Wenn die dunkle Jahreszeit auf dem Vormarsch ist, sehnt sich der HiFi-Fan verstärkt nach dem heimeligen Glühen von Heizfäden. Mystère hätte für solche Sehnsüchte ein exzellentes Angebot in petto
Mitspieler
Plattenspieler:
Transrotor Fat Bob / Reed 3p / Lyra Atlas
Clearaudio Master Innovation / TT2 / Goldfinger
Phonovorstufen:
Audio Research Reference Phono 2 SE
MalValve preamp three phono
Lautsprecher:
Audio Physic Avantera
Klipsch Palladium P-37F
Klang + Ton Nada
Zubehör:
Netzsynthesizer PS Audio P10
NF-Kabel von van den Hul und Transparent
Phonokabel van den Hul
Lautsprecherkabel von Transparent
Plattenwaschmaschine von Clearaudio
Gegenspieler
Vorstufen:
MalValve preamp four line
Lindemann 830S
Endverstärker:
Lindemann 858
Es gibt sie nur im schwarz glänzenden Lack-Outfit, in bleischwer und zu einem Preis von 1.850 respektive 2.600 Euro: Die Vorzeige-Verstärkerkombi des bei uns noch relativ unbekannten Herstellers Mystère hat vom ersten Anschein her auf alle Fälle das Zeug, bei Röhrenfans für Unruhe zu sorgen. Die Machart indes, nicht zuletzt die wirklich ausgezeichnete Verarbeitungsqualität, kommt uns ein wenig bekannt vor, und dafür gibt’s gute Gründe: Hinter dem Markennamen Mystère steckt die holländische Firma Durob Audio, und die wiederum zeichnet auch für Prima Luna verantwortlich, einem anderen Label für Röhrenverstärker, mit dem wir schon exzellente Erfahrungen gesammelt haben.
Wenn man noch ein bisschen tiefer gräbt, stößt man auch noch auf Melody und Genesis (ja genau, die mit den großen Lautsprechern) – all deren Röhrenverstärker stammen letztendlich aus ein und derselben Fabrik im Reich der Mitte. Das ist allerdings beileibe keine billige Zulieferklitsche, sondern ein auf hochwertige Produkte dieser Art spezialisiertes Unternehmen, das streng nach Kundenwunsch fertigt. Wünsche hatte der Kunde in diesem Fall offensichtlich eine Menge, wie schon die äußerst ansprechende Gestaltung der beiden Geräte zeigt: Das schwarze Hochglanzfinish sieht klasse aus, die geschwungenen Fronten ebenfalls, das Sahnehäubchen sind die beiden „Sahnehauben“. Die Abdeckungen für die glimmenden Hauptdarsteller passen sich hier nämlich so gut ins Gesamtkonzept ein, dass man sie ausnahmsweise auch mal an Ort und Stelle lassen könnte. Beide Geräte sehen sich optisch sehr ähnlich, was daran liegt, dass sie auf dem gleichen Chassis aufgebaut sind: Hinter den Abdeckblechen gibt’s jeweils drei dicke Induktivitäten zu bestaunen, die zum respektablen Gewicht der Geräte reichlich beitragen: 20 Kilogramm bringt die Vorstufe CA 21 auf die Waage, 27 die Endstufe CP 21. Bei einem Endverstärker ist die Sache mit den drei Trafos einsichtig: Ein Netztrafo und zwei Ausgangsübertrager sind unabdingbar. Bei der Vorstufe indes liegen die Dinge anders: Neben dem mittig angeordneten Versorgungstrafo gibt’s zwei in Reihe geschaltete dicke Drosseln, die für die Siebung der Röhrenbetriebsspannung zuständig sind. Auch auf der Front der CP 21 findet sich durchaus Überraschendes: Ein Drehschalter wählt einen von vier Hochpegeleingängen an, ein zweiter dient der Lautstärkeeinstellung – jawohl, hier werden jede Menge Festwiderstände geschaltet, um eine 24-stufige Pegeleinstellung zu realisieren. Allerdings will ich nicht verhehlen, dass mein Vertrauen in die Langlebigkeit dieses Schalters Grenzen hat – er fühlt und hört sich schon jetzt ein wenig „unglücklich“ an. Zum offensichtlich aufwendigen Stromversorgungskonzept gehört die mittlere der fünf Röhren, die sich nach dem Entfernen der Abdeckung auf der Chassisoberseite zeigen: Es handelt sich nämlich um eine Gleichrichterröhre vom Typ 5AR4. Hier geht man also den althergebrachten Weg und gönnt der Anodenspannung eine „richtige“ klassische Versorgung – aufwendig, aber nicht unbedingt eine schlechte Idee. Die anderen vier Röhren sind übrigens