Die dürren Fakten lauten: Equalization: RIAA; Load: 100, Gain: high. Was das, was aus den Buchsen der neuen großen Audio-Research- Phonovorstufe herauskommt, nur höchst unzureichend beschreibt.
Mitspieler
Plattenspieler:
Transrotor Fat Bob / Reed 3p / Lyra Atlas
Clearaudio Master Innovation / TT2 / Goldfinger
Vorstufen:
MalValve preamp four line
Endverstärker:
Rowland Model 725
Lautsprecher:
Audio Physic Avantera
Klang + Ton Nada
Zubehör:
Netzsynthesizer PS Audio P10
NF-Kabel von van den Hul und Transparent
Phonokabel van den Hul
Lautsprecherkabel von Transparent
Plattenwaschmaschine von Clearaudio
Gegenspieler
Phonovorstufen:
MalValve preamp three phono
Die Parameter sind Standard. So betreibe ich einen großen Teil aller Tonabnehmer. Eigentlich ist es schade, dass so nüchterne Fakten die einzigen wirklich greifbaren Dinge sind, die beschreiben, was das Gerät einem Tonabnehmer bieten kann.
Tatsächlich nämlich ist es der feuchte Traum eines jeden Abtasters, was Audio Research hier auf die Beine gestellt hat. Der Reihe nach: Das Objekt der Begierde heißt „Reference Phono 10“ und ist die erste zweiteilige Phonovorstufe des US-Herstellers. Und es ist mit Abstand die teuerste: Das Doppel schlägt mit 32.000 Euro ins Kontor. Das ist unverschämt, unmoralisch, ungerechtfertigt und unmöglich? Bitte sehr. Tatsächlich ist es von wenig Sinn geprägt, solcherlei Vorbehalte an den Tag zu legen, in diesen Preisklassen muss kein ernsthafter Interessent lange für so eine Maschine sparen. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Hersteller dabei in erster Linie eine asiatische Klientel im Auge hat, ist relativ hoch, trotzdem gehört das Gerät auch bei uns bekannt gemacht, weil es einfach Außergewöhnliches leistet. Tatsächlich kann das Erscheinen der Maschine nicht überraschen, wenn man sich mal ein wenig mit der Produkthistorie beschäftigt: Wir haben es mit einer ziemlich logischen Melange aus der Jubiläums- Hochpegelvorstufe „Anniversary Reference Preamplifier“ und der bisherigen Spitzenphonovorstufe „Reference Phono 2 SE“ zu tun. Freilich mit einem deutlich geänderten Bedienkonzept: Bei Audio Research hat die Moderne in Gestalt eines Touchscreen-Monitors Einzug gehalten. Der ersetzt die bislang übliche Tasterreihe, bringt tatsächlich gegenüber der Reference Phono 2 SE keine zusätzlichen Funktionen. Okay, der Umstand, dass man Vorder- und Hintergrundfarbe des Displays an den persönlichen Geschmack und die Einrichtung anpassen kann, mag als Feature durchgehen, der Signalverstärkung selbst dient das aber eher nicht. Und so kann man bei der Reference Phono 10 wiederum zwei Tonabnehmer anschließen, die mit jeweils einem eigenen Parametersatz abgespeichert werden können. Dazu gehören die Abschlussimpedanz (50, 100, 200, 500, 1000 und 47000 Ohm, dazu ein frei wählbarer Wert), Entzerrung und Verstärkung. Bei der Entzerrerkurve gibt‘s die Wahl zwischen klassischer RIAA-Kurve, einer Decca- und einer Columbia-Entzerrung, beide für historische Aufnahmen von Interesse. Die Verstärkung ist zweifach zwischen 51 und 74 Dezibel umschaltbar. Das gilt für den symmetrischen Betriebsfall, bei asymmetrischem Anschluss sind‘s jeweils sechs Dezibel weniger. Das ist in beiden Fällen praxisgerecht. Richtige Taster gibt‘s nur noch fürs Einschalten und die Mute-Funktion. Audio Research darf sich übrigens durchaus damit rühmen, den Standby-Verbrauch des Gerätes unter das gesetzlich erlaubte eine Watt gedrückt zu haben. Fernbedienung? Aber klar. Vollmetall, standesgemäß. Und wieder einmal freue ich mich über die Möglichkeit, Eingangsimpedanzen vom Sessel aus zu wählen, das macht die Tonabnehmeranpassung deutlich leichter als die üblichen Klimmzüge am Gerät. Irgendwann wünsche ich mir noch eine Kompensation für die unvermeidlichen Pegelsprünge beim Umschalten, aber ansonsten funktioniert das schon ziemlich perfekt. Beim Einsatz diese Gerätes lohnt sich ein symmetrisch verkabelter Tonarm, die Eingänge sind nämlich symmetrisch beschaltet: Der Außenkontakt der Cinchbuchsen bildet den zweiten heißen Leiter, eine Masseverbindung gibt‘s an dieser Stelle gar nicht. Das war auch schon bei der Reference Phono 2 SE so und hat sich bewährt. Ausgangsseitig darf man dann Cinch oder