Kategorie: Verstärker Röhrenverstärker

Einzeltest: VTL TL-2.5i


Verdachtsmomente

Röhrenverstärker VTL TL-2.5i im Test, Bild 1
20077

Das hatte ich schon ein paar Mal: Da kriegste so eine Kiste, die sieht aus wie Herr Biedermann persönlich und eigentlich ist da erstmal so gar nichts dran, was dich so richtig anmacht. Aber dann.

Okay, Freunde. Wir sind hier ja unter uns, da muss ich nicht um den heißen Brei herumreden: Dieser Vorverstärker des US-Herstellers VTL steht hier gerade vor mir auf dem Tisch und lächelt mich aus genau einem Grund leicht unentschlossen an: Und zwar deshalb, weil Audio Reference aus Hamburg gerade eben den Vertrieb für dieses Produkt übernommen hat. Und das haben sie deshalb getan, weil Ihnen ein anderer US-Hersteller von Röhrenverstärkern just abhanden gekommen ist, nämlich Audio Research. Was ich, da will ich gar keinen Hehl draus machen, außerordentlich bedaure – die Maschinen aus Minnesota waren über viele Jahre echte Highlights meines Testertuns.

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Inwieweit Importeur Mansour Mamaghani einen adäquaten Ersatz für seine Röhren-Zugpferde gefunden hat, soll zum Beispiel dieser Artikel klären.

VTL steht für „Vacuum Tube Logic“ und ist eines dieser alteingesessenen amerikanischen Unternehmen mit einer ziemlich bewegten Vergangenheit. Seine Historie reicht bis in die frühen Achtziger Jahre zurück und fußt auf der Initiative des südafrikanischen Studioprofis David Manley. Und richtig, die Dinge begannen mit der Fertigung von Studio-Equipment. Unter dem Label VTL entstanden jedoch bald auch Maschinen für die Wiedergabeseite der Dinge und nachdem die Angelegenheit drohte, ein undurchdringlicher Dschungel von Geräten zu werden, teilten Vater David und Sohn Luke die Firma in zwei separate Unternehmen: Der Junior übernahm VTL und kümmerte sich ausschließlich ums Wiedergeben. David rief Manley Labs ins Leben und produzierte Profimaschinen für den Studiobetrieb. Nur am Rande: Manley Labs wird heute von Eve Anna Manley geleitet, die nicht mit den Firmengründern verwandt ist und als einfache Angestellte bei David und Luke anfing. Vater David genießt dem Vernehmen nach seinen Ruhestand in Frankreich.

Allen Produkten dieser Konstellation gemeinsam ist der Umstand, dass sie praktisch ausschließlich Röhren zur Verstärkung einsetzen. Man hält den guten alten evakuierten Glaskolben für das überlegene Verstärkerelement und zieht seinen Einsatz mit ziemlicher Konsequenz durch. Unter Anderem hat VTL mit dem „Wotan Reference“ lange Zeit einen der leistungsfähigsten Röhrenverstäker überhaupt gebaut, der mit einer Ausgangsleistung von 1250 Watt pro Kanal spezifiziert war. Abseits solcher Superlative jedoch hat VTL sich Preiswürdigkeit auf die Fahne geschrieben, und unser heutiger Proband ist ein gutes Beispiel dafür: Der TL-2.5i ist ein Röhrenvorverstärker mit Röhrenphonovorstufe zum Preis von 9300 Euro – nicht wenig, aber das ist ein komplexes Gerät aus US-Fertigung.

Die Front des wahlweise in schwarzem oder silbernen Eloxal erhältlichem Gerät gibt bei der Bedienung kaum Rätsel auf. Der Drehknopf links schaltet zwischen sechs Eingängen um, unter denen sich solche Klassiker wie Phono, Tuner, Tape und Video befinden. Die mittlere Drehknopf ist der Balance-Steller, der rechte der für die Lautstärke. Ein kleiner Kippschalter aktiviert die Tape-Schleife, einer schaltet „auf Durchzug“, wenn das Gerät in ein Mehrkanal-Setup mit Prozessor integriert wird. Der letzte Kippschalter ist tatsächlich ein Taster mit zwei Betätigungsrichtungen. Das liegt daran, dass man Muting neben der Lautstärke auch mit der beiliegenden Fernbedienung anwählen kann – „richtige“ Schalter sind halt nicht fernbedienbar. Hinzu gesellen sich ein ordentlicher Wippschalter für die Netzspannung (richtig – keinerlei Standby-Funktion versaut hier die Langzeit-Energiebilanz) und eine Leuchtdiode, die einen stummgeschalteten Ausgang signalisiert.

