Hans Ole Vitus hat seine neue Phonovorstufe fertig – endlich. Versprochen hat er mir das Gerät schon vor drei Jahren, aber gut Ding will ja bekanntlich Weile haben
Mitspieler
Plattenspieler:
Kuzma Stabi M / 4point / Lyra Atlas
Clearaudio Master Innovation / TT2 / Goldfinger
Vorstufen:
Rogue Audo Ninety Nine
Lindemann 830S
Endverstärker:
Rogue Audio Stereo 90
Lindemann 858
Lautsprecher:
Audio Physic Avantera
Klang + Ton Nada
Zubehör:
Netzsynthesizer PS Audio P10
NF-Kabel von van den Hul und Transparent
Phonokabel van den Hul
Lautsprecherkabel von Transparent
Plattenwaschmaschine von Clearaudio
Gegenspieler
Phonovorstufen:
MalValve preamp three phono
Joachim Gerhard „Nobrainer” Prototyp
Sie heißt „RP-101“ und entstammt der „Reference“-Baureihe. Wer nun der Meinung ist, dass wir uns damit am oberen Ende der Produkthierarchie des dänischen Herstellers Vitus Audio bewegen, der irrt gründlich.
Vielmehr ist „Reference“ ausgerechnet die kleinste der mittlerweile vier Produktfamilien. Darüber gibt’s noch „Signature“, „Masterpiece“ und „Design Studio“. Zu Letzterer ist wenig in Erfahrung zu bringen, so geheim und exklusiv sind die Geräte – und nur auf Bestellung erhältlich. Die „Masterpiece“-Serie ist das, was ich bereits als den Gipfel des Wahnsinns bezeichnen würde. Davon konnten wir uns bereits selbst überzeugen, war die zweiteilige Über-Phonovorstufe MP-P201 doch schon bei uns zu Gast. Deren Abgang war einer der schmerzhafteren, in Anbetracht eines Verkaufspreises von 40.000 Euro (anno 2010) aber unvermeidlich. Die RP-101 ist also die neue Einsteiger- Phono von Hans Ole Vitus. Und kostet deshalb vergleichsweise bescheidene 10.000 Euro. Und sie ist angetreten, einen möglichst großen Teil des immensen klanglichen Potenzials der MP-P201 von einer pathologischen in eine „nur“ unbezahlbare Klasse hinüberzuretten. Den direkten Vergleich habe ich leider nicht, aber eine Menge toller Erinnerungen an die große Vitus – das wird also garantiert ein völlig unfairer Vergleich. Der RP-101 ist Nachfolger des RP-100, der eines der ersten Geräte von Vitus Audio überhaupt war und 2003 vorgestellt wurde. Die Besonderheit daran und an der passenden Line-Vorstufe RL-100 war der Umstand, dass die Geräte per Akku gespeist wurden. Mittlerweile hat man in Sachen Netzteil Fortschritte gemacht, der RP-101 wird direkt aus dem Lichtnetz versorgt. Optisch ist er ganz Vitus, das Design mit zwei massiven Aluminium-Paneelen, die eine schwarze Acrylplatte einrahmen gibt’s bei jedem Gerät aus diesem Hause. „Sparsamkeit“ ist beim RP-101 nur darin zu erkennen, dass das Gehäuse nicht ganz so hoch baut wie bei anderen Geräten. Für die Bedienung sind drei Taster links, drei Taster rechts und ein orangefarben leuchtendes Klartext-Display zuständig. Damit kann man eine ganze Menge Dinge anstellen: Die Verstärkung zwischen MM- (48 Dezibel) und MC-Betrieb (72 Dezibel) umschalten, die Eingangsimpedanz in 15 (MM) respektive 23 Stufen (MC) zwischen 40 Ohm und 47 Kiloohm umschalten, einen der beiden Eingänge anwählen, die Ausgänge stumm schalten oder das Gerät schlafen schicken. Das ist der Normalbetrieb, es gibt auch noch ein weiterführendes Einstellmenü, mit dem sich die Displayhelligkeit variieren lässt, die beiden Ausgänge konfigurieren und diverse andere Dinge, die man heutzutage im Zeitalter der Mikrocontrollersteuerung so hat. Was mir fehlt: ein wenig mehr Flexibilität bei der Wahl der Verstärkung und eine Fernbedienung, mit der sich die Eingangsimpedanzen vom Sessel aus umschalten lassen. Jene soll‘s gerüchteweise aber gegen Aufpreis geben. Eine ein wenig intuitivere Menüführung wäre auch ganz nett, aber das ist Jammern auf hohem Niveau. Auf der Rückseite gibt‘s zwei Ein- und zwei Ausgänge, jeweils entweder im Cinch- oder XLR-Format. Das legt einen vollsymmetrischen Aufbau nahe, aber das täuscht: Die XLR-Anschlüsse sind unsymmetrisch beschaltet. Eine