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Einer geht noch
Kaum ein Name hat auf Fans klassischer Plattenspieler einen so elektrisierenden Klang wie der des japanischen Herstellers Micro Seiki. Die Firma ist schon lange Geschichte – oder vielleicht doch nicht so ganz?
Mitspieler
Tonabnehmer:
Lyra Atlas
MFSL C3.5
Benz LP-S
Tonarme:
Graham Phantom
SME 5012
Phonovorstufen:
Gruensch MCS II
Audionet PAM G2/EPC
Vorstufen:
MalValve preamp four line
Endverstärker:
Accustic Arts Amp2 MK2
Lautsprecher:
Audio Physic Avantera
Klang + Ton „Nada“
Zubehör:
Netzsynthesizer PS Audio P10
NF-Kabel von van den Hul und Transparent
Phonokabel van den Hul
Lautsprecherkabel von Transparent
Plattenwaschmaschine von Clearaudio
Gegenspieler
Plattenspieler:
Transrotor Fat Bob
Sperling M-2
Gemeinhin gelten die frühen 80er- Jahre als der Zenit des Plattenspielerbaus. Was kaum verwundert, schloss sich doch unmittelbar der Siegeszug der CD an und machte damit alle Anstrengungen, die Schallplattenwiedergabe noch weiter nach vorne zu bringen, relativ gründlich zunichte.
Erst heute, mit dem Beginn des Abgesangs auf die drehenden silbernen Scheiben, schwingen sich Plattenspieler zu neuen Höhen auf – immerhin gibt’s heutzutage Materialien und Fertigungsverfahren, von denen Konstrukteure vor gut 30 Jahren noch nicht zu träumen gewagt haben. Die eindrucksvollsten Hightech-Plattenspieler seinerzeit kamen aus Japan von Micro Seiki. Und bis heute haben die Maschinen aus jener Epoche einen Ruf wie Donnerhall, was die teilweise abenteuerlichen Preise für gebrauchte Topmodelle dieses Herstellers eindrucksvoll belegen. Bis heute gilt ein großer Micro Seiki als „Aussteigerlaufwerk“ – mehr braucht man nicht, weil mehr einfach unmöglich ist. Und jetzt kommt das, was in der heutigen Zeit in unserem Metier beinahe unausweichlich ist: Einer der führenden Köpfe aus der guten alten Zeit will’s noch einmal wissen. Oder, was wahrscheinlicher ist, jemand hat den alten Mann reaktiviert und ihn überzeugt, sein Können noch einmal in den Dienst eines Projektes zu stellen. „Jemand“ dürfte in diesem Falle einer der führenden japanischen Importeure für HiFi der luxuriösen Art sein, der fragliche Herr heißt Hideaki Nishikawa und war dem Vernehmen nach seinerzeit ein kreativer Kopf bei Micro Seiki. So gehen angeblich die schweren Bronze- und Messingteller der größeren Modelle auf sein Konto, oder auch die Vakuumansaugung für die Schallplatte. Und Sensei Nishikawa ließ sich offenbar nicht lumpen, das Ergebnis seiner Bemühungen tourt derzeit durch Europa. Es rangiert unter dem Label „TechDAS“, trägt die martialische Typenbezeichnung „Air Force One“ und macht seinen ersten Stopp nach der Europapremiere auf der diesjährigen High End bei uns in der Redaktion – was mich durchaus ein wenig mit Stolz erfüllt. Im Air Force One steckt alles, was man an Zutaten für ein ultimatives Laufwerk ansehen kann – und das ist nicht ohne Folgen für den Preis: Beim momentanen Stand der Dinge kostet der Spieler mit einer Tonarmbasis bei uns – schluck – 64.000 Euro. Dafür gibt’s eine piekfein teils glasperlgestrahlte, teils schwarz eloxierte Skulptur aus Aluminium und Edelstahl, die bei aller Komplexität noch einigermaßen dezent wirkt. Zumindest dann, wenn man nur das Laufwerk betrachtet und Steuereinheit und Luftreservoir mal außen vor lässt. Ersteres hat nämlich ausgewachsenes Verstärkerformat, Letzteres ist kaum kleiner. Beide dürfen versteckt werden und außerhalb des direkten Zugriffsbereich stehen. Sie sind über das Wörtchen „Luft“ gestolpert? Jawohl, das ist ein zentraler Aspekt bei diesem Laufwerk. Ganz wie bei den großen alten Micros verfügt der TechDAS über ein Luftlager, außerdem ist er in der Lage, die Platte per Vakuumansaugung unverrückbar an den Teller zu pressen. Der Plattenspieler selbst ist zweiteilig ausgelegt, der Motor steht separat links in einer Aussparung der komplex geformten Laufwerkseinheit. Es lassen sich zwei Tonarme