Entschuldigung, ich bin HiFi-Mann. Und gegenüber Dingen wie den hier zur Debatte stehenden hege ich eine gehörige Portion Skepsis. Das soll ein „richtiger“ Plattenspieler sein?
Mitspieler
Phonovorstufen:
Gruensch MCS II
Audionet PAM G2/EPC
Vorstufen:
MalValve preamp four line
Endverstärker:
Accustic Arts Amp2 MK2
Lautsprecher:
Audio Physic Avantera
Klang + Ton „Nada“
Zubehör:
Netzsynthesizer PS Audio P10
NF-Kabel von van den Hul und Transparent
Phonokabel van den Hul
Lautsprecherkabel von Transparent
Plattenwaschmaschine von Clearaudio
Gegenspieler
Plattenspieler:
Thorens TD 160
Sperling M-2 / Reed 3p
Nun ist es ja nicht so ganz einfach, wenn man sich heutzutage für einen wirklich bezahlbaren Plattenspieler interessiert. Klar, man kann jederzeit zu einem der klassischen „Brettspieler“ à la ProJect oder Rega greifen, nur an irgendeiner Stelle muss es da doch ein bisschen was Moderneres geben.
Richtig – dem ist so. Die technisch eindeutig fortschrittlichsten Plattenspieler werden für Leute gebaut, die sie nicht zu Hause ans Stereo-Equipment klemmen, sondern in die Clubs tragen und damit auflegen. Soweit keine ganz neue Erkenntnis. Und natürlich könnte man sich die Sache erleichtern und The Godfather of All DJ Turntables, den Technics SL 1210, ans Licht zerren und die übliche Jubelarie über das Ding verfassen. Nun ist der legendäre Technics vor geraumer Zeit eingestellt worden, und abgesehen davon hat er in letzter Zeit ob seines Kultstatus Preise erzielt, die nun durchaus auf echtem High-End-Niveau waren. Also versuchen wir mal was anderes und beschäftigen uns mit aktuellen, bodenständigen Dingen. Der Audio Technica AT-LP1240USB ist so etwas. Er kostet laut Liste 595 Euro, was nun auch wieder deutlich oberhalb des Taschengeldes liegt, und dafür darf man denn auch etwas erwarten. Aus dem Karton gilt es beeindruckende 12,5 Kilogramm Technik zu schälen, und die machen zunächst erst einmal einen außerordentlich soliden Eindruck. Das hier scheint in der Tat kaum dafür gedacht, um in gehegter und gepflegter Umgebung gehätschelt zu werden, hier darf man anfassen. Der Einsatz von viel gummiertem Metall beim Gehäuse vermittelt ein gutes Gefühl, das erkleckliche Gewicht ruht auf vier ziemlich effektiven Schockabsorberfüßen. Natürlich ist der 1240, wie es sich für einen richtigen DJ-Dreher gehört, ein Direkttriebler. Und zwar einer mit so viel Drehmoment, dass der gemeine Highender ins Staunen kommt. Das geht so: Man schaltet das Gerät mit dem Daumenrad links ein, dreht „Start“- und „Brake“-Regler auf Minimum, betätigt den „Quartz“-Taster neben dem Schieberegler und drückt anschließend einen der beiden Start-/Stopp-Taster. Der Antrieb reißt den Teller derart flugs auf Nenndrehzahl, dass das Auge den Startvorgang auf dem blau beleuchteten Stroboskop kaum mitbekommt. Zack – Nenndrehzahl. Drückt man nochmals drauf – zack, momentaner Stillstand. Noch besser: bei laufendem Teller die „Reverse“-Taste betätigen. Der Teller kehrt in Sekundenbruchteilen seine Drehrichtung bis zur Nenndrehzahl in Gegenrichtung um – absolut erstaunlich. Noch mehr Staunen gibt’s bei der Geschwindigkeitswahl: Die Umschaltung zwischen 33 und 45 Umdrehungen geht konkurrenzlos blitzartig, und auch beim Anwählen von 78 Umdrehungen (man höre und staune) gibt’s kaum auf dem Stroboskop sichtbare Verzögerungen. Und dabei ist der Plattenteller des Audio Technica wahrlich kein Kindergartenmodell: Unter der Slipmat – so heißt die harte Filzauflage bei DJ-Maschinen – kommt ein zur Bedämpfung gummiertes Alugussteil zum Vorschein, das die MDF-Teller der HiFi-Einsteigerdreher ziemlich alt aussehen lässt. Und was haben wir als ganz normale Stereo- Benutzer von diesen Features? Absolut gar nichts. Jedoch es fasst sich gut an, hilft vorsichtigen Naturen beim Wechseln der Platte und vermittelt überzeugend den Eindruck eines drehmomentstarken Antriebs. Wo der Teller gerade ab ist, werfen wir mal einen Blick auf den Motor, der all das möglich macht. Dessen beweglicher Teil – gemeinhin Rotor genannt – ist ein Magnetring unterhalb des Tellers. Der knapp zehn Zentimeter durchmessende flache Zylinder bewegt sich im Betrieb in geringem Abstand zum im Chassis angebrachten Gegenstück, dem Stator. Hierbei handelt es sich in erster Linie um elf ringförmig angebrachte Elektromagnete, die dank entsprechend versetzter Ansteuerung für den