Wenn es in dieser Branche einen Preis für die Politik der ruhigsten Hand geben würde, der kleine slowakische Hersteller Canor wäre ein ganz heißer Kandidat. Die Devise lautet: Gemessenen Schritts auf dem Weg nach ganz oben
Mitspieler
Plattenspieler:
Transrotor Fat Bob mit SME 3500
Acoustic Masterpiece T-01
Acoustic Solid 111 Metall
Tonabnehmer:
Ortofon MC30
Audio Technica AT20Sla, AT25
Van Den Hul The Condor
Phase Tech P-3G
Clearaudio Maestro V2
Verstärker:
Malvalve Preamp Four Line und Accustic Arts AMPII MK2
Symphonic Line RG14
Lautsprecher:
K+T Minimonitor TS
Progressive Audio Elise II
Gegenspieler
Phonoverstärker:
Cleauraudio Balance
Quad Twentyfour P
Bei Canor geht es nicht um das allenthalben zu beobachtende Abheben in Preisgefilde weit jenseits aller Gehälter von Normalsterblichen, sondern um die liebevolle Verfeinerung eines kleinen Sortiments bezahlbarer Geräte. Röhrenverstärker von Canor haben wir sporadisch immer mal wieder getestet – angefangen von einem hübschen, aber noch etwas unausgegorenen Vollverstärker in den Anfangszeiten der LP bis hin zu den kleinen Schwestermodellen der großen Phonostufe, die sich heute in unseren Räumlichkeiten eingefunden hat.
Den damals noch unter dem Namen Edgar geführten Röhrenverstärker würde man heute nicht mehr mit Canor in Verbindung bringen. Die barocke Formgebung mit vielen verchromten Flächen ist dem nüchtern-eleganten Stil aller aktuellen Geräte gewichen – die kleinen Skurrilitäten in der Bedienung einem klaren Konzept. Klanglich war das Gerät schon damals auf einem beachtlichen Niveau. Ohne es überprüft zu haben, behaupte ich jetzt mal ins Blaue hinein, dass sich auch da noch etwas getan hat. Einen großen Teil der Fertigungskapazität in der neu gebauten Canor-Fabrik nehmen dann auch OEM-Fertigungslinien für andere renommierte HiFi-Hersteller ein – eine bessere Visitenkarte gibt es wohl nicht. Aber nun ernsthaft zu unserem Testgerät, der größten von insgesamt drei verschiedenen Phonostufen aus dem Hause Canor. Alle drei arbeiten mit Röhren in der MM-Sektion, alle MC-fähigen Geräte nutzen einen Lundahl-Übertrager für die Vorverstärkung der niedrigen MC-Ausgangsspannung. Wie oben schon erwähnt ist der TP306 VR+ im jetzt schon klassischen Canor- Design gehalten – das bedeutet eine von einem geschwungenen Acrylstreifen aufgelockerte Aluminium-Frontplatte, die wir in Mattschwarz geordert haben – die Alternative heißt Mattweiß. Der Rest des Chassis ist aus gefalztem Stahlblech, das an allen Stoßkanten noch gschweißt wurde – sollte für die Ewigkeit halten. Bis auf die Fronten sind alle Metallflächen pulverbeschichtet und zwar auf eine Art und Weise, die auch hier großes Vertrauen in die Stabilität der Oberflächen schafft. Für einen Phonovorverstärker ist das ein schon ziemlich massives Gehäuse, das in der Breite zu den großen Komponenten aus eigenem Hause passt. Der Blick ins Innere – und natürlich in die technischen Angaben des Herstellers – verrät uns, dass der TP306 VR+ ein vollständig in Röhrentechnik aufgebauter Phono- Vorverstärker ist. Sogar die Gleichrichtung der Anodenspannung wird mit einer EZ81- Röhre erledigt, während man für die Stabilisierung der Heizspannung offensichtlich doch Halbleiter eingesetzt hat. Die Siebung der Hochspannung ist mehrstufig ausgelegt und sieht ziemlich aufwendig aus. Der Canor arbeitet ohne Gegenkopplung mit einer rein passiven RIAA-Entzerrung, die zweistufig ausgelegt ist – insgesamt vier 6SL7 übernehmen an dieser Stelle die Verstärkung. Zwei Doppeltrioden vom Typ 6922 sitzen in der Ausgangsstufe, die so ausreichend niederohmig für längere Kabelstrecken ist. Die eingesetzten Röhren werden beim Hersteller vor dem Einbau selektiert. Darauf kann man sich bei Geräten aus dem Haus Canor verlassen, hat man sich doch auch einen Namen mit den selbst gefertigten Röhrentestern gemacht, die inzwischen weltweit bei vielen wichtigen Herstellern eingesetzt