Kategorie: Lautsprecher Stereo

Einzeltest: Boenicke Audio W5


Gar nicht putzig!

Lautsprecher Stereo Boenicke Audio W5 im Test, Bild 1
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Wir Menschen tendieren dazu, bei gewissen  Anschaffungen die Höhe einer Ausgabe an  die Größe des zu kaufenden Gegenstands  zu koppeln. Das ist oft beim Auto so –  und wenn es um HiFi geht.

Welcher Teilaspekt der zu erbringenden Leistung im Fokus des Interesses steht, ist nicht für jeden Käufer der gleiche. So ist beim Auto einmal das Ladevolumen der bestimmende Faktor, einmal der Fahrkomfort bei Autobahntempo und ein anderes Mal die Fähigkeit, mit maximaler Bodenhaftung schnellstmöglich um Kurven zu hetzen. Auf Lautsprecher übertragen könnten die Kriterien zum Beispiel eine möglichst große räumliche Darstellung sein, die maximale Auflösung im Hochton, oder eine markerschütternde Basswiedergabe. Für den letzteren Fall sind Mini-Kompaktlautsprecher nie ein guter Tipp, das ist klar. Doch für alles andere … Schließlich ist (oder sollte sein) die übergeordnete Instanz das Ziel aller Versuche, Musik zu reproduzieren, eine natürliche, also unverfälschte Wiedergabe. Maßstab dafür sollten demnach „natürlich produzierte“ Musik oder Klänge sein, also klassische Instrumente und Stimmen.

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Denn um ehrlich zu sein: Niemand weiß, wie ein Analogsynthesizer wirklich klingt – das, was wir von ihm hören, ist immer bereits durch irgendeine Art von Elektronik und Lautsprecher verändert, geprägt worden. Sven Boenicke, Chef und Mastermind von Boenicke Audio, hat ein besonderes Faible für „echte“ Instrumente. Er verbringt laut eigener Aussage „mehr Zeit in Konzerthallen als wahrscheinlich jeder andere Lautsprecherhersteller“ und versucht den Klang von echten Instrumenten immer als akustischen Eindruck mit sich zu tragen und bei der Entwicklung seiner Lautsprecher als Standard zugrunde zu legen. Ganz offensichtlich ist er aber nicht der Meinung, dass es riesiger Gehäuse bedarf, um eine natürliche und realistische Klangreproduktion zu erzielen: Die Boenicke W5 sind gerade mal so groß wie ein Kinderschuhkarton. 2,8 Liter Gehäusevolumen reichen dem 5 Zoll großen, seitlich montierten Langhub-Treiber von Tang Band, um am Port des Bassreflexrohrs eine untere Grenzfrequenz von unglaublichen 36 Hz (-3 dB) zu erzielen. Damit kann man schon mal arbeiten. Darüber spielt ein 7,5 cm durchmessender Alu-Breitbänder von Fountek, der nominell ab 800 Hz ins Geschehen eingreift. Getrennt werden die beiden sanft von einer minimalistischen 6-dB-Hochpass-Weiche – Sven Boenicke hält nichts davon, Schwächen der Treiber mit aufwendigen Filternetzwerken zu kurieren und lässt den Bass-Mitten-Treiber nach oben hin frei auslaufen. Auf der Rückseite sitzt direkt über den massiven Single-Wiring-Anschlussterminals ein 13 Millimeter kleiner Hochtöner von Tang Band, der erst bei 6.600 Hz mit einem 12-dB-Highpass-Filter ins Geschehen eingreift. Die Abstrahlung des Hochtöners nach hinten unten könnte ein Grund zur Sorge sein – vielleicht zieht er das Klangbild nach unten? Mal sehen … Das kleine Gehäuse ist aus dem vollen Holz gefräst und unlackiert. Sven Boenicke bezieht sein ordentlich abgelagertes Holz von Spezialisten aus Brienz und Muotathal und kann ob der Qualität des Ausgangsmaterials in einigen seiner Kreationen bis zu 6 cm dicke Paneele einsetzen, ohne dass die Gefahr besteht, dass sich etwas verzieht – natürlich sind die Wände der W5 nicht ganz so massiv, da würde ja kein Hohlraum mehr übrig bleiben. Fünf beziehungsweise zehn Millimeter messen hier die Wandstärken, und rechte Winkel finden sich nirgends im Gehäuse. Unter den Lautsprechern befinden sich die Aufnahmen für die Federfüße, die bei Aufstellung zum Beispiel auf dem Schreibtisch für eine wirkungsvolle Entkopplung sorgen. Wenn man die optional erhältlichen Ständer benutzt, sollte man die W5 via die vorbereiteten Schraublöcher daran sichern, zu schnell könnten sie sonst von unachtsamen Besuchern, Kindern oder Haustieren auf den Boden gefegt werden. Und das wäre wirklich jammerschade. 