montieren, der „Haupteinbauplatz“ ist wie üblich rechts hinten. Ich hab so meine Zweifel, dass sich dort auch Zwölfzöller unterbringen lassen, Zehnfünfer sollten kein Problem sein. Längere Arme gehen definitiv mit der zweiten hinten anflanschbaren Basis. Wir haben zwar vom Vertrieb einen langen SME mitgeliefert bekommen, trotzdem bitte ich um Nachsicht – ich hab’s noch nicht mal geschafft, den auch nur probehalber zu montieren. Der zweite Arm im Paket war nämlich ein Graham Phantom, und auf den habe ich mich konzentriert. Nebenbei habe ich mich sehr gefreut, mit diesem guten alten Bekannten mal wieder ein bisschen Zeit verbringen zu dürfen – das ist nach wie vor einer der besten Tonarme am Markt. Beim TechDAS sitzt er auf einer Massivholzplatte, die ihrerseits in eine Aluminiumschale eingebaut ist. Die letztlich wird mit dem Laufwerk verbolzt. Selbstverständlich sind Basen für alle möglichen Arme machbar, auch gibt’s bei den Holzplatten Variationsmöglichkeiten. Der Air Force One wird über vier leichtgängige Tipptaster bedient, ein kleines Display gibt sich in Sachen aktuelle Tellerdrehzahl und Betriebszustand sehr auskunftsfreudig. Vor dem hemmungslosen Herumspielen mit den Möglichkeiten fordern die Japaner allerdings ein wenig Schweiß für die Einrichtung des Laufwerks ein: Zuerst die bleischwere Basis auf eine geeignete Unterlage wuchten, dann die beiden Teller montieren, dann folgt das Setup der Luftfüße. Genau: Konsequenterweise ruht das Laufwerk auf drei sogenannten „Schlauchrollbalgen“; das sind mit Luftkammern versehene elastische, runde Federelemente, die manuell auf eine bestimmte Höhe zu pumpen sind. Das geht ausnahmsweise manuell, dafür liegt eine handelsübliche Fahrradpumpe bei. Die Ventile sitzen hinter dem magnetisch gehaltenen Typenschild an der Gerätefront. Zusammen mit der immensen Masse des Gerätes (genaue Werte hab ich nicht, schätze es jedoch auf sicherlich 80 Kilogramm) ergibt sich ein Feder-Masse-System mit einer sehr niedrigen Eigenresonanz und exzellenten Dämpfungseigenschaften gegenüber äußeren Einflüssen. Eine zusätzliche Höhenverstellung über jedem Fuß gibt’s dazu, eine Dosenlibelle erleichtert das Ausrichten. Gehen wir mal zwei Schritte zurück, vor die Montage der Plattenteller. Dann sieht man nämlich die Glasplatte, die den Boden des Luftlagers bildet. Drüber schwebt im Betrieb im Abstand von nur wenigen Mikrometern der Boden des unteren Tellers. Den gibt’s wahlweise in Aluminium oder Edelstahl – und bevor Sie fragen, mir gefallen in beiden Fällen die Edelstahlteller klanglich besser. Die Luft wird von unten eingeblasen, kann nur seitlich entweichen und bildet dabei ein Luftpolster. Einem Hovercraft recht ähnlich, nur mit erheblich geringerem Luftverbrauch. Eigentlich ganz simpel – die konstruktiven Tücken stecken wie immer im Detail. Außerdem lugt durch die Platte ein optischer Sensor, der eine Markierung an der Tellerunterseite abtastet und daraus die Drehzahlinformation generiert. Der wuchtige Basisteller ist innen großzügig ausgedreht und dient als Luftreservoir unter dem zweiten Teller, der in eine sorgsam abgedichtete und präzise ausgedrehte Aussparung des ersten eingesetzt wird. Mittig wird ein ebenfalls gedichteter Achsstummel eingeschraubt. Teller Nr. 2 trägt die Dichtlippen für die Plattenansaugung. Davon gibt’s eine innen und eine außen, jeweils aus weichem Silikon gefertigt. Die Luft wird durch zwei Bohrungen im Teller abgesaugt. Deren exakte Führung ist mir, ehrlich gesagt, nicht ganz klar, im weitesten Sinne geht’s durch die Tellerachse. Auch weiß ich nicht genau, warum die Separation in zwei Teller sein musste – es gibt einfach noch zu wenig aus dem Japanischen übersetzte Informationen über das Laufwerk. Der Antrieb, ebenfalls ein veritabel schwerer Klotz mit einem vorbildlich leise laufenden Motor will vor dem Einsatz justiert werden. Oder, besser gesagt, auf die Spannung des faserverstärkten und sehr wenig elastischen Flachriemens