Hinten gibt‘s elf Paar sehr gute und fest mit der Rückwand verschraubter Cinchbuchsen. Eines davon gehört zum optionalen Phonoeingang. Dessen Betriebsarten lassen sich nur nach dem Abnehmen des Deckels einstellen. Dabei fällt übrigens auf, dass auch ein nur drei Millimeter starker Aluminiumdeckel mit dem cleveren Einsatz aufgeklebter Metallstreifen extrem ruhig gestellt werden kann. Im Inneren des Gerätes wird kein Quadratzentimeter Platz verschwendet oder prinzipiell wünschenswertem Abstand zwischen Netzteil und Signalverarbeitung geopfert. Das Netzteil belegt ungefähr das rechte Viertel des Gerätes, der Line-Verstärkerzug und der Phonozweig jeweils drei Achtel des Platzes (ich weiß, Sie werden nachrechnen). Die Stromversorgung stützt sich auf einen ordentlichen Schnittbandkerntrafo, dem gleich zwei kaskadierte Netzfilter vorgeschaltet sind – hier erkennt man die Handschrift der Studioprofis.

Die Line-Verstärkerabteilung arbeitet mit zwei Doppeltrioden pro Kanal, nämlich einer ECC81 und einer ECC802S. Alle Röhren stammen aus europäischer Fertigung (JJ) und sind weitgehend als langlebige „S“-Typen ausgeführt. Die genaue Konfiguration kenne kenne ich nicht, wohl aber eine konstruktive Maxime: Bei VTL ist man Freund von viel Stromfluss auch in Kleinsignalverstärkern. Zwei Kippschalter auf der Platine ermöglichen das Ändern des Verstärkungsfaktors, je nach Empfindlichkeit des angeschlossenen Endverstärkers. Die Ausgänge werden über große Zehn-Mikrofarad-Kondensatoren von REL ausgekoppelt. Das ist reichlich, weshalb ich die in den technischen Daten angegebenen minimalen 45 Kiloohm Lastimpedanz ohne Pegelabfall bei tiefen Frequenzen auch für sehr konservativ halte – da geht eindeutig auch um den Faktor zehn weniger.

Die Phonovorstufe indes ist ein besonderes Gewächs: Bei ihr kann man nämlich nicht nur zwischen MM- und MC-Betrieb wählen, sondern es gibt gleich zwei Möglichkeiten, schwache Signälchen aufzupäppeln: Mit zwei Übertragerkapseln oder per Röhre plus FET-Verstärkerstufe. Die Übertrager versprechen eine Phono-Gesamtverstärkung von 60 Dezibel, die Halbleiterlösung ist zudem noch zwischen 52 und 58 Dezibel umschaltbar. Das Setup ist ein bisschen fummelig und will mit Steckbrücken im Gerät vorgenommen werden, die das ziemlich genaue Gegenteil von „gut zugänglich“ sind. Dabei bestimmt ein Block von fünf Steckmöglichkeiten die Eingangsimpedanz beim Betrieb mit der aktiven MC-Verstärkerstufe, zwei weitere das Verhalten bei Übertragerbetrieb. Diese Lösung ist in Sachen kurze Signalwege zwar optimal, in punkto Bedienbarkeit aber eher unterirdisch und nichts für schnelles Ausprobieren verschiedener Einstellungen. Der aktive MC-Eingang erlaubt Eingangsimpedanzen von 100, 250, 470, 1000, 4700 Ohm und 47 Kiloohm, der Übertragereingang 100, 470 und 1000 Ohm. Durch Parallelschalten der verschiedenen Impedanzen lassen sich prinzipiell noch andere Werte einstellen – nicht umsonst hat der Hersteller in seiner Bedienungsanleitung der Parametrierung der Phonovorstufe ganze zwölf Seiten gewidmet. Die hier im Spiel befindlichen Röhren sind übrigens eine ECC83S pro Kanal für die MM-Sektion und eine ECC802S, die sich beide Kanäle der aktiven MC-Stufe teilen.

