Willkommen in der Realität: Das hier ist einer der ganz wenigen Plattenspieler in diesem Heft, die finanziell auch für „normale“ Leute erschwinglich sind
Mitspieler
Phonovorverstärker:
Â
Pass XP-15Â
MalValve preamp three phono
Vorverstärker:
Â
MalValve preamp three line
Endstufen:
Â
SymAsym
Lautsprecher:
Â
Lumen White ArtisanÂ
K + T CT230Gegenspieler
Plattenspieler:
Â
Rega P2 / Ortofon VM redÂ
Acoustic Solid Machine /SME M2-12 / Goldring 2500Es ist ein Kreuz mit der Gerätetesterei: Natürlich sind es immer die exklusiven, exotischen, besonderen, individuellen und entsprechend teuren Maschinen, die das meiste Interesse beim Herrn Redakteur generieren. Und wenn dann das Thema „Plattenspieler für 300 Euro“ zur Verteilung ansteht, schreit niemand lauthals „hier“. Außer in diesem Falle. Der Pro-Ject RPM 1.3 ist, wenn man Aufschreiben und Aussprechen der unsäglichen Typenbezeichnung überlebt hat, eine Offenbarung, vor der sich auch der abgebrühteste Highender nicht verschließen kann.
Und dabei ist es weitgehend nebensächlich, ob er denn aus der Rille noch ein Quäntchen mehr Information in der Lage herauszukitzeln ist als sein Vorgänger, der RPM 1 Genie - was wir, mangels Hörerfahrung mit ebenjenem Gerät auch gar nicht in der Lage wären herauszufinden. Der „Einsdreier“ wirkt, weil er nach Liste 315 Euro kostet und genau so aussieht, wie er es nun mal tut. Es gibt ihn in Rot, Schwarz und Weiß, der Hersteller nennt die Oberfläche „glänzend“ - den gebräuchlichen Terminus „Hochglanz“ verkniff man sich hier wohlweislich. Und trotzdem: Der Pro-Ject hat was Applemäßiges: kompakt, klare Linien, stimmig. Ich kann mich an keinen Dreher in unseren Redaktionsräumen erinnern, vor dem spontan so viele Leute stehenblieben, mit dem Finger darauf zeigten und sagten: „Och ... Wer ist er denn? Der ist ja mal hübsch.“ Nach Ansage des Preises gab es fast immer spontanes Kaufinteresse, und, liebe Leute vom Deutschlandvertrieb ATR, ich glaube kaum, dass Ihr unser Testgerät irgendwann wiedersehen werdet - auch die Kollegen, die normalerweise wenig bis nichts mit Vinyl zu tun haben, schachern noch um den kleinen Roten. Gut. Vergessen wir mal einen Moment die spontane Begeisterung der „Unwissenden“ und betrachten das Maschinchen mal unter professionellen Aspekten: Wir haben es hier mit einem klassisch per Riemen angetriebenen Plattenspieler zu tun, dessen angesichts des Verkaufspreises erstaunliche Anfassqualität hauptsächlich auf zwei Aspekte zurückzuführen ist: erkleckliche Fertigungsstückzahlen und clevere Materialwahl. Ersteres liegt daran, dass in Wien beheimatete und östlich von Prag fertigende Unternehmen „Pro-Ject“ in der heutigen Zeit mit Fug und Recht als größter Plattenspielerhersteller der Welt bezeichnet werden darf und damit erheblich mehr Geräte an den Mann bringt als die meist kleinen Manufakturen mit ihrem hochpreisigen Portfolio. Und beim Material? MDF. Bei der Zarge und beim Teller. Da muss man nicht die Nase rümpfen, bis zu einem gewissen Grade ist die Faserplatte aus gepresstem Holzmehl ein akustisch und mechanisch tadelloser Werkstoff - besonders dann, wenn er, wie hier, mit einer attraktiven Oberflächengestaltung versehen ist. Doch das ist noch nicht alles, was den RPM 1.3 Genie zumindest in optischer Hinsicht zum Gewinner reifen lässt - da hat nämlich die Form ein gewichtiges Wörtchen mitzureden. Wir haben’s hier einmal nicht mit dem üblichen rechteckigen Brett zu tun, auf dem dann alle Komponenten in üblicher Manier angeordnet werden. Die Zarge des Pro-Ject ist minimalistisch kompakt und erinnert ein wenig an einen Bumerang. Im „Knick“ steckt das Tellerlager, auf dem einen Ausleger sitzt der Arm, im anderen steht der Motor - viel weniger Zarge geht nicht. Der Motor - der eingesetzte 16-Volt-Synchronmotor ist seit einiger Zeit bei Pro-Ject Standard - ist dabei nicht fest mit der Zarge verbunden, sondern steht auf Silikonfüßen mit ein paar Millimetern Abstand in einer Aussparung in der Zarge, was für eine weitgehende Entkopplung beider sorgt. Das gab’s beim Vorgängermodell auch schon, dem Vernehmen