Wir müssen neue Nadeln auf die HiFi-Weltkarte pieksen. Zum Beispiel auf dem Baltikum. Von dort gibt’s in zunehmendem Maße Hersteller, die aus dem Stand mit dem etablierten Mitbewerb mithalten können
Mitspieler
Plattenspieler:
Transrotor Zet 1 / 5009 / Merlo Reference
Phonovorstufen:
MalValve preamp three phono
Vorstufen:
D’Agostino Momentum Vorstufe
Endverstärker:
D’Agostino Momentum Stereoendstufe
Vollverstärker:
darTZeel CTH-8550
Zubehör:
NF-Kabel von van den Hul und Transparent
Phonokabel van den Hul
Lautsprecherkabel von Transparent
Plattenwaschmaschine von Clearaudio
Gegenspieler
Lautsprecher:
Audio Physic Avantera
Klang + Ton Nada
Litauen? Find ich gut. Spätestens seit dem Erscheinen von Vidmantas Triukas‘ hervorragenden „Reed“-Tonarmen vor ein paar Jahren hat HiFi aus dem südlichsten und uns am nächsten gelegenen baltischen Staat einen dicken Stein bei mir im Brett.
Und jetzt das hier: eine ziemlich ausgewachsene Standbox vom jungen Hersteller AudioSolutions, die auf den ersten Blick mal so gar nicht baltisch aussieht. Sondern ziemlich italienisch. Und Ihnen wird es beim ersten Blick auf die Box nicht viel anders ergangen sein als mir: „Och – eine neue Serie von (setzen Sie bitte hier den Namen des bekanntesten italienischen Herstellers ambitionierter Lautsprecher ein)? Die ist aber hübsch geworden!“ Dezent nach hinten geneigt, geschwungene Seitenwände, eine fast ein wenig nach Leder aussehende eingelassene Front – das sieht klasse aus, ohne jede Frage. Das dunkle Grau kontrastiert ausgezeichnet mit dem Palisanderfurnier des Korpus – sowas kann man sich ruhigen Gewissens ins Wohnzimmer stellen, davon dürfte auch der Haushaltsvorstand zu überzeugen sein. Natürlich unter der Voraussetzung, dass die Investition von 5.900 Euro fürs Paar ins Budget passt. Die Herstellerwebseite zeigt noch fünf andere hübsche Furniere; und da wir es mit einer kleinen Manufaktur zu tun haben, ist auf Wunsch natürlich so ziemlich jede Oberflächengestaltung realisierbar. Optik und Haptik dürfen bei der rund 35 Kilo schweren Box schon mal als sehr gelungen gelten. Ein Blick auf die Messergebnisse – eigentlich versuche ich, diesen Teil der Beschäftigung mit einem Paar Boxen erst nach dem Hörtest zu erledigen – offenbarte einige weitere Überraschungen: Die Rhapsody 130 ist mit 90 Dezibel an 2,83 Volt nämlich beachtlich wirkungsgrad stark und verfügt über einen offensichtlich mit Sachverstand „modellierten“ Amplitudenfrequenzgang – das dürfte interessant werden. Die Rhapsody 130 ist ein waschechter Zweiwegelautsprecher. Will sagen: Die beiden Sechs-Zoll-Tiefmitteltöner arbeiten elektrisch und akustisch parallel und werden bei knapp zweieinhalb Kilohertz „erlöst“, ab dann übernimmt eine Gewebekalotte des norwegischen Herstellers Seas. Die Tiefmitteltöner stammen von SB Acoustics, ebenfalls eine exzellente Adresse für derlei Dinge. Die beiden Siebzehner arbeiten mit einer klassischen Papiermembran, verfügen über einen relativ großen Antrieb und eine sehr moderne Konstruktion: großer Maximalhub, strömungsgünstiges Korbdesign mit großzügiger Belüftung. Für Unterstützung in tiefen Regionen sorgt eine Bassreflexabstimmung. Das dazugehörige Rohr mündet ebenfalls auf der Front und verfügt über einen ordentlichen Querschnitt; störende Geräusche sind hier nicht zu befürchten. Die Treiber und das Rohr sitzen in einer MDF-Front, die hinter den Bässen konisch aufgeweitet wurde, was das Strömungsverhalten abermals verbessert. Die Hochtonkalotte bringt von Hause aus ein Koppelvolumen mit, braucht also keine separate Behausung. Das Boxengehäuse besteht teilweise aus MDF, teilweise aus Multiplex. Auch die Innenseiten wurden furniert; man nennt das „Gegenzugfurnier“. Das ist aufwendig und man sieht’s nicht, sorgt aber dafür, dass sich das Gehäuse auf die Dauer nicht verzieht. Es gibt eine ganze Reihe von Verstrebungen zur Stabilisierung, jede einzelne ist sorgsam in Dämmmaterial verpackt. Das Gehäuse läuft nach hinten