werden. Gegenüber dem kleinen Phonoverstärker TP206 erlaubt der 306 durch seine deutlich aufwendigere Schaltung deutlich mehr Anpassungsmöglichkeiten an den angeschlossenen Tonabehmer. Das „+“-Modell signalisierte die gegenüber dem inzwischen nicht mehr gefertigten normalen TP306 die Verwendung hochwertiger Mundorf- Kondensatoren im Signalweg – schön, dass so etwas jetzt ganz selbstverständlich Standard geworden ist. Trotz des Aufwands verlieren sich die beiden getrennt aufgebauten Platinen für die Signalverstärkung und die Netzteilschaltung im Inneren des Gehäuses – prima, das reduziert ebenso effektiv Störungen wie die noch einmal extra schwingungsgedämpft montierten Platinen. Der TP306 VR+ ist in weiten Bereichen an den (die) angeschlossenen Tonabnehmer anpassbar. So kann die Eingangskapazität für MM-Systeme in vier Stufen angepasst werden, wobei ich immer mit der niedrigsten Einstellung gearbeitet habe. Die Verstärkung beträgt 42 dB. Durch ein zweites Paar Cinch-Buchsen kann parallel zu einem MM auch ein MC-System eingesteckt werden – umgeschaltet wird über einen Kippschalter, der ebenso auf der Geräterückseite sitzt wie die „Mäuseklaviere“ für die Anpassungsmöglichkeiten. Somit sollte der Canor, wenn man häufiger Tonabnehmer tauscht, frei zugänglich stehen. Sehr erfreulich finde ich die umfangreichen Einstellungen für den MC-Zweig, dessen Verstärkung je nach gewähltem Übertragerabgriff 56, 62 oder 68 Dezibel beträgt und der somit für alle Fälle gerüstet ist. Praxisgerecht liegt die niedrigste Eingangsimpedanz bei der hohen Verstärkung bei 5 Ohm, während man bei der niedrig verstärkenden Stufe bis zu zwei Kiloohm einstellen kann – dem Spieltrieb sind also keine Grenzen gesetzt. Ein Wort noch zum gewählten Übertrager: Eine spürbare Klangbeeinflussung durch den Lundahl-Übertrager lässt sich nicht feststellen; auch unsere Messungen können einen sehr breiten nutzbaren Frequenzbereich attestieren. Die -3dB-Punkte für den MC-Betrieb liegen bei 25 Hz und 30 kHz – eine mehr als respektable Bandbreite. Die tiefen Töne sind in beiden Betriebsarten fest und genau definiert, stehen aber auch genügend im Saft, um auch mal den Hammer herauszuholen – zum Beispiel bei einem gut aufgenommenen Rockschlagzeug, das der Canor ohne jede Spur von Kompression reproduziert. Viel schöner und eleganter erweist sich der Tieftonbereich bei gut aufgenommenen Orchestern, wo die Kontrabässe ein vertrauenerweckendes und stabiles Fundament des Klangkörpers bilden. Dabei lassen sich auch diese tieffrequenten Musikanten noch exakt orten – für mich immer ein wichtiges Qualitätskriterium. Das Gleiche gilt für den gerade für die Stimmwiedergabe essenziellen Grund- und Mitteltonbereich. Sopranistinnen wie die wundervolle Joan Sutherland werden authentisch und lebendig – durchaus auch bis hin in den aggressiven Bereich hinein – wiedergegeben. Auf der anderen Seite haben sonore Männerstimmen Kraft und Autorität, wie es sich gehört. Man bekommt neben der reinen Darbietung der Sänger noch eine Menge Zusatzinformation: Atem- und Lippengeräusche, leichte Variationen im Timbre arbeitet der Canor genauso heraus wie die verwendeten Halleffekte. Die Röhren oft nachgesagte Schönfärberei ist ihm komplett fremd – die Musik kommt einfach mit Verve und Charakter. Die saubere Trennung zwischen den Stimmen oder Instrumenten innerhalb eines weiten und dennoch klar definierten Wiedergaberaums ist eine weitere Stärke – bei aller Luftigkeit bleibt der Zusammenhalt der Musiker untereinander immer bestehen. Damit findet der TP306 VR+ mit jeden Tonabnehmer die ideale Synthese aus Eleganz und Kraft.
Fazit
Durch seine umfangreichen Anschlussmöglichkeiten bietet der Canor TP306 VR+ nahezu allen jemals gebauten Tonabnehmern einen adäquaten Anschluss. Seine technische Flexibiltät und Ausgereiftheit setzt er um in eine absolut auf den Punkt gebrachte hervorragende Wiedergabequalität.