Valeur Audio ist ein kleiner, aber feiner Lautsprecher aus dem Norden der Republik. Und zwar einer, der unbedingt einer breiteren Öffentlichkeit bekannt gemacht gehört
Anlage
Plattenspieler: Transrotor Zet1 TMD / SME 5012 / Transrotor Merlo Reference
Vollverstärker: darTZeel CHT 8550, Silbatone 300B Reference
Phonoverstärker: Malvalve preamp three phono
Vorverstärker: Rogue Audio Ninety Nine
Endverstärker: Rogue Audio Stereo 90
Dirk Timmermann habe ich 2008 kennengelernt. Zunächst wusste ich nicht, wer das ist, der da ein seltsames zusammenfaltbares Lautsprecherkonstrukt aus seinem Auto wuchtete, aber das sollte sich ändern.
Ort des Geschehens: der Parkplatz eines alten Klosters in Biezenmortel, Holland. Damals Austragungsort einer hoch spannenden Veranstaltung für Audioenthusiasten namens „European Triode Festival“. Beim „ETF“ treffen sich engagierte Röhrenfans und stöpseln das zusammen, was sie im Laufe der Zeit so „gebastelt“ haben. In den allermeisten Fällen reine Selbstbauprojekte ohne kommerzielle Hintergründe. Der Inhalt von Dirk Timmermanns Kofferraum entpuppte sich als exotischer Aktivlautsprecher mit 18-Zoll-Dipolbass, selbst gebautem Achtzoll- Mitteltöner und einem Holzhorn mit angeflanschtem Hochtontreiber vom Edelhersteller TAD. Die Filterung besorgte eine ebenfalls selbst gebaute Röhrenweiche. Beim Aufbau erntete das Setup reichlich skeptische Blicke – die allerdings wichen sprachlosem Staunen, als die Angelegenheit schließlich spielte. Bis heute gehört diese Konstruktion zum Besten, was ich je auf so einer Veranstaltung gehört habe. Und seitdem stehe ich lose mit dem Chef von Valeur Audio in Verbindung, um vielleicht mal eine seiner kommerziellen Kreationen in die Finger zu bekommen. Nach nunmehr fünf Jahren war’s endlich so weit: Dirk hat einen Lautsprecher fertig, den er für testwürdig befindet. Womit klar sein sollte: Wir haben es hier nicht mit einem jungen, hoffnungsvollen Startup zu tun sondern mit jemandem, der seit vielen Jahren im Lautsprecherbusiness zu Hause ist, der weiß, wie das Metier funktioniert und der außerdem seine Nische gefunden hat. Valeur Audio fertigt relativ kompakte, sehr hochwertige Boxen, die das Gegenteil eines marktschreierischen Auftretens haben. In diese Kategorie gehört auch die „Micropoint 4SE“, um die es hier gehen soll. Das ist eine klassische Zweiwegebox, die auf einem guten Ständer betrieben werden will und ambitionierte 9.900 Euro pro Paar kostet. Mit 22,5 x 45 x 36 Zentimetern gehört sie zu den größeren Vertretern der Spezies Zweiwege- Kompaktbox, und auch in Sachen Gewicht rangiert sie am oberen Ende des Üblichen. Unser Testexemplar präsentiert sich in edlem Nussbaumfurnier und ist rundherum piekfein verarbeitet. Das Gehäuse besteht aus mehreren Lagen MDF, was die Sache merklich stabiler macht als eine einzige dicke Platte. Auf der Front erkennt man ein Horn und – ein schwarzes Loch. Hinter der Stoffabdeckung verbirgt sich der relativ weit nach hinten versetzte Tiefmitteltöner. Diese ungewöhnliche Montageart dient dem Abgleich der akustischen Phase zwischen beiden Treibern. Der Bass ist ein 17-Zentimeter-Modell, das ohne Zweifel aus der Profiecke stammt: Der überaus solide Gusskorb trägt ein ziemlich gewaltiges Magnetsystem, die Aufhängung der zum Teil beschichteten Papiermembran geriet relativ steif, eine großzügige Gummisicke und eine entsprechende Zentrierspinne erlauben ordentliche Hübe. Die Schwingspule fällt in die Kategorie anderthalb Zoll, das ist für so einen kompakten Treiber ziemlich groß und gewährleistet eine entsprechende Belastbarkeit. Ab etwa zweieinhalb Kilohertz kommt eine Kombination aus einem kleinen Metallguss- Horn und einem überaus potenten Druckkammertreiber zum Einsatz. Alle akustischen Qualitäten außen vor, würde sich diese Hochtonkombi sicherlich auch in einem Beschallungs-Setup gut machen. Dem Druckkammertreiber schneiderte der Konstrukteur zudem ein spezielles Alu-Drehteil auf den rückwärtigen Leib. Damit vergrößert sich die