Wer den Namen Quad hört, denkt unweigerlich zuerst an Elektrostaten aus den Fünfzigern. Und an ein paar legendäre Röhrenverstärker auch nicht viel aktuelleren Datums. Aber so richtig modernes HiFi? Fast schon – igitt – Mainstream?
Mitspieler
Plattenspieler:
Transrotor Fat Bob / Reed 3p / Lyra Atlas
Phonovorstufen:
MalValve preamp three phono
Lautsprecher:
Audio Physic Avantera
Klang + Ton „Nada“
Totem Acoustic Dreamcatcher
Zubehör:
Netzsynthesizer PS Audio P10
NF-Kabel von van den Hul und Transparent
Phonokabel van den Hul
Lautsprecherkabel von Transparent
Plattenwaschmaschine von Clearaudio
Gegenspieler
Vollverstärker:
Lindemann 885
Quad II Classic Integrated
Ach ja – damals. Als die Welt noch eine Scheibe und Peter Walker der einzig ernst zu nehmende HiFi-Entwickler überhaupt war. Und mit diesen seltsamen Lautsprechern in Form zu groß geratener Kopfstützen so ziemlich jedem dynamischen Wandler zeigte, wie Musikwiedergabe funktioniert.
Lang, lang ist’s her, aber der Name „Quad“ hat immer noch einen legendären Nimbus. Auch wenn Firmengründer Peter Walker schon lange nicht mehr lebt und das Unternehmen fest in fernöstlicher Hand ist. Das allerdings hat Quad nachweislich nicht geschadet. Die neuen Eigentümer, die „International Audio Group“, kurz IAG, ist sich der Schwere des Erbes, das sie mit dem Erwerb des prestigeträchtigen Namens angetreten hat, sehr wohl bewusst. Und so gibt’s von Quad auch weiterhin ernsthafte elektrostatische Lautsprecher und Röhrenverstärker, die wie die von damals aussehen, nur weitaus moderner konzipiert sind. Dafür holt man sich auch gerne mal prominente Schützenhilfe: Für die „Classic“-Serie zeichnet kein Geringerer als Tim de Paraviccini verantwortlich, exzentrischer wie brillanter britischer Entwickler zahlreicher HiFi- und Studiotechniklegenden. An dieser Stelle jedoch greifen wir mal etwas weniger hoch ins Regal und beschäftigen uns mit dem, was Quad für Normalverdiener zu bieten hat. Da findet sich eine Geräteserie namens „Elite“, und der dazugehörige Vollverstärker „Elite INT“ ist das, worum es hier gehen soll. Dabei handelt es sich um kompaktes (32 cm breit) und flaches (7 cm hoch) Gerät mit einem reduzierten und sehr eigenständigen Design, für dessen Besitz 1.200 Euro zu entrichten sind. Zweifellos setzt der Hersteller auf „Komplettkäufer“, will sagen: Es macht absolut Sinn, diesen Verstärker im Verbund mit dem einen oder anderen der zahlreichen Elite-Geräte zu betrieben. Dabei kommt dann etwas heraus, was es heutzutage gar nicht mehr zu geben scheint: eine richtige HiFi-Anlage nach alter Väter Sitte. Der klassische „Turm“, wie wir ihn früher alle im Wohnzimmer hatten. Auswahl innerhalb der Serie gibt’s reichlich: Derzeit bietet Quad neun Geräte dieser Baureihe an, vom FM-Tuner über einen CD-Spieler mit, einen ohne eingebaute Vorstufe, einen Vorverstärker und vier verschiedene Endstufenmodelle. Letztere als Mono- oder Stereo-Varianten, zwei Modelle sogar als „Current-Damping“- Verstärker. Das ist eine von Peter Walker erdachte und patentierte Schaltung … das führt hier vielleicht ein bisschen zu weit. Nehmen wir die Info mit, dass das Elite- System zumindest verstärkerseitig bis in richtig ernsthafte Regionen ausbaubar ist und wenden wir uns wieder dem Einstieg zu – dem Vollverstärker. Was er nicht hat: einen Phonoeingang. Plattenspielerbetreiber wie wir müssen hier also auf externe Lösungen zurückgreifen. Was er hat: Alles, was man ansonsten braucht. Zwei Cinch-Hochpegeleingänge, eine komplette Tape-Schleife, einen Vorverstärkerausgang. Außerdem gibt’s Leistung: Der schmucke Flachmann liefert stolze 75 Watt an acht und gut 100 Watt an vier Ohm – das reicht für so ziemlich alle Lebenslagen. Auf der Rückseite findet sich neben dem Netzschalter ein Paar Lautsprecherterminals, die ganz bestimmt der britischen Gesetzgebung genügen, aber sinnvoll nur mit Kabelschuhen einer bestimmten Größe zu bedienen sind. Neben dem (zweipolig erdfreien) Netzanschluss gibt’s dann noch eine „Quad-Link“-Buchse, die dem unkomplizierten Verbinden einer ganzen Elite-Kette dient – ein entsprechendes Kabel liegt bei. Tatsächlich braucht’s nur Strom und diese Flachbandleiter, und alle erforderlichen Verbindungen sind erledigt. Sehr praktisch, aber die audiophile Seele schmerzt das vielleicht ein wenig – der Einsatz einer hochwertigen Signalverkabelung fällt damit aus. Alle Elite-Geräte stecken in einem überaus soliden Gehäuse aus Aluminiumguss. Das sorgt für eine löbliche Anfassqualität – schade nur, dass die Gerätefront, quasi die Visitenkarte des Gerätes, aus Kunststoff besteht. Das Gesicht erhellt sich jedoch sofort wieder, wenn man das Bodenblech des Verstärkers lupft: Das Ding ist voll bis unters Dach. Und zwar nicht mit irgendwelchem Billigkram, sondern mit einer aufwendigen Architektur und hochwertiger Bestückung. Eine Mehrlagenplatine nimmt fast das ganze Gerät ein, einzig der fette Ringkerntrafo ist direkt am Gehäuse befestigt. Die Vorstufensektion setzt auf solide Operationsverstärker aus dem Hause Burr-Brown, und davon viele: Jeder Eingang wird separat gepuffert, der Tape- und der Vorverstärkerausgang haben eigene Treiber, die Eingangsumschaltung erfolgt mit elektronischen Schaltern. Der Pegelsteller ist ebenfalls von der integrierten Sorte und darf andernorts in weit teureren Maschinen seinen Dienst verrichten. Die Endstufen – eine links, eine rechts an den Seitenwänden – sind ziemlich aufwendige diskrete Konstruktionen, jeweils zwei potente bipolare Motorola-Leistungstransistoren sorgen für die Power an den Lautsprecherklemmen. Dem Ringkerntrafo stehen vier dicke Siebelkos für die Endstufe und diverse Spannungsregler für die anderen Schaltungsteile zur Seite. Das ist ausgesprochen konsequent und hochwertig gemacht und macht das Gerät eindeutig zu einem Schnäppchen. Zum Lieferumfang gehört selbstverständliche eine Fernbedienung, die bei Bedarf ein ganzes Elite-Ensemble zu befehligen in der Lage ist. Wem das zu profan ist, der darf natürlich auch am Gerät Knöpfchen drücken: Die schmalen Gummitaster wählen die verschiedenen Eingänge an, verstellen die Lautstärke, auch die Balance lässt sich verändern: Dazu aktiviert man den „Balance- Modus“ und kann hernach die Kanäle mit den Lautstärketastern variieren. Und was kann er im Hörraum, der Flachmann? Auf alle Fälle etwas ganz Wichtiges: Nämlich jemanden wie mich, der in erster Linie mit Spielzeugen hantiert, die locker das Zehnfache des Elite INT kosten, daran erinnern, dass man auch ohne Wachschutz vor der Wohnungstür ausgezeichnet Musik hören kann. Klar, ich hab viel zu teure Zuspieler an den Quad gestöpselt und war darauf vorbereitet, die dicke Analogkombi nicht wiederzuerkennen. Weit gefehlt. Der kleine Integrierte lässt sich von Atlas & Co. nicht im Geringsten beeindrucken. Er langt im Bass hin, dass es nur so kracht: Kräftig, akkurat und schwarz tönt’s im Frequenzkeller. Geeignetes Mittel zum Detektieren derartiger Fähigkeiten: Das letzte Massive-Attack-Album „Heligoland“. Wenn bei „Spllitting the Atom“ Tiefgang und Druck überzeugend beim Hörer ankommen, dann müssen Lautsprecher und Verstärker eine Menge richtig machen – wie hier. Und hier wird schon klar: Der Quad hält nichts von engen Räumen. Er staffelt sowohl in der Breite als auch in der Tiefe sehr ordentlich und löst das Geschehen sehr gut von der großen Audio Physic – erstaunlich für ein Gerät dieser Preisklasse.
Fazit
Kontrastprogramm. Wir hören Tom Waits mit „Bad As Me“, dem aktuellen Werk des Rinnstein-Poeten. Herrlich – es schnarrt, es knödelt und krächzt genau so, wie sich das bei Tom Waits gehört. Der Verstärker dröselt das Chaos sehr beachtlich auseinander, verheddert sich nicht in der vertrackten Rhythmik und, ganz wichtig bei Tom Waits: Er transportiert das Dreckige und Schräge absolut überzeugend. Klar, all das geht noch ein bisschen besser, wenn man deutlich mehr Geld in die Hand nimmt, doch die Richtung stimmt ganz eindeutig – ich kann dem Elite INT an keiner Stelle wirklich am Zeug flicken.