Vortrieb sorgen. Audio Technica nennt das Ganze einen sechzehnpoligen Dreiphasenmotor – warum auch immer. Das Feeling der Antriebssektion ist ein komplett anderes als das bei jedem „normalen“ Plattenspieler und ich muss gestehen, dass das einen gewissen Haben-Wollen-Reflex bei mir auslöst: Das geht alles so leicht und locker, da kann man als „Bohrinselbetreiber“ schon mal neidisch werden. Okay. Geschwindigkeitseinstellung mit umschaltbaren Regelbereichen – brauchen wir nicht. Drehzahlumkehr – schon mal gar nicht. Das Stroboskop ist gut fürs Gewissen, dient im „Quartz“-verriegelten Betrieb nur als Funktionskontrolle – alle drei Drehzahlen stehen wie eine Eins. Kommen wie zum Tonarm. Das ist ein klassisch kardanisch gelagerter, s-förmiger Metallarm mit abnehmbarem Headshell – erfreulicherweise hält sich die DJ-Welt hier an den SME-Standard. Der Arm verfügt über eine Antiskating-Einrichtung (per Feder verstellbar) und – das ist überraschend – eine komfortable Höhenverstellung. Zu deren Betätigung muss man einen Sperrhebel auf der Armbasis lösen und kann die Basis durch Verdrehen des großen Einstellrings feinfühlig in der Höhe verstellen. Das macht bis auf eine Ausnahme einen sehr guten Eindruck, und diese Ausnahme sind die Tonarmlager: Die Kugellager sind in beiden Ebenen viel zu lose eingestellt. Was den Arm hier präzise in der Spur halten soll – keine Ahnung. Einstellmöglichkeiten gibt’s offensichtlich, davon jedoch würde ich dem ungeübten Endanwender ernsthaft abraten. Eine Angabe zur effektiven Masse -– Fehlanzeige, jene sollte sich jedoch im mittleren Bereich bewegen. Damit passt auch der Tonabnehmer, den Audio Technica uns zu dem Gerät mitlieferte: Das AT-F7 allerdings ist ein reinrassiger MC-Abtaster, der nicht in der Lage ist, die in den Plattenspieler eingebaute Phonovorstufe anzusteuern. Unsere ersten Experimente mit dem Dreher erfolgten denn auch mit „artgerechten“ MMs. Zur eingebauten Phonovorstufe gesellt sich übrigens noch ein Ausstattungsdetail, das moderne Vertreter der DJ-Plattenspielerzunft heutzutage haben: einen USB-Ausgang für den direkten Anschluss an den Computer, passende Software inklusive. Ich gestehe: Ich hab’s nicht ausprobiert – alles andere hingegen schon. Ja, ich weiß. Eigentlich ist es Quatsch, so einen Dreher gegen das Ungetüm von Sperling laufen zu lassen. Zu unser aller Beruhigung: Der Audio Technica klingt schlechter als die 40.000-Euro-Kombi. Und zwar in so ziemlich jeder Hinsicht. Allerdings muss man dem DJ-Laufwerk attestieren, ganz viel richtig zu machen. Zunächst fällt auf, dass die Maschine mit typischen Direkttrieblerqualitäten glänzt: Es herrscht unheimlich Zug im Klangbild. Das Ding produziert eine Grobdynamik, die nur als absolut erstaunlich zu werten ist. Auch bei leiseren Tönen streicht der Japaner keinesfalls die Segel: Das wunderschöne „Send in the Clowns“ von Bill Henderson schlachtet LP1240 kein bisschen, sondern zaubert ein durchaus ordentliches Maß an Atmosphäre, zeichnet ein breit auseinandergezogenes Klangbild, dem höchstens ein bisschen Tiefe fehlt. Zu großer Form läuft der ATLP1240USB auf, wenn man ihm solcherlei Futter verabreicht, für das er gedacht ist: Die knorrigen Tieftonorgien eines Anders Trentemöller schüttelt der AT souverän aus dem Ärmel, Deep Purple und Led Zeppelin kann er auch. Aus den ganz tiefen Lagen hält er sich geschickt heraus, geht darüber jedoch umso vehementer zur Sache. Dabei klingt er immer ein bisschen übermotiviert und effektorientiert; so richtig ruhig, sanft und typisch analog will er nur bedingt – da helfen auch keine teuren MC-Abtaster, das wird dem konsequent auf Drehmoment geregelten Antrieb geschuldet sein. Dabei nützt auch das Verdrehen der „Start“- und „Brake“-Regler nichts, die wirken augenscheinlich nicht auf das Drehmoment im Spielbetrieb. Die eingebaute MM-Vorstufe macht ihre Sache übrigens gut und wird mit einem Abtaster vom Kaliber eines Goldring 2500 durchaus fertig. Prinzipiell ist dieser 600-Euro-Spieler also ein feine Sache; ich würde ihm gerne noch ein paar audiophile Tugenden anerziehen – ich arbeite dran.
Fazit
Willkommen in der Plattenspieler-Gegenwart. Audio Technica zeigt überzeugend, wie man mit modernen Mitteln bezahlbare Geräte baut, die durch exzellentes Handling und pralle Ausstattung bestechen. Klang? Geht in Ordnung, da sollte jedoch noch was machbar sein.