Klang


Dass „klein“ nicht gleich „günstig und nicht zu Spitzenleistungen fähig“ heißen muss, hat mich spätestens meine Neukomm- MCA112S-Phonostufe gelehrt (übrigens auch eine Miniatur aus der Schweiz, man scheint da ein Faible für kleine, aber feine Dinge zu hegen). Noch keine andere Phonostufe hat mich mit einem derart freien, lockeren und von scheinbaren physischen Limitierungen befreiten Klang erfreut wie die gerade mal 2 Zigarettenschachteln große Neukomm. Dass man dafür im Preisbereich um 3.000 Euro liegt, erscheint in Anbetracht der Leistung nebensächlich. Und ich garantiere Ihnen: Mit den Boenicke W5 wird es Ihnen nicht anders ergehen. Die ersten Töne aus den Schweizer Preziosen wischen einfach so alle Zweifel hinweg, die man zuvor hätte haben können. Nach drei Minuten hat sich der Unterkiefer immer noch nicht eingehängt. Nach zehn Minuten hat man eine Playlist aller Lieblingstitel zusammengestellt, und nach 15 Minuten sitzt man einfach nur noch ergriffen und mit geschlossenen Augen vor diesen Wunderwerken und will nie, nie wieder aufhören, Musik zu hören. Die Boenicke W5 spielen etwa 80 cm von der Rückwand entfernt auf ihren Ständern stehend in meinem gut 40 Quadratmeter großen Hörraum mit hoher Schrägdecke, mit einem Linn Majik DSM als Quellgerät und Verstärker. Der erste Eindruck ist der von ungemeiner Klarheit und Präsenz, der zweite der von Raum und noch mehr Raum, der dritte: Das Ding kann ja Bass! Aber okay, eins nach dem anderen. Wer von einem Breitbänder einen leicht belegten Hochton erwartet, sieht sich hier (sicher auch aufgrund der Unterstützung durch den rückwärtigen Superhochtöner) getäuscht: Selten habe ich eine so zarte und luftige Hochtonwiedergabe in meinem Raum gehört. Al di Meolas Gitarre besitzt einen unglaublich flirrenden Zauber und steht dermaßen tief im Raum, dass der tatsächliche Aufstellungsort der Lautsprecher vollkommen ausgeblendet wird. Ibrahim Ferrer singt dreidimensional und dreidimensional plastisch vor mir sitzend – minimal tiefer als mit höher bauenden Lautsprechern, zugegebenermaßen, aber dafür vollkommen frei von räumlichen Beschränkungen, und in realistischer Größe. Die tonale Balance ist dabei in meinem recht großen Raum minimal heller als mit deutlich größeren Lautsprechern – aber das macht sich eben nicht wirklich negativ bemerkbar. Das Klangbild hat eine unglaubliche Prägnanz und lebendige Pointiertheit im oberen Mittel- und Hochton, die vom keinesfalls unterbelichteten Bass optimal unterstützt wird. Selbiger reicht zwar nicht extrem tief hinunter, erweist sich aber als sehr viel pegelfester und ja, auch druckvoller, als ich gedacht hätte. Nicolas Jaars „Colomb“ besitzt nicht nur knackige Transienten im Mittelton, sondern auch einen megatiefen Bass im Mittelteil – der wird von den Boenickes zwar nur noch angedeutet, aber von In-die-Knie-gehen ist selbst bei gehobenen Pegeln nichts zu spüren. Das Sofa zum Wackeln bringen die W5 natürlich nicht, das muss klar sein; ein wohlig-warmes Bassgefühl im Bauch stellt sich aber allemal ein. Was mich immer wieder zum Schwärmen und Schließen meiner Augen verleitet, ist die unglaubliche Räumlichkeit dieser Lautsprecher und die damit einhergehende Transparenz und Durchhörbarkeit, die insbesondere akustische Instrumente in einer Präsenz auf die Bühne zaubert, die ihresgleichen sucht – fast unabhängig vom Preis. Es stimmt also: Es kommt nicht immer auf die Größe an, sondern darauf, was man aus den Gegebenheiten macht.

Fazit

Die W5 spielen richtig „groß“ und vollwertig  mit fantastischer Räumlichkeit, frischem Detailreichtum und erstaunlich erwachsenem  Bass. Prädestiniert für kleinere und mittelgroße Räume – aber nicht nur da ihr  Geld unbedingt wert!

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Kategorie: Lautsprecher Stereo

Produkt: Boenicke Audio W5

Preis: um 4900 Euro

7/2016
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Ausstattung & technische Daten 
Preis (in Euro): 4.490 CHF Ständer 250 CHF (jeweils exkl. Mehrwertsteuer) 
Vertrieb Boenicke Audio, Basel (Schweiz) 
Telefon/E-Mail +41 (0)79 959 05 50 
Internet www.boenicke-audio.ch 
Ausstattung:
Garantie (in Jahre) 5 Jahre (ausgenommen Treiber) 
Ausführungen Nussbaum, Esche, Esche dunkel, Kirsche Vollholz 
B x H x T (in mm) 104/293/231 
Gewicht (in Kg) 3,5 
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Datum 14.07.2016, 09:54 Uhr
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