Einen ausgewachsenen Phono-Zweiteiler mit Röhrenausgangsstufe für 500 Euro? Sowas gibt‘s neuerdings von Vincent
Mitspieler
Plattenspieler:
Transrotor Fat Bob / Reed 3p
Clearaudio Master Innovation / Universal
Tonabnehmer:
Transrotor Merlo Reference
Lyra Atlas
Benz ACE L
Goldring 2500
Clearaudio Maestro Wood
Phonovorstufen:
MalValve preamp three phono
Audio Research Preference Phono 10
Vollverstärker:
Accuphase E-260
Unison Simply Italy
Pioneer A-70
Lautsprecher:
Audio Physic Classic 20
Klang + Ton Phi
Zubehör:
Netzsynthesizer PS Audio P10
NF-Kabel von van den Hul und Transparent
Phonokabel van den Hul
Lautsprecherkabel von Transparent
Plattenwaschmaschine von Clearaudio
Gegenspieler
Phonovorstufen:
MalValve preamp three phono
Audio Research Preference Phono 10
Den hatten wir länger nicht, den in Baden-Baden ansässigen Hersteller tönenden Equipments – da kam uns die nagelneue Phonovorstufe PHO-700 gerade recht. Zumal sie den Anschein macht, als ob sie mit einem gesunden Maß an Vernunft auf den Weg gebracht wurde: 500 Euro sind ein verträglicher Preisrahmen und dafür wird einiges geboten.
Die Gene des Gerätes dürften bei einem Modell namens „PHO-8“ liegen, das in ähnlicher Manier zweiteilig aufgebaut ist, allerdings etwas kompakter baut und optisch einer anderen Vincent-Baureihe zugehörig ist. Zudem hat der PHO-8 eins nicht: das „Bullauge“ auf der Front des Verstärkerteils des PHO-700, hinter dem eine Doppeltriode stolz ihr Antlitz zur Schau stellt. Über derlei Luxus verfügt das zweite identisch große Gehäuse nicht. Es ist mit „PHO-700ps“ betitelt, was natürlich für „Power Supply“ steht – hier ist die Stromversorgung untergebracht. Die Verbindung zwischen beiden Komponenten besorgt ein rund zwei Meter langes Kabel, das beidseitig mit Computersteckverbindern vom Typ „Sub-D neunpolig“ konfektioniert ist. Somit kann man das Netzteil also ziemlich weit vom empfindlichen Verstärkerteil platzieren und sogar verstecken – wenn da nicht der Netzschalter auf der Rückseite der Versorgung wäre. Das Gerät verbraucht rund acht Watt; zumindest in Anbetracht der nicht unbegrenzten Röhrenlebensdauer halte ich den permanenten Betrieb nicht für empfehlenswert. Der PHO-700 bedient sowohl MM- als auch MC-Abtaster. Zwischen beiden Betriebsarten wird mit einem Schalter auf der Rückseite des Verstärkers umgeschaltet. Die Verstärkungsfaktoren sind in beiden Fällen praxisgerecht. In Sachen Eingangsimpedanz ist man auf fixe Werte angewiesen: MM-Abtaster werden mit den üblichen 47 Kiloohm abgeschlossen, MC-Tonabnehmer mit 100 Ohm. Unserer Erfahrung nach ist das für sehr viele Tonabnehmer ein geeigneter Wert, von daher sollte das Nichtvorhandensein einer Auswahlmöglichkeit zu verschmerzen sein. Ein Schiebeschalter mit vier Stellungen bedient ein besonderes Feature des PHO- 700: Die Röhre verfügt über eine Hintergrundbeleuchtung mit sechs orange-roten Leuchtdioden, deren Helligkeit sich damit variieren und auch abschalten lässt. Werfen wir einen Blick unters solide Stahlblechkleid des Verstärkerteils: Den größten Teil des Jobs macht eine doppelseitige Platine, auf der vier Operationsverstärker von zentraler Bedeutung sind: Sie teilen sich Verstärkung und Entzerrung des Phonosignals. Dabei kommen absolut anständige Typen von Burr-Brown zum Einsatz, auch die passiven Bauteile machen keinen schlechten Eindruck: Polypropylentypen von Wima als Koppelkondensatoren, Nichicon-Elkos, Metallfilmwiderstände – das ist alles sehr okay. Und wie war das nun mit der Röhre? Nur schöner Schein? Durchaus nicht: Sie bildet die letzte Stufe vor den Ausgangsbuchsen, muss aber nicht mehr verstärken. Sie wäre technisch nicht nötig gewesen, soll aber für ein bisschen „Röhrenflair“ im Klangbild sorgen. Zu diesem Zweck ist eins der Triodensysteme in der eingesetzten ECC82 für jeden Kanal zuständig. Die Röhre entstammt chinesischer Fertigung, was nichts Schlechtes bedeuten muss. Bei der Beschaltung der Doppeltriode ändert sich übrigens auch das Bild bei den passiven Bauteilen: Hier kommen nämlich Kohleschichtwiderstände zum Zuge, wie man das früher im Röhrenzeitalter