Oktal-Doppeltrioden vom Typ 6SN7. Da sie, wie die Gleichrichterröhre auch, mit „Mystère“ gestempelt sind, dürfen wir mal auf aktuelle fernöstliche Fertigung tippen. Das mit den zwei Röhren pro Kanal realisierte Schaltungskonzept ist ein sehr leistungsfähiges und kommt prinzipiell – allerdings vollsymmetrisch und mit deutlich mehr Aufwand im Detail – auch bei unserer Vorstufen-Hausreferenz, dem „preamp four line“ von MalValve zum Einsatz: Zwei Triodensysteme bilden eine SRPP-Stufe zur Spannungsverstärkung, die beiden anderen einen nachgeschalteten White-Kathodenfolger, der für eine niedrige Ausgangsimpedanz sorgt. So weit die Theorie, die Praxis findet unter dem Bodenblech statt – und wie: Zum Vorschein kommt ein blitzblanker platinenloser Aufbau mit fein säuberlich verdrillten Versorgungsleitungen, einem durchdachten Layout und hochwertigen Bauteilen. Die Röhren stecken in stramm sitzenden Keramiksockeln, neben gescheiten Folienkondensatoren finden sich sogar zwei voluminöse Ölpapierkondensatoren japanischer Provenienz. Die Anschlussbuchsen sind fest mit der Geräterückwand verschraubt, zeigen allerdings bereits jetzt erste Korrosionserscheinungen; bei der Oberflächenvergütung hätte der Hersteller gerne ein paar Cent mehr ausgeben dürfen. Die Endstufe ist ein klassisches Gegentakt- Design und bezieht ihre knapp 50 Watt Leistung pro Kanal aus zwei EL34. Russische Ware, eine solide Wahl. Davor gibt’s auf jeder Seite wiederum zwei Stück der schon aus der Vorstufe bekannten 6SN7 mit dem charakteristischen Stonehenge- Logo, das Mystère als „Gesicht“ der Marke auserkoren hat. Die Spannungsverstärkung besorgt abermals eine „Shunt Regulated Push Pull“ (SRPP)-Stufe, für die Verteilung des Signals auf die Endröhren und das Bereitstellen des nötigen phasengedrehten Signals sorgt ein Differenzverstärker aus den beiden anderen Triodensystemen. Die Endröhren laufen, und das ist ungewöhnlich, im Pentodenbetrieb. Es gibt also keine Ultralinearanzapfungen am Ausgangsübertrager, auch keinen erzwungenen Triodenbetrieb. Vorteil dieser Variante: Die Endröhren müssen relativ wenig Verlustleistung loswerden und dürften relativ lang halten. Dazu werden auch die drei kleinen Platinen im Geräteinneren beitragen: Sie bilden die automatische Ruhestromregelung. Bei dieser Endstufe gibt’s also mal nichts einzustellen. Mit einer Ausnahme: Man kann die CP 21 wahlweise nämlich auch mit Endröhren vom Typ KT88 bestücken. Das verspricht noch etwas mehr Leistung und ein etwas anderes Klangbild. Zwischen beiden Endröhrentypen wird per Wippschalter auf der linken Gehäuseseite gewählt, der Netzschalter sitzt auf der rechten. Für sehr glücklich erachte ich diese Lösung nicht, Verwechslungen sind hier definitiv vorprogrammiert. Der Blick ins Geräteinnere offenbart ähnlich Erfreuliches wie die Vorstufe: ein bis auf die adaptive Ruhestromregelung frei verdrahteter Aufbau vom Feinsten, gute passive Bauteile, durchdachte Signalführung. Die Röhren der Vor- und Endstufenstufensektion werden übrigens mit Gleichspannung geheizt, und zwar konsequent getrennt. Insgesamt vier Halbleitergleichrichter im Verbund mit ein paar dicken Elkos sorgen für diesbezüglich geordnete Verhältnisse. Ähnlich wurde das Thema übrigens auch in der Vorstufe abgehandelt. Die Ausgangsübertrager der CP 21 sind mit den üblichen zwei Anzapfungen ausgestattet und erlauben den Anschluss von Lautsprechern mit einer Nennimpedanz von acht oder vier Ohm. Wieder einmal ist die Acht-Ohm-Wicklung diejenige, die man auf alle Fälle ausprobieren sollte, mit großer Wahrscheinlichkeit klingt’s hier am besten. Das liegt daran, dass das Signal für die Gegenkopplung an dieser Stelle abgegriffen wird; es wird also die Signalspannung genau an diesem Punkt korrigiert und natürlich ist es von Vorteil, wenn der Lautsprecher eben dort angeschlossen ist. Das