Kategorie: Tonabnehmer

Einzeltest: Lyra Atlas


Perfekte Schieflage

Tonabnehmer Lyra Atlas im Test, Bild 1
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Das Atlas ist der neue Spitzentonabnehmer aus dem Hause Lyra. Und es verfügt über ein paar konstruktive Details, die ehern geglaubte Grundsätze auf den Kopf stellen

Mitspieler

Plattenspieler:

Transrotor Fat Bob / Reed 3p
Clearaudio Master Reference / Clearaudio Universal


Phonostufen:

Gruensch MFE II
Audionet PAM G2/EPC


Vorstufen:

MalValve preamp four line


Endverstärker:

Audio Research Reference 250
Plinius SA-103


Lautsprecher:

Klant + Ton "Nada"
Audio Physic Avantera


Zubehör

Netversorgug von PS Audio
NF-Kabel von van den Hul und Transparent
Phonokabel van den Hul
Lautsprecherkabel von Transparent
Plattenwaschmaschine von Clearaudio


Gegenspieler

Tonabnehmer:

Lyra Kleos
Clearaudio Goldfinger Statement

Einer lenkt, einer denkt und einer baut: Die Aufgabenverteilung beim Tonabnehmerspezialisten Lyra ist klar definiert. Was der aus Amerika stammende Entwickler Jonathan Carr seinen beiden Kollegen unlängst präsentiert hat, das wird den Jungs eine ganze Menge schlaflose Nächte beschert haben.

