Dass ein Analoghersteller ab und an einen neuen Tonarm präsentiert, das kann schon mal vorkommen ... Und das Rad neu erfunden wird in so einem Fall meistens auch nicht. Aber im Falle des VPI 3D halten wir doch einmal kurz inne, kann diese Komponente doch den Beginn einer neuen Epoche markieren
Mitspieler
Tonabnehmer:
Ortofon MC30 Supreme
Denon DL103, DL103R
Clearaudio Maestro Wood
Phase Tech P-300
Miyajima Takumi
Phonoverstärker:
Quad 24 P Phono
MalValve Preamp Three Phono
Silvercore Phono One
Verstärker:
Accuphase E-600
Unison Triode 25
Acoustic Masterpiece AM-201
Lautsprecher:
Spendor S3e
Xavian Giulietta
Avalon Idea
Zubehör:
Basen von Thixar, Audio Exklusiv, Bfly
Kabel von Silent Wire, Van den Hul
Gegenspieler
Plattenspieler:
Acoustic Solid Machine mit SME M2 12
Linn LP12 Akurate
Transrotor Fat Bob S mit SME IV
Der neue Tonarm hört auf den Namen 3D und stammt, wie man schon vermuten könnte, aus dem 3D-Drucker. Zum dieser recht neuen Fertigungsart möchte ich hier nicht allzu viele Worte verlieren, nur dass sie schon jetzt und vermutlich erst recht in den nächsten Jahren, wenn sie für jedermann erschwinglich sein wird, die Herstellung quasi jedes erdenklichen Objekts erlaubt.
Schon heute werden in vielen Produktionsstätten der Welt 3D-Drucker zur Herstellung von Prototypen und Kleinserien verwendet – und die Geräte werden immer kleiner und besser zu handhaben. Selbst dem Heimwerker oder -designer steht bei Preisen, die inzwischen die 1.000-Euro-Marke unterfliegen, die neue Technik zur Verfügung. Einzige Einschränkung der günstigen Geräte ist die durch die Bauweise begrenzte Materialwahl – ein Problem, mit dem sich Harry Weisfeld, Chef von VPI, nicht herumschlagen musste. Ihm steht eine sehr ausgefeilte, sehr teure Maschine zur Verfügung, die nach dem Prinzip des selektiven Laserschmelzens funktioniert. Dabei wird Schicht für Schicht aus einen pulverförmigen Rohstoff per Laserschmelze das Objekt aufgebaut. Das Ausgangsmaterial kann dabei ganz unterschiedlich sein – sogar die Verarbeitung von Metalllegierungen ist möglich. Für den VPI-3D-Tonarm hat man sich für einen leichten Kunststoff entschieden, der die effektive Masse trotz der recht wuchtigen Formgebung und der effektiven Länge von 317 Millimetern auf niedrige 10,7 Gramm bringt. Das verwendete Epoxidharz besitzt eine hohe innere Festigkeit bei gleichzeitig guten Dämpfungseigenschaften. Damit wird laut Weisfeld eine Materialresonanz bei einer sehr niedrigen Frequenz von unter 3 Hertz und einer Überhöhung von nur einem Dezibel(!) erreicht – ideale Voraussetzungen also für einen Tonarm. Zwischen der Konzeption und der Realisierung lagen trotz weitgehender Automation der Fertigung immerhin neun Monate – so etwas beinhaltet eben immer viele Versuche zur Überprüfung der Denkansätze und eben auch den einen oder anderen Neuanfang. So verläuft der Querschnitt des Armrohrs zunächst dreieckig, um dann in die gewohnt runde Form an der Armbasis überzugehen. Während ein einheitlicher Querschnitt Resonanzen problemlos weitergibt, durchbricht diese Form zumindest einen Teil der Fortpflanzung der parasitären Schwingungen. Harry Weisfeld ist die Feststellung besonders wichtig, dass die Fertigung des Armrohrs aus einem Stück