nach allerdings neigte der Motor wegen der Riemenspannung da noch zum Kippeln - das ist jetzt Geschichte. Außerdem kommt man viel besser an den Schalter heran als früher. Der Motor selbst läuft angenehm leise und hat ein gestuftes Pulley; wer Singles hören will, muss den weißen Silikonriemen per Hand auf die größere Scheibe bugsieren oder in die hauseigene elektronische Motorsteuerung „Speedbox“ investieren; bei der geht die Geschwindigkeitswahl dann komfortabel per Schalter. Der Teller, den dieser Antrieb auf Trab bringt, wiegt etwas mehr als ein Kilogramm und macht nicht den Eindruck, dass das Material seiner Funktion besonders abträglich wäre. Den „Klopftest“ besteht er mit ziemlicher Gelassenheit, und das, was an Restschwingungen noch da ist, dürfte die dünne Filzmatte ziemlich gründlich absorbieren. Die MDF-Scheibe dreht auf einem Lager invertierter Bauart, die Bronzehülse mit fest eingepresster Stahlkugel steckt im Teller, das Gegenstück - eine Stahlachse moderaten Durchmessers - in der Basis. Übrigens muss ein eher dünnes Lager kein Nachteil sein: Wegen der geringen reibenden Flächen läuft es theoretisch ruhiger. Bleibt noch der Tonarm. Die recht stark S-förmig gebogene Aluminiumkonstruktion entstammt natürlich ebenfalls eigener Fertigung und ist mit einer effektiven Länge von 8,6 Zoll sogar noch etwas kürzer als die üblichen Neunzöller. Das erhöht zwar in der Theorie den tangentialen Spurfehlwinkel, sorgt aber auch für Stabilität. Mit einer effektiven Masse von 8,5 Gramm ist er für von Hause aus eher weich aufgehängte MM-Abtaster prädestiniert. Auch beim Arm wurde im Zuge der Modellpflege etwas Hand angelegt: Mittlerweile gibt’s ein „richtiges“, in seiner Wirkung einstellbares Antiskating per Faden und Gewicht - das hatte der Vorgänger noch nicht. Auch an den Abtaster, den Pro-Ject dem Genie unterschraubt, war beim Einsnuller noch nicht zu denken: Das Ortofon 2M red ist eine ziemliche Hausnummer, die auch schon mal deutlich teurere Mitbewerber (das Ortofon kostet einzeln 90 Euro) locker rechts überholt. Von daher sieht es durchaus so aus, als ob Pro-Ject mit diesem Spieler ein absolut stimmiges Paket geschnürt hätte, das auf dem Papier eigentlich sehr gut spielen müsste - das tut es auch. Man sollte bei der Wahl des Untergrundes ein wenig Obacht geben, denn der auf Kunststoff-Spikes stehende Spieler reagiert in dieser Hinsicht etwas sensibel: Schwergewichtige Steinunterlagen sind sein Ding nicht, dann klingt’s untenherum arg dünn. Ein ganz gewöhnliches Holzbrett in Gestalt eines Regalbodens scheint mir das probateste Mittel, dem kleinen Roten maximale Performance abzuringen. Und dieser Plattenspieler tut genau das, was man bei einer sauberen Konstruktion in dieser Klasse erwarten kann: Er macht Werbung für das Medium Schallplatte. Er tönt schnell, direkt, tönt offen und knackig, beherrscht Raumabbildung in allen drei Dimensionen und ist für Hörer, die nicht seit einem halben Leben auf der Suche nach dem heiligen Gral in Sachen Klang sind, genau das Richtige. Gewiss, es gibt Dreher, die spielen im Bass substanzieller und stabiler, holen auch noch das eine oder andere Detail mehr aus der Rille. Der hier aber, der muss das nicht. Er ist dazu da, „niedlich“ gefunden zu werden, den häuslichen Frieden nicht zu unterminieren und dazu noch sehr ordentlich Platten wiederzugeben. Meiner Meinung nach ist das Paket auch viel zu schade, um es mit jeder Menge Tuningmaßnahmen im Nachhinein aufbohren zu wollen - dafür gibt’s geeignetere Basismodelle, außerdem würde das der Angelegenheit den Charme nehmen. Wenn der Wunsch nach mehr denn irgendwann mal aufkeimen sollte, dann findet sich sicher ein dankbares Familienmitglied als Abnehmer für den kleinen Pro-Ject - und der kann dann in Ruhe die nächste Generation infizieren.
Fazit
Ein schöner Beweis dafür, dass „günstig“ keinesfalls Abstriche bei der Gestaltung bedeuten muss: Der kleine Pro-Ject ist ein echter Hingucker. Dem Hinhörer gefällt seine quirlige und angenehme Wiedergabe, die ganz klar Werbung für die Platte an sich macht – was will man mehr?