Tonabnehmer Lyra Atlas im Test, Bild 2Tonabnehmer Lyra Atlas im Test, Bild 3Tonabnehmer Lyra Atlas im Test, Bild 4Tonabnehmer Lyra Atlas im Test, Bild 5Tonabnehmer Lyra Atlas im Test, Bild 6Tonabnehmer Lyra Atlas im Test, Bild 7
Lyra-Tonabnehmer zeichneten sich schon immer dadurch aus, dass sie recht große Veränderungen zu ihren Vorgängermodellen aufwiesen, und das ist beim Atlas genauso. Jonatahan Carr hätte den einfachen Weg gehen können und einfach ein Kleos, was de facto Lyras aktuellen Technologieträger darstellt und ein wirklich exzellenter Abtaster ist, hochskalieren können. Der Mann findet immer genug Schrauben, an denen er noch drehen kann, und somit wäre ein „stromlinienförmiges“ Spitzenmodell kein Problem gewesen. Hat er sein gelassen. Vielmehr haben die Lehren aus der Kleos-Entwicklung zu ein paar radikalen Ideen geführt, die im Atlas erstmals umgesetzt wurden. Mit 9.900 Euro zählt das Atlas allerdings leider zu den teuersten 11,6 Gramm Technik, die das HiFi-Metier je gesehen hat. Der Tonabnehmer steckt in einem silbrig glänzenden Korpus aus Titan. Was erst einmal nichts Neues ist, immerhin besorgte das recht leichte und extrem korrosionsbeständige Metall schon die Namensgebung des bisherigen Lyra-Topmodells – womit sich die Gemeinsamkeiten auch schon fast erschöpfen. Lyra nennt das Atlas den ersten unsymmetrischen MC-Tonabnehmer überhaupt. Und das sieht man ihm zumindest auf den zweiten Blick an. Jede Begrenzungsfläche des Gehäuses unterscheidet sich von ihrem Pendant auf der gegenüberliegenden Seite. Hier eine Schräge, dort eine Kurve. Hier konvex geformt, dort konkav. Soweit gibt’s dafür noch eine einleuchtende Erklärung: Wie im Lautsprecherbau üblich, soll die gezielte Asymmetrie die Streuung im Systemkörper vagabundierender Resonanzen verbessern. Besonders augenfällig wird die „Schieflage“ von vorne: Die Schraube zur Fixierung des vorderen Magnetträgers ist aus der Mitte geraten. Der Grund dafür besteht darin, dass Jonathan Carr so eine gerade und kraftschlüssige Verbindung zwischen Nadelträgeraufhängung und Headshell-Boden schaffen konnte. Unerwünschte Bewegungsenergie kann so viel ungehinderter über den Tonarm abgeführt werden. Übrigens ist Lyra der einzige Tonabnehmerhersteller, der die Nadelträgeraufhängung direkt mit dem Systemkorpus verbindet. Das Magnetsystem kommt ohne Joch aus und arbeitet mit zwei Neodym-Ringmagneten; einer sitzt vor, einer hinter dem Spulenträger. Im Atlas kommt nach längerer diesbezüglicher Abstinenz wieder ein kreuzförmiger Spulenträger zum Einsatz; Carr vermied diese Bauform längere Zeit, weil er damit an der gewünschten Effizienz scheiterte, was auf einen hochohmigeren Generator mit dynamischen Einbußen hinausgelaufen wäre. Stattdessen setzte er auf einen quadratischen Spulenträger, der das Problem vermeidet, dafür jedoch verschiedene Übersprechmechanismen begünstigt. Mit dem neuen Generator hat er das Problem eindrucksvoll gelöst: Er hat den übersprecharmen Kreuzspulenträger und trotzdem zwölf Prozent mehr Ausgangsspannung als beim Titan – bei gleichzeitig um 22 Prozent reduziertem Innenwiderstand. Das Resultat ist ein mit 0,56 Millivolt bei 5 cm/s Schnelle praxisgerecht lauter Tonabnehmer. Andere Baugruppen des Atlas sind alte Bekannte: Der vorne aus dem Korpus ragende Nadelträger ist ein diamantbeschichtetes Borstäbchen, der Diamant trägt einen speziellen Line-Contact-Schliff mit einer Verrundung von 3 x 70 Mikrometern. Kommen wir noch zu ein paar ganz praktischen Dingen beim Atlas: Das Gehäuse hat eine hübsch gerade Kante über dem Nadelträger, was die Justage angenehm einfach macht. So gefährdet der herausstehende Nadelträger im täglichen Umgang auch sein mag, so sehr hilft auch er bei der Justage. Jonathan Carr schlägt übrigens eine interessante Antiskating-Justagemethode vor: Man schaue von oben auf den Nadelträger und senke den Arm in die Rille; wenn der Nadelträger dabei kaum nennenswert zu einer Seite ausschlägt, dann stimmt die Skating-Kompensation. Habe ich beherzigt, den Tipp. Lyra-Importeur Thomas Fast riet mir, dem Atlas zunächst ein oder zwei Plattenseiten Zeit zu geben, bis ich ihm „ernsthaft“ ein Ohr leihe. Sorry, Thomas – das kann man sich sparen. Das Ding ist der Hammer. Es brauchte einen oder zwei Klavieranschläge vom ersten Titel des fantastischen Esbjörn- Svensson-Trio-Albums „301“ (siehe Rezensionsteil) und ich war verloren: Eine solche Synthese aus Sanftmut, Farbigkeit, Detailreichtum