einen Effekt völlig ausschließt: Während es bei einem herkömmlich zusammengebauten Arm an jeder Stelle, wo zwei Bauteile zusammengefügt werden, wegen des Materialübergangs zu einer Reflexion von Schwingung kommt, werden im 3D-Tonarm aufgrund der homogenen Materialstruktur die wenigen vorhandenen Resonanzen reflexionsfrei abgeleitet. Das Armrohr mit Lateralgewichten und einem passenden Dorn kann auf jeder VPI-Tonarmbasis ab dem 10.5i betrieben werden: Einfach den stehenden Dorn des Einpunkters an der Basis austauschen, 3DArm aufsetzen und anschließen, fertig. Der Entwicklungsaufwand schlägt sich auch im Preis nieder: 6.000 Euro kostet der Zwölfzöller komplett mit Basis, immerhin noch 5.000 Euro der Zehner. Nur das Rohr mit passender Lagernadel schlägt immer noch mit 3.900 beziehungsweise 3.300 Euro zu Buche. Unser 3D entspricht von den Dimensionen her dem großen JMW 12.7, dessen Basis er auch benutzt. Diese ist nicht etwa montiert auf dem Laufwerks-Flaggschiff, sondern „nur“ auf dem guten alten Aries 3 mit der Sandwichkonstruktion als Basisplatte: Der Aufbau in drei gleich dicken Schichten aus schwarzem polierten Acryl und einer Zwischenebene aus Aluminium macht optisch einiges her – das VPI-Spitzenmodell HR-X ist übrigens gleichartig aufgebaut. Die VPI-Kegelfüße aus Aluminium gibt es wahlweise – und die sind auch sehr zu empfehlen, wenn man eine in sich beruhigte Stellfläche hat. Die breiteren TNT-Füße mit den drei über Metallkugeln definierten Auflagepunkte sind, was die Aufstellung betrifft, weitaus unkritischer. Der Synchronmotor hat ein neues Druckgussgehäuse, das deutlich mehr Masse mitbringt als das alte Modell – hier sollte spätestens jetzt das Thema Motorvibrationen ad acta gelegt worden sein – hat man den Klotz einmal anheben müssen, will man das gerne glauben. Der Antrieb wird in eine entsprechende Aussparung der Basis gestellt. Das zur Geschwindigkeitsfeineinstellung leicht konisch verlaufende Pulley mit umlaufenden Rillen verschiedener Durchmesser treibt über einen Gummiriemen den Plattenteller mit entsprechenden Rillen am Umfang an. Der Teller dreht sich auf einem invertierten Lager mit Edelstahldorn und -kugel, mit einem Lagerspiegel aus einem Delrin-Teflon-Kompositmaterial und einer Buchse aus Bronze. Zur Fixierung der Schallplatte gibt es die altbewährte schraubbare VPI-Plattenklemme mit Unterlegscheibe, die auch verwellte Platten sicher auf die Unterlage presst. Mit dem 3D-Tonarm spielt der Aries ebenso knochentrocken und direkt, wie ich es bisher in unterschiedlichen Stufen von allen VPI-Plattenspielern kenne. Es ist allerdings eine neue Qualität dazugekommen, die ganz schwer so in Worte zu fassen ist, dass man allen Beteiligten gerecht wird. Ich will es einmal so sagen: Mit dem 3D-Tonarm setzt eine Art Verbindlichkeit ein, die aber gleichzeitig keine Kompromisse macht. Mit den JMW-Tonarmen verbinde ich Spielfreude, Direktheit, anspringende Dynamik – alles, sagen wir einmal, offensive Eigenschaften, die mir viel Spaß machen. Der 3D kann das auch, legt aber genauso großes Augenmerk auf die defensiveren Eigenschaften. So behält er jederzeit einen unbestechlichen Überblick, lässt sich sich, egal mit welchem Tonabnehmer, dynamisch nicht aus der