Kategorie: Schallplatte

Musikrezension: Komponist: Jean Sibelius · Interpret: London Symphony Orechestra, Anthony Collins - The complete symphonies (Decca)


Komponist: Jean Sibelius · Interpret: London Symphony Orechestra, Anthony Collins - The complete symphonies

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Welchen  Grund  sollte  es  geben,  sich  in  der  heutigen  Zeit  für  relativ  viel  Geld  eine  Mono-Ausgabe eines recht bekannten Komponisten zuzulegen? Sammelwut? Investition in Vinyl?  Nein – es sollte immer noch die Musik und der künstlerische Wert einer Aufnahme an erster  Stelle stehen. Ich muss zugeben: Anthony Collins‘ Aufnahmen der Sibelius-Symphonien waren mir bisher  auch komplett unbekannt und ich habe zunächst auch nicht verstanden, warum eine Firma,  die über einen so riesigen Back-Katalog verfügt wie Decca, eine so aufwendige Reissue mit  einem so wenig bekannten Namen wie Collins produziert.  Das ändert sich schnell, wenn man sich dem Werk ein paar Minuten gewidmet hat: Das hat  eine enorme Tiefe – im eigentlichen wie im übertragenen Sinne.

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Zum einen ist es doch immer wieder erstaunlich, wie plastisch und greifbar in der Räumlichkeit eine Mono-Aufnahme  doch wirken kann, wenn sie so gut gemacht ist, wie die Decca-Aufnahmen aus den Jahren  1952 bis 1954, die von Sean Magee in den Abbey Road Studios neu gemastert wurden. Auf  der Decca-Webseite gibt es übrigens ein hübsches kleines Video, das Magee bei seiner Arbeit zeigt und in dem er auch noch einmal seiner Freude darüber Ausdruck verleiht, in welch  gutem Zustand die Bänder waren, mit denen er gearbeitet hat. Auch der erfahrene  Tontechniker äußert sein Staunen darüber, welch imposante Bühne die Monoaufnahmen aufbauen können.  Anthony Collins war eigentlich und in erster Linie ein Filmmusik-Komponist, der  auch jahrelang in Hollywood gearbeitet hat und erst nach dem Krieg wieder  vermehrt  in  seiner  Heimat  England  tätig  war.  Man  kann  die  Sibelius-Symphonien mit Fug und Recht als sein wichtigstes Dirigat bezeichnen – viele  Aufnahmen hat er ohnehin nicht hinterlassen.  Und vielleicht ist es seiner Tätigkeit in einer visuellen Branche zu verdanken, dass ihm Sibelius so grandios gelungen ist. Der finnische Heimatkomponist hat es ja wie kein zweiter verstanden, sein Finnland in  großen musikalischen Gemälden zu verewigen, den Klang der endlosen Wälder, Seen und Ebenen – die große Stille des Nordens, immer wieder durchbrochen von den feinen, aber umso entschlosseneren  Stimmen  des  Lebens,  das  bei  all  seiner  Härte  umso  intensiver ist. Das hat Collins verstanden wie kaum ein anderer  Dirigent, und so zieht sich der impressionistische Faden vor allem  durch die ersten vier Werke, während der Umbruch zu einer eigenen Tonsprache aus  der Spätromantik heraus ab der fünften Symphonie schön nachzuvollziehen ist – entstanden in der Zeit des ersten  Weltkriegs, der natürlich einen nachhaltigen Einfl uss auf den sensiblen Künstler hatte. Die beiden späten Werke aus den 20er-Jahren  zeigen einen Komponisten zwischen Romantik und Moderne, der die Grenzen der Tonalität zwar hinter sich gelassen hat, sich aber dem Formalismus einer  Zwölftonmusik beispielsweise verweigert und seine ganz eigene Tonsprache erschaffen hat.  Auszüge aus symphonischen Werken wie „Pelleas und Melisande“, „Tochter der Nordens“ und „Nächtlicher Ritt und Sonnenaufgang“ ergänzen den Inhalt der insgesamt sechs Schallplatten der  aufwendig gestalteten Box.  Ein ausführliches Booklet mit Informationen über den Komponisten, die Werke und den Dirigenten runden das Bild einer durch und durch gelungenen Wiederveröffentlichung ab. Die Klangqualität ist wirklich tief beeindruckend – auch der abgebrühteste Stereo-Verfechter sollte sich einen Ruck geben und mal probieren, zu was eine gute Mono-Aufnahme in der Lage ist.  Die Qualität der Pressung ist ebenfalls absolut einwandfrei. 

Fazit

Auch heute noch absolut faszinierende Mono-Gesamtaufnahme der Symphonien Sibelius‘ – klanglich top, liebevoll remastert und sehr gut ausgestattet.

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4/2016
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