Druckkammer merklich; das und die Formgebung des Volumens generieren einen praktisch ganz neuen Horntreiber. Das, liebe Leser, ist Handwerk von jemandem, der sehr genau weiß, was er tut. Und nicht von jemandem, bei dem sich das Entwickeln einer Box auf die Bedienung eines Simulationsprogrammes mit anschließender Auftragsvergabe an den Chassisgrossisten und die CNC-Auftragsgehäusefertigung fürs Gehäuse beschränkt. Apropos Gehäuse: Auf der selbstverständlich ebenfalls perfekt furnierten Rückseite finden sich gleich zwei Reflexrohre, die dem Tieftöner bei seinem Job helfen. Darunter gibt’s eine Aluminium-Anschlussplatte, in der zwei Bananenbuchsen aus der Labortechnik stecken, und mal keine der angesagten High-End-Terminals. Das ist alles sehr edel und erfreulich pragmatisch gemacht und frei von jeglichem Getöse, wie es zur Argumentation teurer Lautsprecher gerne an den Tag gelegt wird. Wenn’s jetzt noch so spielt, wie es die technische Konsequenz hoffen lässt, dann haben wir einen Gewinner. Den Anfang macht die wunderbare Alison Goldfrapp mit ihrem aktuellen Album „Tales of Us“. Der zweit Titel „Annabel“ ist ein Musterbeispiel dafür, wie reduzierter, fast gehauchter Gesang funktionieren kann, ohne aufgesetzt oder gar peinlich zu wirken. Bereits nach den ersten Takten ist eine Äußerung wie: „Ach du Sch…“ unvermeidlich, auch wenn’s nur im Geiste ist. Dieser Hochtöner schafft eine unvergleichliche Synthese aus Auflösung und Ausdrucksstärke; das klingt so kraftvoll, dass es einem einen Schauer nach dem anderen den Rücken hinunterjagt. Gröberes gefällig? Gerne. Wir legen „Mania“ von der schwedischen Stoner-Band „Truckfighters“ auf. Bereits das Becken-Intro zum Opener „Last Curfew“ kündet von den großartigen Fähigkeiten das Hochtonhorns: Das hat so richtig Strom, tönt aber nicht „drüber“ – das ist kein PA-Sound, sondern ganz nah an dem, was ich Realität nennen würde. Nebenbei: Die Platte ist ein überaus gelungenes Beispiel dafür, dass Klangqualität auch in den lauteren Ecken der Rockmusik machbar ist. Und wenn’s dann stromklampfenmäßig zur Sache geht, dann guckste blöd: Die Fuhre rockt, dass es eine wahre Freude ist. Nix is mit kleiner, audiophiler Konsensbox. Die hier verbaute Technik hat Profigene, und das macht sich bezahlt. Dynamisch haut die Micropoint 4SE das Maximale dessen raus, was mit einem Siebzehner machbar ist. Und zwar mit durchaus ernst zu nehmendem Fundament. Raum. Auch da geht was. Die Valeur verträgt relativ große Basisbreiten, man muss lediglich ein wenig mit der Einwinkelung spielen: Wenn’s passt, vermelden sowohl Tonalität als auch eine geschlossene Bühnenabbildung mit bestens abgezirkelter Mitte, dass man das Optimum getroffen hat. Elektronik? Da reagiert die Norddeutsche durchaus sensibel. Röhre ist machbar, aber bitte eine mit ein wenig Durchsetzungsvermögen. Experimente mit einem sündteueren Single-Ended-Verstärker führten leider dynamisch nicht zum Erfolg. Ein stabiler Gegentakter so ab 30 Watt ist der richtige Treibsatz für dieses Kleinod. Gerne auch ein feiner Halbleiterverstärker. So oder so, die britischen Sparsam-Pop- Meister „The XX“ holen uns absolut überzeugend in ihre Mitte und zelebrieren ihren Minimalismus mit Inbrunst, Nachdruck und ganz viel Atmosphäre. Dieser Lautsprecher schafft in selten erlebtem Maße die Stimulation des vegetativen Nervensystems. Mehr braucht’s nicht. Gewiss hat dieses Ergebnis seinen Preis, aber so exzellentes Handwerk in Sachen Abstimmung muss auch angemessen honoriert werden. Hornverfärbungen? Gibt’s nicht. Die Suche danach habe ich nach ein paar Tagen aufgegeben, sie hat keinen Sinn. Analytisches Hören mit dieser Box funktioniert nicht, das Aufpassen auf Besonderheiten entgleitet einem – das passt einfach und man hört nur noch Musik.
Fazit
Die Micropoint 4SE zählt völlig ohne Zweifel zu den besten Kompaktboxen, die man heute kaufen kann. Ihre Stärken liegen in einem ungeheuer stabilen und kräftigen Klangbild, das Sahnestück ist der wunderbar crispe Hochtonbereich.