Wer ausgerechnet das kleinste Modell einer Lautsprecherbaureihe nach dem Teufel benennt, der denkt sich vermutlich etwas dabei. Das diabolische Grinsen der Focal-Macher in Saint Etienne indes kann man beim Hören dieser Box förmlich spüren
Peripherie:
Digitalquelle:
USB Stick via Naim Dac
Vorverstärker:
Silbatone C-100
Endverstärker:
SymAsym
Mit Erwartungen ist es so eine Sache. Je weiter oben diese angesiedelt sind, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass man bei der Konfrontation mit der Realität ziemlich enttäuscht wird. Genau mit diesem Problem haben auch Lautsprecher zu kämpfen: Große Standboxen erzeugen schon dann ein ungeheuer voluminöses und dynamisches Klangbild, wenn man sie nur ansieht.
Je größer, desto beeindruckender – ganz klar. Das Problem kennt der französische Lautsprecherhersteller Focal nur zu gut. Der Star der mittlerweile dritten Utopia-Generation (Kenner der Materie wissen natürlich, dass es auch vor der ersten Serie bereits eine ausgewachsene Standbox namens „Utopia“ gab, aber die wird hier nicht mitgezählt) ist zweifellos Technologieträger und Flaggschiff namens „Grande Utopia EM“. Die (pro Stück) über 200 Kilo schwere und (pro Paar) rund 150.000 Euro teure Ungeheuerlichkeit in Sachen Lautsprecher ist ein hünenhaftes Möbel mit Elektromagnetantrieb für den 16-Zoll-Tieftöner, der derlei Zuwendung allerdings auch mit einer brachialen Tieftonwiedergabe honoriert, die im HiFi-Bereich ihresgleichen sucht. Und damit hat Focal es zweifellos geschafft, einen Lautsprecher auf die Bühne zu wuchten, der den durch ihn geweckten Erwartungen gerecht werden kann. Kleine Boxen haben’s da naturgemäß leichter: Niemand erwartet von einem Regalböxchen mit zehn Liter Nettovolumen subsonische Urgewalten. Und wenn’s dann doch in der guten Stube ordentlich rumpelt, dann darf sich „die Kleine“ per se einer gewissen Hochachtung sicher sein. Beim mit 8.000 Euro pro Paar ausgezeichneten Einstieg in die Utopia-Welt wählte der Hersteller einen ziemlich cleveren Kompromiss: Er gab dem 16-Zentimeter-Tiefmitteltöner 20 Liter Luft zum Spielen. Das ist einerseits erheblich mehr als bei konventionellen Kleinboxen, belässt die Diablo Utopia aber immer noch im Genre der Regalboxen – wenn auch wohl niemand eine solche Schönheit ins Regal pferchen würde. Sie gehört auf stabile Ständer, wie eine Standbox in den Raum positioniert. Und eigentlich sollte man da auch gar nicht groß nach Zubehörprodukten suchen; die hauseigenen Unterbauten sehen gut aus, sind fest mit der Box verschraubt und sorgen für sehr stabile Verhältnisse. Da machen die 1.500 Euro Paarpreis den Kohl auch nicht mehr fett. Der Lautsprecher steckt in einem zweigeteilten, überaus stabilen Gehäuse mit fein geschwungenen Linien. Tiefmittelton- und Hochtonpart sind mit einem optisch clever eingerückten Abstandhalter zueinander angewinkelt; der Versatz der Schallanteile soll für ein perfekt zeitgleiches Eintreffen beim Hörer sorgen. Noch aus einem anderen Grund ist die Zweiteilung ein Vorteil: Die Frequenzweiche konnte im Hochtonabteil untergebracht werden, denn dort herrschen erheblich weniger Druckschwankungen als im Bassabteil. Die Diablo Utopia gibt’s serienmäßig in schwarzem, rotem und weißem Hochglanzlack, auf Wunsch ist jeder andere Farbton ohne Aufpreis machbar – das dauert nur etwas länger. Das Finish ist dabei von wirklich erlesener Güte, die Lackoberfläche auf den gerundeten Seitenteilen glänzt perfekt. Auch technisch darf sich das 20 Kilo schwere Kleinod in feinstem Material räkeln. Der Tiefmitteltöner setzt auf ein dreilagiges Membransandwich aus zwei Schichten Glasfaser und einer dazwischen angeordneten dämpfenden Lage; dieser Verbund ist extrem leicht und stabil und in der Lage, die antreibenden Kräfte souverän in Schall