Wenn es einen Umstand gibt, den man dem amerikanischen Hersteller Audio Research keinesfalls attestieren kann, dann ist es Lethargie bei der Produktentwicklung. Die Leute präsentieren Maschinen mit atemberaubender Schlagzahl
Mitspieler
Plattenspieler:
Transrotor Fat Bob / Reed 3p / Lyra Atlas
Clearaudio Master Innovation / TT2 / Goldfinger
Vorstufen:
MalValve preamp four line
Lindemann 830S
Endverstärker:
Lindemann 858
Lautsprecher:
Audio Physic Avantera
Klang + Ton Nada
Zubehör:
Netzsynthesizer PS Audio P10
NF-Kabel von van den Hul und Transparent
Phonokabel van den Hul
Lautsprecherkabel von Transparent
Plattenwaschmaschine von Clearaudio
Gegenspieler
Phonovorstufen:
MalValve preamp three phono
Gönnen Sie mir einen Moment. Das muss ich erst einmal sortiert bekommen.
Ich werde ja schließlich auch nicht jünger. Schon wieder eine neue Audio Research- Phonovorstufe? Hatten wir da nicht gerade erst …? Nicht ganz. Der Vorgänger zum aktuellen Objekt der Begierde hieß „Reference Phono 2“ – also ohne „SE“ und fand bei uns in Ausgabe 2/2010 statt. Davor berichteten wir bereits über die etwas mehr in Reichweite angesiedelten PH5 und PH7 (die auch beide nicht mehr aktuell sind und durch PH6 und PH8 ersetzt wurden). Und dann war da zwischendurch noch der gewaltige zweiteilige „Reference Anniversary Preamplifier“, den ich äußerst ungern wieder zurückgeschickt habe, der aber eine reine Line-Vorstufe war. Okay, damit wären wir wieder in der Spur. Die „SE“-Version – Audio Research aktualisiert gerade einige Vorstufen auf „Special Edition“ – der Reference Phono 2 ist damit die aufwendigste Phono-Lösung, die die Mannen aus Plymouth, Minnesota bis dato realisiert haben. Was sich bedauerlicherweise auch im Preis niederschlägt: 14.500 Euro sind zu berappen, wenn man in den Genuss der Qualitäten dieses Gerätes kommen will. Und die sind, so viel darf ich schon mal verraten, reichlich vorhanden. Und was hat es jetzt mit dem „SE“-Update auf sich? Der Hersteller argumentiert das neue Modell mit bei der Entwicklung der Jubiläums-Vorstufe gesammelten Erfahrungen, was sich in erster Linie bei der Stromversorgung manifestieren dürfte. Hinzu gesellt sich ein leichtes optisches Facelift: Das immer noch schön nüchterne Frontplattendesign bekam eine neue Tasterreihe spendiert: Die kleinen quadratischen Kunststoffknöpfe sind passé, bei der „SE“ wollen metallene Rundtaster gedrückt werden. Werfen wir zunächst einen Blick auf die üppige Ausstattung des Gerätes, auch wenn sie mit der des Vorgängermodells identisch ist. Das Gerät verfügt über Anschlussmöglichkeiten für zwei Tonabnehmer. Lassen Sie sich durch die eingangsseitig ausschließlich vorhandenen Cinch-Buchsen nicht täuschen: Die Phono 2 Refenence SE ist vollsymmetrisch aufgebaut und nutzt die Cinch-Terminals anders: Auf dem Innen- und auf dem Außenleiter liegt jeweils eine Phase des symmetrischen Signals. Ungewöhnlich, aber praktikabel – die zusätzliche Masseverbindung eines üblichen XLR-Verbinders braucht’s an dieser Stelle meist nicht. Ausgangsseitig ist dann wieder alles beim alten: Cinch- und XLR-Buchsen warten auf Abholung der Signale. Natürlich „versteht“ die SE sowohl MM- als auch MC-Abtaster. Dazu lässt sich jeder der beiden Eingänge mit einer Kombination aus Eingangsimpedanz und gewünschter Verstärkung beaufschlagen; das Gerät merkt sich die Einstellungen für jedes Buchsenpaar, so dass man bequem mit einem Knopfdruck zwischen zwei Tonabnehmern wechseln kann. Die Einstellungen für jeden Eingang lassen sich entweder am Gerät oder per Fernbedienung vorwählen. Dabei kann man zwischen zwei Verstärkungen (45 oder 68 Dezibel) wählen, im symmetrischen Betriebsfall kommen noch jeweils sechs Dezibel hinzu. Das ist zweifellos reichlich Verstärkung, funktioniert in der Praxis jedoch reibungslos. Die zur Verfügung stehenden Abschlussimpedanzen sind 47K, 1000, 500, 200, 100 und 50 Ohm, das passt. Hinzu gesellt sich