Diamanten. Rückseitig stehen die vier Anschlusspins schräg nach oben heraus, was dem verdrehten Einbau des Generators geschuldet ist. Die Pins sind etwas dünner als üblich, diesen Umstand muss man beim Anschluss berücksichtigen. Freundlicherweise legt Ortofon einen Satz passender Headshell- Kabel bei. SPUs sind keine Weltmeister in Sachen Ausgangsspannung, auch das Classic E N macht da keine Ausnahme. Der Hersteller gibt 0,2 Millivolt bei einer Schnelle von 5 cm/Sekunde an, was moderne Halbleitervorstufen kaum vor Probleme stellt. Als SPUs jung waren, sah das allerdings noch ganz anders aus, hier musste der Ausgangsspannung grundsätzlich per Übertrager nachgeholfen werden, sonst war‘s für die nachfolgenden Röhrenphonovorstufen zu wenig. SPUs und Übertragerbetrieb, das gehört bis zum heutigen Tage untrennbar zusammen. Natürlich hat Ortofon da diverse Modelle im Programm. Wir verbandeln unser Classic E N mit einem Übertrager vom Typ ST-7, der sich mit einem Preis von 600 Euro noch im freundlichen Bereich der Modellpalette bewegt. Bei einer Verstärkung von 24 Dezibel sind sämtliche denkbaren MM-Eingänge mit seiner Hilfe bestens für den Umgang mit dem SPU gerüstet. Optisch präsentiert sich Gerät als dezentes schwarzes Kästchen im dickwandigen Stahlblechkleid. Hinten gibt‘s zwei Cinch-Ein- und zwei -Ausgangsbuchsen sowie eine Erdungsklemme. Mehr braucht‘s nicht, das Ganze ist ja eine rein passive Angelegenheit. Im Inneren stecken zwei kompakte Trafos, die innen an der Frontplatte montiert sind. Jeder wird von einem Mantel aus abschirmendem Permalloy vor Ungemach von außen geschützt. Wenn man einen Übertrager benutzt, muss man sich um die Abschlussimpedanz für den Tonabnehmer keine Gedanken mehr machen. Ausgangsseitig „sieht“ die Angelegenheit die 47 Kiloohm des MM-Eingangs, Am Tonabnehmer wird die entsprechend transformierte Impedanz wirksam. Im Falle des ST-7 sind das in etwa 280 Ohm, was für einen so niederohmigen Generator wie den des SPUs (6 Ohm Innenwiderstand) relativ viel erscheint. Aber: Entscheidend ist, was hinten herauskommt. Um gar nicht erst Gefahr zu laufen, dem Tonabnehmer eine zu wenig stabile Arbeitsumgebung zu bieten, wanderten SPU und Adapterplatte unters Headshell des zwölfzölligen Einstein-Tonarms (Test im letzten Heft). Mit durchschlagendem Erfolg. Die Gerüchte sind nämlich wahr: SPUs sind im Bass eine echte Macht. Auch das hier. Das jüngste Yello-Album „Toy“ ist diesbezüglich sicherlich fordernd, und diese Kombi liefert: Das schiebt wie irre untenheraus. Kein poltender Proll-Bass, sondern wohlige Wärme ist es, die da aus Richtung der Membranen schallt. Darüber geht‘s überaus flüssig und geschmeidig weiter, im besten Sinne analog. Das Yello‘sche Elektrobesteck groovt und swingt, dass es eine wahre Freude ist. Herrn Meiers und Frau Malias Gesangsstimmen tönen so cremig, dass man förmlich darauf ausrutschen kann. Und? Geht‘s auch ohne den Übertrager? Ja, aber einfach ist das nicht. Direkt an Musical Fidelitys großartigem MC-Vynl bekomme ich minimal mehr Transparenz und etwas mehr Großzügigkeit in der Raumabbildung, es geht ein wenig Geschlossenheit verloren, es klingt nicht mehr ganz so sahnig – ich würde den ST-7 unbedingt drinlassen. Verdammt, wieso habe ich diese SPU-Thema eigentlich all die Jahre so sträflich vernachlässigt?

Fazit

Die Gerüchte sind wahr: So ein SPU klingt fantastisch rund, voll und geschmeidig. In Verbindung mit einem passenden Übertrager wie dem ST-7 gibt‘s Analogkunst allererster Güte!

Kategorie: Tonabnehmer

Produkt: Ortofon SPU Classic E N

Preis: um 790 Euro

4/2018

Kategorie: Tonabnehmer

Produkt: Ortofon ST-7 Übertrager

Preis: um 600 Euro

4/2018
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