spitz zu und bildet in diese Richtung eine Art akustischen Sumpf; die Anordnung hilft bei der Bedämpfung von Gehäuseresonanzen. Den rückwärtigen Abschluss bildet eine geschwungene massive Leiste – bei aller Richtigkeit der Idee wird hier deutlich, welche Lautsprecher sich Entwickler Gediminas Gaidelis genauer angesehen hat. Jene Leiste ist dezent mattschwarz lackiert, genau so wie die Kopf- und Bodenplatte der Box. Letztere steht aus Stabilitätsgründen ringsherum über und wird mit drei Spikes bestückt: Der hintere ist kürzer als die beiden vorderen und sorgt im Interesse einer sauberen akustischen Phase für die Neigung der Box. Die mattschwarzen Teile gilt es mit besonderer Vorsicht zu behandeln: Die Oberfläche ist sehr empfindlich. Kabel dürfen über zwei klassische Polklemmen an die Box andocken, hier passt so ziemlich alles von Kabelschuhen über blanke Drähte bis hin zu Bananensteckern. Einen ersten akustischen Eindruck durfte die Rhapsody 130 mit Patricia Barbers neu aufgelegtem Live-Album „Companion“ abliefern. Och ja – im Hochton geht’s schon mal ausgezeichnet. Die Kalotte liefert Durchzeichnung, Energie und spielt nach oben heraus sehr schön unangestrengt und selbstverständlich. Frau Barbers Hammond-Orgel hat Biss und die Energie, es tönt überzeugend „live“ und sehr wenig komprimiert. Jeder S-Laut ihrer Gesangsstimme gibt einen überzeugenden Eindruck von der Größe der Halle, und wenn das Publikum zum Applaus einsetzt, reißen die Größenverhältnisse geradezu spektakulär auf. Die Box nimmt die perkussive Vielfalt auf „Black Magic Woman“ mit größter Selbstverständlichkeit souverän auseinander. Die Bassdrum hat Überzeugungs- und Spannkraft – nicht schlecht. Legen wir mal was auf, das untenherum etwas weniger diszipliniert zur Sache geht: Wir legen „Soma“ von „Windhand“ auf, einer kernigen Metalband mit schön „doomigem“ Sound aus den Südstaaten. Das ist Material, das leise nicht geht. So gar nicht. Muss es hier aber auch nicht. Die vier Siebzehner schütteln die satt verzerrten tieftonalen Bretter mit bemerkenswerter Lockerheit in den Hörraum. Klar, dynamische Fähigkeiten fordert das eher nicht, aber solides Stehvermögen, und das hat die Lettin definitiv. Eine gewisse Gelassenheit gegenüber tieftonalen Herausforderungen hilft auch bei den aktuellen Lieblingen der Neo- Folk-Szene, der britischen Band „London Grammar“. „Hey Now“ vom aktuellen Longplayer „If You Wait“ fordert Elektronik wie Lautsprecher gleichermaßen. Und die Rhapsody steht wie eine Eins: Auch bei den ziemlich gemeinen synthetischen Attacken steht die Bühne unverrückbar, die prägnante Stimme von Sängerin Hannah Reid behält ihr Timbre, nichts klappt ein. Der im vergangenen Jahr viel zu früh verstorbene US-Singer-/ Songwriter Jason Molina bestätigt die ausgezeichnete Stabilität des Klangbildes eindrucksvoll und offenbart die exzellenten Abbildungsleistungen, zu denen die Box fähig ist: Sie kann breit, bis weit über die Lautsprecherebene hinaus, und schafft eine beeindruckende Tiefe. Mitunter beschleicht mich der Verdacht, im Präsenzbereich tue der Hochtöner ein Winzigkeit zu viel; das variiert und ist stark musikmaterialabhängig. Der brüchigen, tieftraurigen Stimme des Amerikaners tut dieser Umstand jedenfalls eher gut, als dass es ihm schadet. Ella (Fritzgerald) jedenfalls sagt: „Stell dich nicht so an, hier ist gar nichts zu viel.“ Gut. Sie muss es wissen. Ihre „Little White Lies“ jedenfalls kommen so locker, entspannt und geschmeidig, dass spontanes Aufstellen der Nackenhaare gewiss ist. Das übrigens passiert auch noch, wenn man diese Lautsprecher leise betreibt. Also so richtig leise. Klar, die Raumgröße nimmt etwas ab, aber der Zusammenhalt des Klangbildes bleibt erhalten, die Ortung stimmt immer noch.
Fazit
Die Rhapsody 130 ist ein wunderbarer Allround- Lautsprecher mit beeindruckenden dynamischen Fähigkeiten, einem sehr farbstarken Klangbild und, nicht zu vergessen, bester Verarbeitung bei gelungener Optik.