ein freier Einbauplatz im Gerät, der mit Widerständen nach Wunsch bestückt werden kann und auf dem Display als „Custom“ angezeigt wird. Jenes Display ist übrigens ein ziemliches Prachtexemplar von Vakuum-Floureszenzanzeige und leuchtet so richtig satt grün, was ich wesentlich gefälliger finde als das übliche Türkis. Die Schriftgröße ist okay, die Anzeige kann man auch vom Sofa aus ablesen. Ein weiteres Feature des Gerätes sind seine umschaltbaren Entzerrerkennlinien: Neben der üblichen RIAA-Entzerrung kann man noch nach Columbia und Decca kompensieren, was insbesondere für Liebhaber antiquarischer Platten von Bedeutung sein dürfte – bekanntermaßen etablierte sich die RIAA-Entzerrung erst relativ spät als Standard. Ein Blick unter den Deckel lässt erkennen, was Audio Research alles zu Realisation der Vielzahl von Funktionen aufgefahren hat, und das ist: viel. Die Verstärkerschaltung ist, wie üblich, ein Hybrid-Design: Röhren und Transistoren teilen sich die Arbeit brüderlich, und das ist gerade bei einer hoch verstärkenden Phonovorstufe absolut sinnvoll – ganz kleine Signale können Transistoren einfach besser als Glaskolben. Und so gibt’s neben den vier der Signalverarbeitung dienenden Edel-Doppeltrioden vom Typ 6H30 eine Unzahl von teils sogar paarweise vergossenen halbleitenden Protagonisten, die ihren Job offensichtlich gut beherrschen. Der Menge von schaltbaren Größen trägt eine erkleckliche Anzahl von Relais Rechnung, das Gerät quittierte jeden Schaltvorgang mit mehr oder weniger zahlreichen sanften Klicks. Stromversorgungen spielen bei Audio Research traditionell eine gewichtige Rolle, hier in ganz besonderem Maße: Das Gerät bezieht seine Energie aus zwei R-Core- Trafos mit geringem Streufeld und exzellenten elektrischen wie magnetischen Eigenschaften. Reichlich Betriebsspannungen werden von einer Menge Regelschaltungen bereitgestellt; die Stabilisierung der Anodenspannung für die Signalröhren erfolgt ebenfalls mit Röhren, und zwar luxuriös: Eine 6H30 und eine 6550 liefern satt Energie. Davor sorgen eine Menge Elkos für saubere Rohspannungen; jene passten beim besten Willen nicht mehr alle auf die Hauptlatine, ein Teil musste auf die linke Seitenwand umziehen. Solcherlei Aufwand bleibt nicht ohne Folgen: Das Gerät genehmigt sich im Betrieb kontinuierlich 110 Watt. Und? Lohnt sich der ganze Aufwand? Aber sowas von. Wer einmal dem Sound der großen Audio-Research-Maschinen verfallen ist, für den gibt’s kaum noch einen Weg zurück aus jenem Universum. Und die neue große Phono ist zweifellos ein solcher Vertreter, erinnert sie klanglich doch spontan an den fantastischen Anniversary- Vorverstärker. Was diese Geräte auszeichnet, ist eine unglaubliche Geschmeidigkeit und Souveränität. Man meint, hier hätte jemand die Rille noch ein bisschen blanker geputzt als sonst und der Platte nochmal 20 Dezibel Zusatzdynamik verpasst. Das ist zweifellos spektakulär, aber nicht auf eine grobschlächtige Art und Weise: Erstaunlich ist die Variabilität, mit der sie Dinge zu Gehör bringt, und wie sie Tonabnehmer atmen lässt und ihre individuellen Charakteristika herausmodelliert. Die Kombination mit einem Lyra Atlas stellt sicherlich die Spitze dessen dar, was man derzeit in Sachen Phono erreichen kann. Vor einem fantastisch ruhigen Hintergrund gewinnt diese Kombination so ziemlich jeder Platte Neues ab; und es sind nicht die bis dato „unerhörten“ Töne, die auffallen, sondern die von tiefer Emotionalität geprägte Wiedergabe. Ob’s nun ein feines Jazz-Trio ist, eine ausdrucksstarke Gesangsstimme oder Musik der etwas härteren Gangart: So nah dran ist man selten. Spontanes Verständnis für das Tun der Musiker entwickeln? Überhaupt gar kein Problem!
Fazit
Sie werden immer besser: Abermals haben die fleißigen Entwickler von Audio Research eine schwer zu toppende Marke gesetzt. Die große neue Phonovorstufe klingt überaus geschmeidig, dynamisch und ergreifend.