Ruhe bringen und zieht das große Ganze nicht dem Detail vor und anders herum. Dabei ist es ihm offensichtlich so ziemlich egal, was man ihm an Tonabnehmern unterschraubt. Beispiel: Das Ortofon MC 30 Supreme wurde bei mir zu Hause irgendwann einmal abgelöst, weil es mir bei aller Schönheit und Opulenz des tonalen Spektrums einen Hauch schlechter räumlich zu differenzieren schien als andere Tonabnehmer. Am 3D-Arm: Süffige Klangfarben, ein riesiges Spektrum von ganz unten nach ganz oben UND präzise Abbildung. Ich sollte den Fehler also ernsthaft mal woanders suchen. Anderes Beispiel: Das gute alte Denon DL-103 zeigt ganz ohne grobe Umbauarbeiten am 3D sein ganzes Potenzial – wie weggewischt sind seine ganzen Ungenauigkeiten. Mit dieser auch preislich sehr unglaublichen Kombination kann man tatsächlich ziemlich gut leben, wenn man auf das letzte Quäntchen Feinauflösung in den ganz hohen Frequenzen verzichtet – aber das kann man kaum dem Tonarm ankreiden, zaubern kann er nämlich auch nicht. Aber fast: Die hohe Kontrolle, die er bei Tonabnehmern an den Tag legt, die durch konstruktive Sparmaßnahmen gerade am Gehäuse benachteiligt sind, geht eben nicht zulasten von Tonabnehmern, bei denen hier schon vorbildlich gearbeitet wurde. Mit diversen Clearaudio-MM-Tonabnehmern ließ sich so vorzüglich arbeiten, wenn auch deren grundsätzlich sehr kontrollierte Wiedergabe keinen so großen Sprung mehr machen konnte. Immerhin merkte man auch hier die große Sauberkeit, die einhergeht mit der großen Länge des Tonarms. Der 3D macht sogar so abseitige Experimente klaglos mit wie die Montage eines uralten Shure M3D mit einem bocksteifen Nadelträger und einer empfohlenen Auflagekraft von um die fünf Gramm. Das System ist einer meiner „Rocker“, meistens betrieben an einem alten Holzprügel von Tonarm an einem Reibrad-Plattenspieler. Am VPI 3D: Immer noch Rocker – aber einer, der mit zurückgekämmten Haaren auf einmal auch im Frack eine gute Figur macht und wie das DL-103 zumindest das Basislager der audiophilen Gipfel erreicht. Die besteigt man mit der Montage eines Spitzentonabnehmers mühelos. Groß, gewaltig und souverän spielt das Setup beispielsweise mit dem Phasemation P-300, das nun auch den Rest der Nervosität aus seiner feinen Verspieltheit aufgibt und sehr ruhig, in sich gefestigt spielt und keine Musikrichtung bevorzugt. Das vorzügliche Charisma MC-1 steigt noch eine Stufe weiter nach oben auf der Qualitätsleiter – hier werden einfach alle Eigenschaften des ohnehin schon sehr ausgewogenen Systems noch besser in Szene gesetzt. Nachdem der Tonarm die Nagelprobe in Form der berüchtigten 1812-Ouvertüre mit Erich Kunzel am Pult und echten Kanonen vor dem Mikrofon mit Systemen der unterschiedlichsten Compliance gemeistert hat, kann ich nicht umhin, meinen Hut vor der technischen Innovation zu ziehen, die sich ganz in den Dienst der Wiedergabequalität gestellt hat.
Fazit
Wie immer in der Technik ist der erste Schritt der teuerste: Rund 6.000 Euro kostet der 3D-Arm von VPI. Es handelt sich aber hierbei nicht um einen Versuch, sondern um eine ausgereifte Entwicklung, bei der jedes Detail sitzt – große Klasse in Sachen Klang und ein toller Ausblick auf die Dinge, die da noch kommen werden.