Selten genug hat man es einmal mit Menschen zu tun, die an beiden Enden der gesamten musikalischen Kette operieren. Nach meinen Hörerfahrungen mit dem Twinsound CST 100 Mk II behaupte ich jetzt einfach mal: Wer weiß, wie ein Gitarrenverstärker zu klingen hat, der tut sich auch leicht, einen HiFi-Verstärker abzustimmen.
Mitspieler
Plattenspieler:
Transrotor Dark Star Reference mit Goldring 2200
Clearaudio Innovation Compact
Phonoverstärker:
Restek MRIA+
PS Audio GCPH in Moll-Modifikation
Lautsprecher:
Hifi Sound & Design Obelisk 1
Teufel Ultima 800
Zubehör:
Netzleiste: PS-Audio
Stromkabel: Silent Wire
NF-Kabel: Van den Hul
Lautsprecherkabel: Oehlbach
Racks und Basen: SSC, Empire
Gegenspieler
Verstärker:
Magnat RV-1
Dynavox VR70-E2
Twinsound – der Name der norddeutschen Röhrenfirma kommt nicht von ungefähr. Der Fender Twin ist einer der legendären Gitarrenverstärker aus der großen Zeit handgemachter Rockmusik – der ursprüngliche Twin geht bis auf das Jahr 1952 zurück, dazu kam 1968 der berühmtere Twin Reverb.
Unzählige Musiker haben auf dieses Arbeitstier unter den Gitarrenverstärkern mit seinen ganz charakteristischen Clean- und Crunchsounds zurückgegriffen. Die Firma Twinsound aus Buchholz in der Nordheide hat sich der Not der Gitarristen angenommen, die verzweifelt vor den Mondpreisen für originale Fender Twins standen und einen adäquaten Ersatz suchten. Nun – der Name ist Programm – man konnte diesen Musikern helfen, und das bis zum heutigen Tag. Unter dem Markennamen Cream bietet Twinsound eine Reihe ausgesprochen hübscher und technisch gut gemachter Vollröhrenamps an, die in ihrem bewusst antiken Design auch noch verdammt gut und authentisch aussehen. In Buchholz steht man übrigens zur fernöstlichen Herkunft der Verstärker, die für den europäischen Markt durch die Hände eines Schweizer Röhrenexperten gehen, dort gegebenenfalls überarbeitet werden und schließlich bei Twinsound ihren klanglichen Feinschliff erhalten – Gitarren- wie HiFi-Verstärker, womit wir beim CST 100 Mk II wären. Dieser Vollröhrenverstärker aus chinesischer Produktion ist ein durchweg altmodischer Amp im besten Sinne des Wortes. Innovation gibt es woanders – wobei die letzten bahnbrechenden Entwicklungen im Themenbereich Röhrenverstärker ohnehin vermutlich vor über 50 Jahren stattgefunden haben dürften. Angelehnt an die Musikerverstärker kümmert man sich bei Twinsound mehr um Leistung als um die letzte Feinsinnigkeit – im Messlabor ließen mich die sauberen 40 Watt pro Kanal, die der Twinsound an die Klemmen wuchtet, einigermaßen verblüfft aus der Wäsche gucken. Mit „sauber“ meine ich eine Messung mit maximal 0,7 Prozent Gesamtklirr – ein Wert, den wir üblicherweise für Transistorverstärker verwenden, so gut wie nie für eine Röhre. Auch die anderen Messwerte können durchweg überzeugen – beim Frequenzgang, der sich hinter den Ausgangsübertragern bis fast 100 Kilohertz erstreckt, hat man in der vorverstärkenden Schaltung ein bisschen nachgeholfen, aber das ist legitim. Vom Dämpfungsfaktor wollen wir einmal dezent schweigen – der ist zwar schon besser als bei Single-Ended- Amps, von einer wirklichen Kontrolle kritischer Lautsprecher wollen wir aber lieber nicht reden. Löblich dagegen die fast perfekte Kanalgleichheit – an dieser Stelle des Messparcours haben wir schon von weitaus renommierteren Herstellern Abweichungen von mehr als einem halben Dezibel gesehen! Wie erwartet, zeigt der Blick ins Innere des CST 100 MKII keine bahnbrechenden Neuerungen. Trafo und Ausgangsübertrager sind mehr als anständig dimensioniert und qualitativ sehr ordentlich, die Schaltung befindet sich größtenteils auf Platine, teilweise wurde auch frei verdrahtet. Lötungen, Röhrensockel, Bauteiledimensionen – alles sieht anständig und solide aus. Als kleines Zugeständnis an die Moderne hat man eine relaisgesteuerte Einschaltverzögerung ins Netzteil gebaut, das die Gleichrichtung der Hochspannung mit Halbleitern erledigt. Der Ruhestrom der Endröhren lässt sich sehr feinfühlig über Spindelpotentiometer einstellen – unser Testgerät gab zu einer Neujustage aber keinerlei Anlass. Apropos Endröhren: Die KT88, die ursprünglich in diesem Twinsound-Modell verbaut war, hat man