Ansonsten fällt ein feines Händchen bei der Auswahl der passiven Bauteile auf, große Kondensatoren werden gerne mal mit ganz kleinen gebrückt, jede aktive Stufe verfügt über eine eigene Spannungsstabilisierung. Balance und Lautstärke übernehmen die fast unvermeidlichen Alps-Potis. Das ist alles sehr ordentlich gemacht und offensichtlich durchdacht. Der Messtechnikdurchgang gibt dem Konzept recht, das Gerät benimmt sich dabei nämlich absolut makellos.

Erste Klangeindrücke durfte die Line-Abteilung mit externer Phonovorverstärkung liefern. Und ließ dabei keinen Zweifel daran aufkommen, wes Geistes Kind sie ist. Als „Zulieferer“ fungierten zunächst das großartige DS Audio DS-E1, bei dem man sich über eine passende Phonovorstufe keinerlei Gedanken machen muss – die gehört zwingend dazu. Auf dem Teller drehet sich etwas Besonderes: Das 2017er Studiokonzert des Jazz-Trios „Shalosh“, live und ohne Nachbearbeitung direkt aufs analoge Zweispurband gespielt. Und als ob ich‘s geahnt hätte: Das ist professionelles Gerät, dieses VTL-Ding. Der weiß, wie‘s geht, der Herr Manley. Die TL-2.5i konnte sich sofort mit auffälliger Klarheit und Transparenz ins Szene zu setzen. Extrem ruhig und konzentriert, sehr weiträumig und zart bildete sie das Geschehen ab. Ganz viele Kleinigkeiten geben der Darbietung die Intimität, die sie braucht. Die gelegentlichen Schlagzeugattacken, die das DS Audio mit exemplarischer Qualität zu liefern imstande ist, stellt sie völlig unbeeindruckt in den Raum. Prima, das ist genau das richtige Album, um sich mit der internen Phonovorstufe auseinanderzusetzen.

Welche der beiden MC-Varianten das Mittel der Wahl ist, hängt ein bisschen vom eingesetzten Tonabnehmer ab: eher niederohmige MCs gefallen mir am Übertrager eindeutig besser, über die aktive Stufe droht manchmal ein bisschen „vornehme Blässe“. Das ändert sich allerdings, wenn man den richtigen Abtaster nimmt. Bei mir war‘s das vom Clearaudio TT-2 geführte Lyra Etna, das Röhre plus FET zu Höchstleistungen trieb und jeden Gedanken an studiotypische Nüchternheit sofort aus dem Zimmer trat. Generell gilt: Die Phonosektion ist eindeutig die charakterstärkere Baugruppe der VTL-Vorstufe, die Line-Abteilung befl eißigt sich ausgeprägter Neutralität und freut sich über eine farbstarke Ansteuerung. Die zum Beispiel liefert ein mit dem Übertragereingang verbundenes Denon DL-103R. Die Denon-typische Wucht ist da, seine Vollmundigkeit und sein üppiges Spektrum. Damit ist sie kaum wiederzuerkennen, die VTL. Ein überzeugendes Indiz für die Wandelbarkeit der Line-Sektion. Gut, sehr gut – und das ist erst der Einstieg ins Programm der Amerikaner. Ich bin schon sehr gespannt, was da noch auf uns zukommt.

Fazit

VTLs kleinste Vorstufe überzeugt mit einer großartig klar und transparent tönenden Hochpegelsektion und einer sehr wandelbaren Phonosektion, die für den Sound zuständig ist und so ziemlich jedem Tonabnehmer eine passende Heimat bietet.

Kategorie: Verstärker Röhrenverstärker

Produkt: VTL TL-2.5i

Preis: um 9300 Euro

11/2020
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Ausstattung & technische Daten 
Vertrieb Audio Reference, Hamburg 
Telefon 040 53320359 
Internet audio-reference.de 
Garantie 2 Jahre 
Unterm Strich... VTLs kleinste Vorstufe überzeugt mit einer großartig klar und transparent tönenden Hochpegelsektion und einer sehr wandelbaren Phonosektion, die für den Sound zuständig ist und so ziemlich jedem Tonabnehmer eine passende Heimat bietet. 
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Autor Holger Barske
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