umzusetzen. Den Antrieb nennt Focal „Power Flower“, das Magnetsystem ist nämlich aus einer ganzen Reihe von Einzelmagneten zusammengesetzt, was in der Tat an eine Blüte erinnert. Die Anordnung gestattet eine effektive Kühlung (damit hohe Belastbarkeit) und minimale mechanische Verluste. Der stattliche Treiber sitzt in einer trichterförmigen Vertiefung in der dickwandigen und ebenfalls leicht geschwungenen Front – da resoniert nichts mehr. Hochtöner für Spitzenlautsprecher haben bei Focal schon länger Membranen aus Beryllium. Die Technologie dafür wurde für die zweite Utopia-Generation entwickelt, aktuell wurde das Antriebssystem nochmals gründlich überarbeitet. Die aktuelle Inkarnation besticht durch eine extrem niedrige Eigenresonanz, was auch beim Einsatz flacher Filter für geringe Verzerrungen im Übernahmebereich sorgt. Focals Markenzeichen seit den Achtzigern gibt‘s natürlich auch hier: Die Membran des Hochtöners ist, anders als bei fast allen anderen Kalotten, nach innen gewölbt. Die „Inverskalotte“ kann mit einer kleinen Schwingspule ausgestattet werden; das macht das Antriebssystem leicht und stabilisiert die Membran. Rückseitig gibt’s ein Paar außerordentlich massiver matt rhodinierter Terminals von WBT, die auch vor massiveren Leitern mit Anschlüssen jeglicher Couleur nicht kapitulieren. Die Diablo Utopia ist ein angenehm aufstellungsunkritischer Lautsprecher; sie generiert ein äußerst massives Fundament, so dass sie diesbezügliche Nachhilfe von einer Wand nicht nötig hat. Wir empfehlen eine leicht eingewinkelte Aufstellung; man hört beim Eindrehen ganz schnell, wann sich eine saubere Mittenabbildung einstellt. Erstaunlich, wie souverän die kompakte Französin auch mit größeren Abständen klarkommt und wie überzeugend sie Räume mit Musik füllen kann. Der Bassbereich spielt satt, konturiert und voll, und wenn ich’s nicht besser wüsste, würde ich hier mindestens einen Zehnzöller am Werk vermuten. Das gerade im Tieftonbereich überbordende Temperament des Lautsprechers wird lediglich von seinen begrenzten Maximalpegelfähigkeiten eingeschränkt, was aber erst bei Lautstärken weit jenseits der Vernunftgrenze passiert. Die Französin liebt kräftige Verstärker mit ordentlich Drive, Halbleiterlösungen sind hier einfacher zum Klingen zu bringen als solche mit Röhren. Leistung ist hier gar nicht der springende Punkt, aber ein gesundes Maß an Kontrolle erwies sich als empfehlenswert. Glaskolben- Charme braucht die Diablo Utopia auch nicht, den kann sie ganz alleine: Der renovierte Beryllium-Tweeter tönt außerordentlich seidig, verfügt aber gleichzeitig über das erforderliche Maß an Autorität – jawohl, auch bei einem Hochtöner gibt’s so etwas – und Klarheit. Die Kopplung beider Treiber gelang perfekt bruchlos – die zeitoptimierten „OPC“-Filter machen ihre Sache makellos. Damit wir uns richtig verstehen: Die Diablo Utopia ist akustisch ein ausgewachsener Fullrange-Lautsprecher, und wer sich angesichts der moderaten Abmessungen im Focal-Programm gleich nach einem passenden Subwoofer umsieht, der hat die kleine Schönheit noch nicht gehört: Sie braucht nämlich keinen. Sie spielt ergreifend schön, ist auch bei komplexem Material absolut Herr der Lage und ist eines ganz sicher nicht: ein überaus dezenter Undestatement-Wandler. Damit hat Focal sich auch beim kleinsten Modell wieder auf die Tugenden zurückbesonnen, die die Utopias einst berühmt gemacht haben: Temperament und Spielfreude. Der gerne in seiner solchen Situation gebrauchte Satz stimmt hier in besonderem Maße: Mehr Lautsprecher braucht kein Mensch.
Fazit
Kaum jemand ist dem Wunsch aller Lautsprecherentwickler, ein großes Klangbild aus einem Kompaktlautsprecher zu zaubern, jemals so nahe gekommen wie Focal mit der Diablo Utopia. Kompliment nach Saint Etienne.