ganz aktuell gegen die 6550 getauscht – übrigens von Svetlana aus St. Petersburg. Hier schließt sich der Kreis wieder: Auf der Svetlana-Webseite wird die SV6550C, so die offizielle Typenbezeichnung, als Leistungsröhre für HiFi- und Gitarrenverstärker vorgestellt. Die insgesamt vier Endröhren arbeiten paarweise im Push-Pull-Betrieb, was zu einer gegenüber der KT88 leicht gesunkenen Leistung führt, aber immer noch gut für 40 Watt pro Kanal ist. Die Vorverstärkung erfolgt zweistufig: Das Eingangssignal läuft pro Kanal über ein System einer Doppeltriode vom Typ 6N9P, um dann in je einer 6N8P als Phasenumkehrstufe auf die beiden 6550 aufgteteilt zu werden. Der vorhin erwähnte Tausch des Röhrentyps in der Endstufensektion ist mir im Übrigen nicht unsympathisch – ich persönlich fand die KT88 immer etwas zu glatt und unpersönlich. Dass man das weder der 6550 noch dem umgebenden Verstärker nachsagen kann, bringt der Twinsound sofort auf den Punkt. Dieser Verstärker ist nicht audiophil, weder im positiven noch im negativen Sinne. Das bedeutet, dass er sich nicht lange mit der Suche nach dem Zirpen der feinen Details aufhält, sondern auf einen Schlag den großen musikalischen Zusammenhang ins rechte Licht rückt: Der Sänger steht vorne, die Gitarristen rechts und links daneben und dahinter, wenn auch nicht allzu weit vom Rest der Band entfernt, der Bassmann und das Schlagzeug. Sinngemäß gilt diese kompakte Räumlichkeit auch für andere Besetzungen – dennoch ist und bleibt der Twinsound am allermeisten ein Rocker, der sich mit Verve und Kraft ins Getümmel stürzt – gerade bei packende Live-Aufnahmen meint man, dass neben pumpenden Bassdrums und rotzigen Gitarren auch ein leichter Hauch von Schweiß aus den Boxen dringt. Damit löst der Twinsound unseren 400-Euro-Altrocker Dynavox VR70- E2 auf dem Thron der Amps für härtere Gangarten ab – die Krone gebührt ab jetzt dem Twinsound, der im Bass präziser und druckvoller agiert und am entgegengesetzten Rand des Spektrums im wahrsten Sinne des Worts noch mehr glänzt. Nachdem der CST 100 MK II nun sein Revier abgesteckt hat, könnten wir die Sache natürlich auf sich beruhen lassen – das hieße aber dem Gerät und dem Hörer nicht gerecht werden, die beide eine größere Vielfalt erwarten können. Auch wenn es im ersten Moment schwerfällt, die Rockabteilung zu verlassen: Es folgt der Griff in die Klassik-Plattenkiste – und siehe da: Das geht um einiges besser als erwartet. Zwar präferiert der Twinsound auch in Sachen Orchestermusik zupackendere Stücke – eine ungarische Rhapsodie von Franz Liszt oder Tschaikowskys Klavierkonzert Nummer 1 gehen schon richtig gut – große Orchester kommen als organische Klangkörper mit viel Leben und Dynamik daher, während die Feinauflösung der individuellen Stimmen deutlich besser gelingt als erwartet. Bei elegischeren Stücken – es ist schwer zu beschreiben – scheint sich der Twinsound etwas unterfordert zu fühlen, man meint fast, ihn mit den Hufen scharren zu sehen, während er auf den nächsten Angriff wartet. Wenn dann aber der kleinste Anflug von Dynamik ansteht, packt er mit einer Freude und Energie zu, die ihresgleichen sucht. Nach einer kurzen Eingewöhnungsphase hat man sich an das Energiebündel und seinen zupackenden Charakter gewöhnt – dann ist die Musikrichtung, die man wählt, völlig egal, es gilt die Faustregel: Je mehr Spaß und Schwung die Musiker bei der Aufnahme hatten, desto mehr davon kommt auch im Hörraum an. In Sachen Boxenauswahl ist der CST 100 MK II recht genügsam. Ein paar Kriterien muss man einhalten, das heißt: Impedanz nicht unter 4 Ohm, Wirkungsgrad ab 85 Dezibel und ein vielleicht nicht allzu abenteuerlicher Impedanzverlauf, dann klappt das Zusammenspiel mit diesem Röhrenverstärker auf jeden Fall: Musik soll ja schließlich Spaß machen und diese Übung beherrscht der Twinsound aus dem Effeff.
Fazit
Günstige Fertigung in Fernost, eine vernünftige Bauteilequalität, ein gutes Händchen bei der Abstimmung – fertig ist ein wirklich preiswerter Röhrenverstärker, der vor allem bei dynamischer Musik voll aufblüht und den meisten audiophilen Geräten zeigt, wie man richtig rockt. Das mit dem Gitarrenverstärker als Einstieg hat jedenfalls gut geklappt.