und Gefühl habe ich bis dato, wenn ich so über die letzten Jahre sinniere, genau einmal gehört, und zwar bei einem My Sonic Lab „Hyper Eminent“. Was – leider – preislich in ähnlichen Regionen spielt wie das Atlas. Und was heißt das jetzt? Muss man jetzt wirklich zehntausend Euro für so etwas Lächerliches wie einen Tonabnehmer ausgeben, um wirklich Musik zu hören? Ich will das keinesfalls glauben … Diese Abbildung – unglaublich. Mit welcher Lässigkeit das elektronisch verfremdete Piano sich eine Bühne von epischer Breite baut, wie souverän, trocken und trotzdem fast zärtlich dieser Bass messerscharf umrissen ganz vorne steht – absolut großartig. Und was sich beim Test des Reed 3p schon abzeichnete: Eine effektive Masse von 22 Gramm ist, ein entsprechendes Laufwerk vorausgesetzt, überhaupt kein Problem. Die sich ergebende niedrige Systemresonanz ist jedenfalls hier überhaupt kein Thema, und das bei einem geschlossenen Lautsprecher mit einem lediglich 18 Zentimeter großen Tieftöner. Würden hier entsprechend tieffrequente Töne angeregt, würden die Bässe das zweifellos mit wilden Auslenkungen quittieren. Stimme. Und zwar eine schwierige. Loreena McKennit auf ihrem aktuellen Album „The Wind that Shakes the Barley“, natürlich spiele ich das Titelstück, einen alten Dead-Can-Dance-Klassiker an. Entschuldigung, wem allerdings hier nicht spontan das Wasser in die Augen schießt, der hat jegliches Gefühl für Musik verloren. Das Lyra zeichnet riesig, schafft die perfekte Kirchenatmosphäre, Frau McKennit singt absolut engelsgleich. Normalerweise besteht hier die Gefahr, dass das Gebotene ein wenig in Richtung Kitsch driftet – keine Chance an dieser Stelle. Diese Stimme, so zart und weich die auch tönt, so viel Timbre und Energie zaubert ihr das Atlas dazu. Diese Synthese ist schlicht atemberaubend – ich hätte nie gedacht, dass sich so etwas aus einer aktuellen Pop-Produktion herausdestillieren lässt. Nächster Titel – die Harfe. Jeder Saitenanriss zerplatzt mit einer Präzision und Leichtigkeit im Raum, dass es wirklich auffällt. Und das mir, wo ich sicherlich kaum der typische Harfenhörer bin. Ich habe Schwierigkeiten, mich aus diesen atmosphärisch enorm dichten musikalischen Gefilden loszureißen und dem Lyra mal etwas deftigere Kost darzureichen. Legen wir mal wieder den guten Anders Trentemöller auf, auf dessen Erfolgsalbum „The Last Resort“ sich „Take Me into Your Skin“ perfekt zum Ausloten tieftonaler Fähigkeiten eignet. Das Lyra zeichnet die synthetischen subsonischen Gewalten voluminös, warm und extrem angenehm. Das restliche Geschehen lässt sich davon erfreulich wenig beeindrucken, auch bei gemeinen Auslenkungen steht das komplexe Klanggebilde wie eine Eins. Großartig. Härtere Sachen habe ich zwar auch aufgelegt, das Atlas stellt seine Qualitäten jedoch am Überzeugendsten unter anderen Voraussetzungen unter Beweis. Sobald es irgendwo eine Atmospäre zu reproduzieren gibt, eine Stimmung zu vermitteln, einem Ereignis Ausdruck zu verleihen, dann brechen alle Dämme. Zum Beispiel bei der Classic-Records-Veröffentlichung von Neil Youngs Massey-Hall-Konzert. Ich kenne das Album gut und habe viele schöne Stunden damit verbracht, so ungeheuer dabei war ich allerdings noch nie. Bei mir lief das Atlas übrigens mit einer Auflagekraft von 17,5 Millinewton, dem oberen Limit des empfohlenen Bereichs, dort tönte es am stimmigsten. Allerdings gab sich das Atlas diesbezüglich eher gelassen, auch beim Antiskating darf man entspannt bleiben. Wenn’s schon halbwegs stimmt, dann macht einen dieser fantastische Tonabnehmer einfach komplett sprachlos.

Fazit

Das ist er. Der Tonabnehmer. Der, der so ergriffen musiziert, als ginge es um sein Leben. Der, der die in der Rille steckende Magie auch Menschen vermittelt, die mit Zauberei sonst nichts am Hut haben.

Kategorie: Tonabnehmer

Produkt: Lyra Atlas

Preis: um 9900 Euro

8/2012
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Ausstattung & technische Daten 
Technische Daten
Gewicht (in Kg) 0.0116 
Ausgangsspannung 0,56 mV bei 5,5 cm/s 
Nadelnachgiebigkeit (ca in um/mN) 12 
Empfohlene Auflagekraft 16,5 - 17,5 mN 
Vertrieb Fast Audio, Stuttgart 
Telefon 0711 4808888 
Internet www.fastaudio.com 
Garantie (in Jahre)
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Holger Barske
Autor Holger Barske
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Datum 06.08.2012, 11:13 Uhr
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