Netzanschlussbuchse gibt‘s nicht, dafür aber einen vielpoligen Verbinder, der dem Anschluss der externen Versorgungseinheit dient. Die nehmen wir mal zuerst in Augenschein und versuchen zu ergründen, was Hans Ole Vitus angestellt hat, um eine Akkuversorgung zu schlagen. Im separaten Druckgussabteil finden sich drei kleine Ringkerntrafos, diverse Gleichrichter und zwei Siebelkos. Damit werden kanalgetrennte Betriebsspannungen für die Verstärkerstufen und „Saft“ für den Steuerteil erzeugt. Das Gerät selbst zeigt einen absolut mustergültigen Aufbau. In der Tat dient ein großer Teil des getriebenen Aufwandes der Stromversorgung: Die ankommenden Rohspannungen werden von diversen Elkos und insgesamt neun Spannungsregelschaltungen „begrüßt“, bevor es weiter auf die Hauptplatine geht. Dort gibt‘s ein weiteres Mal große Elkos, womit wir bei insgesamt 15 dicken Bechern vom Spezialisten Elna landen. Nach einem gehörigen Respektabstand gibt‘s nochmals diverse Spannungsregler, Mengen von Relais zur Umschaltung der diversen Betriebszustände und endlich – die Verstärker selbst. Diese nun reduzieren sich lediglich auf zwei Module, die in schirmenden Weißblechgehäusen stecken und deren Inhalt selbstredend vergossen ist. Ein solches Modul übernimmt die komplette Signalverstärkung inklusive Entzerrung, und ich habe beim besten Willen keine Idee, was Hans Ole Vitus alles in die kleinen Schachteln gepackt hat. Das, was man durch die Vergussmasse erkennen kann, ist jedenfalls unmöglich alles. Winzige SMD-Teile? Definitiv. Diskreter Aufbau? Höchstwahrscheinlich. Koppelkondensatoren? Maximal einer, da schimmert ein Mundorf-Schriftzug durch. Im Wesentlichen war‘s das. Von der hinter der Front angeordneten Platine mit der „bösen“ Steuerelektronik abgesehen. Zur Reduzierung möglicher Störkomponenten wird das Display übrigens grundsätzlich abgeschaltet, nachdem es eine Funktion quittiert hat. Beim Anschluss gibt‘s naturgemäß nicht viel falsch zu machen. Wir wählten von vornherein die Cinch-Anschlüsse, und tatsächlich waren auch keine nennenswerten klanglichen Unterschiede zum XLR-Betrieb auszumachen. Eine Vorstufe mit einfach umzuschaltender Eingangsimpedanz ist eine feine Sache, erleichtert sie das Auffinden des korrekten Tonabnehmerabschlusses eindeutig. Bei der Vitus wäre mir eine etwas kürzere Stummschaltzeit beim Wechseln der Werte lieber, das würde den direkten Vergleich erleichtern. Letztlich landete ich mit dem Lyra Atlas bei etwas höheren Werten als gewöhnlich: Mit 300 Ohm erschienen mir tonale und dynamische Balance optimal. Neil Young bekommt so etwas mehr Ausdruck in der Stimme, der Raum wirkt etwas größer und souveräner ausgeleuchtet als bei 110 Ohm, meinem „Startwert“. Der RP-101 hat übrigens nicht die leisesten Probleme damit, solcherlei Tun hörbar zu machen. Auch die „kleine“ Vitus-Phonovorstufe ist ein Musterbeispiel an Durchhörbarkeit und Klarheit und kriecht auflösungsmäßig in jede noch so kleine Ecke. Ruhestrom fließt auch hier, es gibt definitiv die typische Geschmeidigkeit im Class- A-Betrieb arbeitender Verstärkerstufen. Die RP-101 spielt herrlich unkompliziert drauflos; ich bin mir ganz sicher, dass sich hier auch das reduzierte Schaltungskonzept auszahlt. Wir hören Ryan Adams mit „Twenty Nine“ vom gleichnamigen Album und haben enorm Spaß am wunderbar treibenden Rhythmus, der Fuß tut genau das, was er soll, nämlich wippen. Der radikale Tempowechsel zu „Strawberry Wine“ gelingt ebenfalls, die sanfte Schrammelnummer transportiert überaus überzeugende Lagerfeuerromantik. Mit ihrer unbedingten Geschlossenheit und Variabilität ist die RP-101 auf alle Fälle eine exzellente Phonovorstufe – auch wenn sie „nur“ das Einstiegsangebot von Vitus Audio darstellt.
Fazit
Vitus‘ kleine Phonovorstufe ist da, wo andere Hersteller gerne mit ihren Topmodellen wären: supergeschmeidige Gangart, korrekte Tonalität, dynamische Variabilität. Großartig!