auch hatte. Wenden wir uns dem Netzteil zu. Das ist eine Überraschung. Hier steckt nämlich weit mehr Aufwand, als man hätte vermuten können. Dabei mutet der Trafo hinter der Gerätefront noch ganz normal an, die prall gefüllte Netzteilplatine allerdings nicht: Eine Vielzahl von elektronischen Stabilisierungen sorgt für unter allen Bedingungen saubere Betriebsspannungen. Das betrifft sowohl die Versorgung der Operationsverstäker, die Hochspannung für die Röhre, deren Heizung und mindestens eine weitere Spannung. Das ist ziemlich kompromisslos gemacht und deshalb sehr erfreulich. Und damit ist noch nicht Schluss in Sachen Stromversorgung: Die Versorgungen der Operationsverstärker werden auf der Verstärkerplatine nochmals mit zwei Reglern „nachbehandelt“, so dass sich hier bestimmt kein Ungemach mehr einschleichen kann. Sicherlich der Röhrenausgangsstufe geschuldet ist das Vorhandensein einer Einschaltverzögerung, die das Ausgangssignal des Gerätes erst dann per Relais freigibt, wenn die Röhre ihren Arbeitspunkt erreicht hat. Verbinden wir den Vincent zunächst mit dem Transrotor Merlo Reference, geführt von einem langen SME-Arm; diese Kombi hat sich bei uns sehr bewährt und klingt ausgezeichnet. Ganz schnell war klar, dass der PHO-700 durchaus ein Geselle mit Charakter ist: Das Maschinchen liefert ein ausgesprochen kerniges und kräftiges Klangbild. Und so steigt der Transrotor die Kellertreppe noch eine Stufe tiefer hinab als üblich und verwöhnt mit satten Konturen und toller Durchzeichnung im Bass. Abermals darf ich „The XX“ bemühen, deren aktuelles Album „Coexist“ einfach perfektes Material für die Beurteilung dieser Dinge liefert. Der Vincent nimmt die synthetisch erzeugten Bassgewitter mit Nachdruck und Farbe – sehr schön. Ich würde mir am anderen Ende des Spektrums vielleicht einen Hauch mehr Spritzigkeit wünschen, und hier sind wir vermutlich mit der fixen 100-Ohm-Anpassung konfrontiert: Normalerweise würde ich jetzt mal kurz 200 oder 470 Ohm probieren, geht aber nicht. Was es jedenfalls nicht auszumachen gibt, ist irgendwas „typisch Röhriges“. Im Gegenteil: Die Vincent spielt äußerst geradlinig und direkt. Sie möchten mal so richtig die Schuhe ausgezogen kriegen? Ich empfehle „Bob Log III“ mit „Goddamn Sounds Good“ – das geht wie der Teufel, und der Wunsch nach noch größeren Tieftonmembranen ist nur schwer zu unterdrücken. Okay, probieren wir mal den totalen Overkill und verbinden den Vincent mit dem Lyra Atlas. Gibt‘s nennenswerte Unterschiede zum Merlo Reference? Jawohl. Allerdings sind sie beileibe nicht so gewaltig, wie die Preisdifferenz es hätte erwarten lassen. In Sachen Hochtonpegel passt das Lyra etwas besser, es liefert merklich mehr Luft oben heraus. Das gibt Stimmen mehr Schmelz und Überzeugungskraft, wie der jüngst wiederveröffentlichte Rickie Lee Jones-Erstling ohrenfällig macht: „Coolsville“ ist nur dann so richtig großartig, wenn‘s ganz knapp an der Grenze zum „Zuviel“ tönt und Miss Jones meisterlich auf der Kante des Erträglichen balanciert – sowohl stimmlich als auch auf dem Klavier. Das geht hier ganz wunderbar. Okay, funktioniert, aber niemand betreibt einen 9.000-Euro-Abtaster an so einer Vorstufe, und so habe ich einfach mal probiert, wie der Vincent sich denn mit MMs schlägt. Flugs das bewährte Goldring 2500 in den Reed 3p geschraubt und ... ungläubig gestaunt. Die beiden nämlich machen den Eindruck, als ob sie füreinander geschaffen wären: Der Klang bekommt eine selbstverständliche Verbindlichkeit, wirkt, obschon nicht so rabiat wie mit den sündteuren MCs, insgesamt besser ausbalanciert und auf eine intuitive Art „richtiger“. Das ist mal wieder einer dieser Fälle, wo ein Klangbild so richtig schön einrastet und die Lust zum Experimentieren schlagartig erlahmt. Ich hab‘s natürlich trotzdem getan, aber eine Erkenntnis bleibt: PHO-700 plus MM, das ist eine echte Hausnummer.
Fazit
Der Vincent-Zweiteiler ist eine angenehm bezahlbare und klanglich überaus kräftige Phonovorstufe, die eine merkliche Präferenz hat: Sie möchte mit MM-Abtastern spielen. Dann läuft sie zu großer Form auf.