XLR anleinen, je nach Gusto. Auch beim Spitzenmodell setzte Audio Research auf eine Kombination aus Halbleiter- und Röhrenschaltungstechnik. Gerade bei kleinen Phonosignalen ist das sinnvoll, das geht mit Transistoren einfach besser als mit Röhren. Die Signale werden somit von einer ganzen Armada von Halbleitern in Empfang genommen, bevor acht Röhren vom Typ 6H30 übernehmen dürfen. Die Ähnlichkeit der Röhrenschaltung mit der der Jubiläums-Hochpegelvorstufe ist ziemlich augenfällig und so wage ich zu behaupten, dass auch hier jeweils zwei Röhrensysteme parallel arbeiten und pro Halbwelle eine zweistufige Schaltung für die Ausgangssignale sorgt. Auch beim Netzteil gibt‘s Lösungen, die in der gebotenen Konsequenz bislang nur beim Jubiläums-Hochpegelvorverstärker zu sehen waren: Für jeden Kanal leistet man sich eine eigene röhrengeregelte Anodenspannung, stabilisiert jeweils mit einer kräftigen Pentode vom Typ 6550 und einer weiteren 6H30, was deren Gesamtzahl auf zehn erhöht. Für die Bereitstellung der Speisespannungen sind vier Trafos zuständig, die innen auf den Seitenwänden montiert sind. Natürlich keine schnöden Ringkerne, sondern hochwertige „R-Core“-Typen. Die erledigen die Versorgung für die zahlreichen Halbleiterregler gleich mit, die die zusätzlichen Betriebsspannungen bereitstellen: Die Röhren wollen geheizt werden, die Halbleiterstufen gehören ebenfalls extrem störarm versorgt. Solcherlei Luxus hat neben dem Anschaffungs- noch einen anderen Preis: den Stromverbrauch. Der Reference Phono 10 verbraucht im Betrieb 200 Watt; das ist für eine Phonovorstufe schon mehr als stattlich und sogar noch 20 Watt mehr als seinerzeit der Anniversary Reference Preamplifier. Was es sonst noch braucht? Ein wenig Geduld. Auch wenn der Hersteller lange Einspielzeiten empfiehlt, halte ich verschmerzbare 50 Stunden für realistisch. Danach wird diese phonovorverstärkende Unglaublichkeit nicht mehr deutlich besser. Was vor Jahresfrist bei der Reference Phono 2 recht war, sollte auch beim neuen Modell funktionieren: Natürlich dufte das vom Reed 3p geführte Lyra Atlas die Signale für den ersten Eindruck liefern. Und, auch das wird Sie nicht überraschen, ich habe auch später keinerlei Veranlassung verspürt, an dieser Konfiguration irgendetwas zu ändern. Wozu auch – besser kann‘s kaum werden. Was sich sofort einstellt, ist ein Raumeindruck. Der ist nämlich gewaltig, und zwar auf eine besondere Art und Weise: Nicht das Musikgeschehen selbst zieht den Raum auf, sondern die Nebengeräusche. Ist das schon auf dem Band oder nur Rillengeräusche? Schwer zu sagen. Jedenfalls ruckt der Kopf hoch und fragt sich, was um alles in der Welt das denn ist. Wenn die ersten Töne hörbar werden, gibt‘s die nächsten Überraschungen. Kein Scherz: Mir ist es noch nie passiert, dass sich der Beginn eines jeden Musikstückes so überraschend gestaltete: Es ist schier unglaublich, aus welchen Ecken des imaginären Raums diese Kombi welches Detail holt. Das geht so spektakulär gut, da darf das Quellenmaterial originär sogar digital sein: Ola Gjeilos „Piano Improvisations“ sind von einer Digitalaufnahme (okay, mit risikolosen 352 Kilohertz Abtastrate) gemastert und bringen die Qualitäten des Gerätes trotzdem höchst eindrucksvoll zu Gehör. Erstmals habe ich, je nach angeschlossener Kette, ein mir bislang neues Luxusproblem: Die Dynamik dieser Kombi ist mitunter schwer verdaulich. Wenn die Lautstärke bei kleinen Pegeln stimmt, dann haut‘s einen bei den lauten Passagen aus dem Sessel. Ergo: Die Lautstärkefernbedienung des (Vor-) Verstärkers hat ganz gut zu tun. Tatsächlich bin ich mir ziemlich sicher, dass Audio Research mit dieser Phonovorstufe die Möglichkeiten der Schallplattenwiedergabe wirklich ein Stück erweitert hat. Solcherlei Größe, Spannweite und Selbstverständlichkeit – das ist neu. Was bleibt, ist das Warten auf die passende Hochpegelvorstufe – die gibt‘s nämlich schon. Und ich hoffe inständig, dass ich die in Verbindung mit diesem Phonotraum erleben darf.
Fazit
Audio Research setzt mit dieser Phonovorstufe den neuen Maßstab in Sachen Raumabbildung und Dynamik, was nicht weniger bedeutet als einen signifikanten Fortschritt bei den Möglichkeiten der Schallplattenwiedergabe.