eingestellt werden. Das ist ein recht faszinierendes Prozedere, das durch das Drücken zweier Tasten auf dem Laufwerk eingeleitet wird. Im Display steht „Belt Adjust“ und nach einiger Zeit steht die Drehzahl im Display unverrückbar auf 45. Der Wert wird durch Drücken der Stopp-Taste abgespeichert, fertig ist der Lack. Während des Vorgangs misst die Motorregelung die tatsächliche Tellerdrehzahl und stellt die Regelkonstanten auf die Riemenspannung ein. Der Hersteller rät übrigens, den Riemen gerade so lose zu lassen, dass die Regelung nicht aus dem Tritt kommt. Der Start des Laufwerkes ist bereits eine kleine Zeremonie, die schon gerne mal eine halbe Minute dauert: Erst danach zeigt das Display die gewünschte Sollgeschwindigkeit und signalisiert „Lock“ – die Regelung steht. Bis dahin pendelt die Drehzahl diverse Male um den Endwert. Das deutet auf sehr lange Zeitkonstanten hin, und das ist auch logisch: Der Regler bekommt nur einen einzigen Messwert für die Drehzahl pro Tellerumdrehung und schießt sich entsprechend langsam auf den Sollwert ein. Das ist durchaus beabsichtigt, denn schnelle Regelprozesse beim Antrieb gelten als dem Klang eher abträglich – darin ist der schlechte Ruf einiger Direkttriebler aus den frühen Achtzigern begründet. Hört sich alles furchtbar kompliziert und aufwendig an – ist es auch. Das allerdings braucht den Anwender nicht zu stören, denn die Praxis mit diesem Laufwerk sieht ganz anders aus. Tatsächlich nämlich ist der TechDAS in Sachen Handling ein absoluter Traum, was ich im Vorfeld absolut nicht für möglich gehalten hätte. Zum Aufwecken aus dem Standby-Betrieb genügt es, den Stopp-Taster anzutippen. Praktisch sofort ist das Gerät betriebsbereit, das Luftlager arbeitet. Davon hört man beim besten Willen absolut gar nichts. Damit ist der Air Force One noch leiser als der in dieser Hinsicht schon erstaunliche Bergmann Sindre. Das Hochfahren des Antriebs dauert wie gesagt ein bisschen – geschenkt. Jetzt legt man eine Platte auf und drückt den „Suction“-Taster. Binnen weniger Sekunden wird die Platte plan und unverrückbar an den Teller gezogen – abermals absolut geräuschlos. Das funktioniert alles hundertprozentig perfekt und man muss einfach nicht drüber nachdenken – mein Kompliment an den Konstrukteur. Was bleibt? Das Lyra Atlas unter den Graham schrauben und Musik hören. Hört sich einfach an, hatte jedoch Schockzustände zur Folge: Für den ersten sorgten ein paar Klavieranschläge zu Beginn des fantastischen Albums „301“ des Esbjörn Svensson Trios. Man hört – gar nichts außer eben dem Klavier. Der TechDas liefert ein so dermaßen störgeräuscharmes Klangbild, das erinnert an auf Effekt gezüchtete Hochbit-Digitalquellen. Keine Nebengeräusche. Unglaublich. Die Ausschwinger stehen ewig im Raum, alles fließt, alles ist pure Harmonie. Das ruft Nina Simone auf den Plan. Wir hören „Black Is the Color of My True Love’s Hair“, live von 1970. Nicht ganz so störungsfrei wie zuvor, jedoch immer noch atemberaubend inbrünstig. Zu dumpf? Egal. Das Wesentliche ist: Dieser Plattenspieler schält die Essenz des Gebotenen auf unnachahmliche Weise aus dem Sumpf der Probleme, poliert sie und stellt sie auf einen hohen Sockel. Er fokussiert perfekt, schafft eine unglaubliche Raumillusion und lässt eine Investition auch in der geforderten Größenordnung fast bedeutungslos erscheinen, wenn nur das Ergebnis als Maßstab zählt. Meine Güte, was red ich da eigentlich? Kann mich mal bitte jemand zurück auf diesen Planeten holen?Fazit
Ja. Genau so. Das ist der Stoff, aus dem Legenden geschnitzt sind. Damals bei Micro Seiki und heute bei der wohl letzten und konsequentesten Inkarnation des Gedankengutes dieser ManufakturKategorie: Plattenspieler
Produkt: TechDas Air Force One
Preis: um 64000 Euro
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Telefon | 02942 92997590 |
Internet | www.bmc-audio.de |
Garantie (in Jahre) | 2 |
B x H x T (in mm) | 600/170/400 |
Gewicht (in Kg) | 80 |