geschieht übrigens über die üblichen ungeniert bei WBT kopierten Klemmen überschaubarer Qualität, auch hier zeigen die beiden Cinch-Eingangsbuchsen erste Korrosionserscheinungen. Solcherlei Kleinigkeiten dürfen stören, müssen es aber nicht. Beim Musikhören mit den beiden Multikulti-Beaus interessiert sich nach kürzester Zeit sowieso keiner mehr für so etwas. Sondern vielmehr für den satten, aber quicklebendigen Sound der beiden Geräte. Auf dem Teller rotiert das ausgezeichnete letzte Lambchop-Album „Mr. M“ und zeigt, wie der Wohlfühl-Pop von Kurt Wagner und seinen Mannen klingen muss: eindringlich, gefühlvoll und sanft. Die Mystère-Kombi macht das mit Bravour, leugnet die Natur ihrer Verstärkerelemente aber keinesfalls: Jawohl, diese Kombi liegt ein wenig auf der schönen Seite des klanglichen Erlebens. In der Praxis macht der Lautstärkesteller dadurch auf sich aufmerksam, dass seine Charakteristik ein wenig forsch geriet. Das heißt: Auch an nicht allzu wirkungsgradstarken Lautsprechern hat man mit den unteren acht Schalterstellungen den sinnvoll nutzbaren Bereich durchlaufen, danach wird’s reichlich laut. Wenn man einen ernsthaft lauten Lautsprecher anschließt – was bei diesen Verstärkern keine schlechte Idee ist – dann sinkt die Anzahl noch weiter, die Feinfühligeit der Einstellung leidet noch mehr. Kein Beinbruch, aber eine geänderte Dimensionierung des Pegelstellers scheint angeraten. Der Tieftonbereich der Kombi lebt von einem druckvollen und farbstarken Oberbassbereich, der das Geschehen mitunter ein wenig wohlig-wärmer erscheinen lässt, als es die reine Lehre diktieren würde. Das ficht uns nicht an, so wir denn einfach eine gute Platte auflegen, im Sessel Platz nehmen, die Augen schließen und einfach nur entspannt Musik hören wollen. Das geht mit dem butterweichen „Nice Without Mercy“ von besagtem Lambchop-Album ganz ausgezeichnet, der Titel zwingt uns förmlich tiefer in die Kissen. Wir freuen uns über die schön präzise mittig und tief gestaffelte Stimme, ein weit über die Lautsprecherebene hinaus aufgefächertes Instrumentarium und eben dieses unglaublich angenehme Timbre. Dass „angenehm“ keinesfalls „zahnlos“ bedeuten muss, beweist der unvergessene Townes Van Zandt mit der 1997er-Retrospektive „Documentary“ höchst eindrücklich. Das bittere „Marie“ offenbart all die Hoffnungslosigkeit, Zerbrechlichkeit und Ungeschliffenheit, die dieser Musik zu eigen ist. Es klingt zwar nicht kratzig und kantig, aber eindringlich, bedeutungsschwanger und ungeheuer traurig – genau so soll das sein. Der Anfang des darauffolgenden „The Hole“ zeigt die Qualitäten des Bassbereichs der Kombi: Der Körper der akustischen Gitarre tönt voll, farbig und überzeugend – große Klasse. CA 21 und CP 21 zeichnen den natürlichen Hall der Live-Aufnahme überzeugend und präzise nach und unterscheiden überaus deutlich zwischen dem Mikrofon für die Gesangsstimme und dem Tonabnehmer in der Gitarre; zwei akustische Welten, die hier trotzdem zu einem überzeugenden Ganzen verschmelzen. Betrachtet man Vor- und Endstufe getrennt, offenbaren sich zwei leicht unterschiedliche Charaktere. Fürs Warme und „Röhrige“ ist eindeutig die Endstufe verantwortlich; tatsächlich habe ich selten eine EL34-Gegentaktendstufe gehört, die so deutlich nach Röhre klingen wollte. Die Vorstufe indes ist ein anderes Kaliber: sicherlich auch keine ausgemachte Analysemaschine, aber mit geschmeidigzackigem Charakter; schnell, farbig, schlüssig und niemals nervig. Ich halte sie für die stärkere der beiden Komponenten; der leuchtend-anheimelnden Faszination der Kombination mit der hauseigenen Endstufe tut das keinerlei Abbruch.
Fazit
So geht Röhre: Die beiden Mystère-Geräte sind „richtige“ Röhrenverstärker: glut- und gehaltvoll, kräftig und ein bisschen zu schön. Aber schließlich ist ja bald Weihnachten, da passt das perfekt.