Der Golfball ist geblieben, ansonsten wurde kräftig abgespeckt. Und das vor allem beim Preis: Die neueste Inkarnation des Well Tempered gibt es für unter 2.000 Euro zu kaufen, nicht zuletzt aufgrund der kräftigen Bemühungen des deutschen Vertriebs
Mitspieler
Tonabnehmer:
AEC C91
Benz ACE L
Nagaoka MP-500
Miyajima Shilabe
Phonoverstärker:
MalValve Preamp Three Phono
PS Audio GCPH modifiziert
Quad Preamp Twentyfour P
Verstärker:
Malvalve Preamp Three Line und Power Amp Three
SAC Igel
Lautsprecher:
Audio Physic Scorpio
K+T Titania
Gegenspieler
Plattenspieler:
VPI Classic 3
DCF Blackbird
Hermann Hoffmann von Audio Int´l hat sich stark gemacht für erschwingliche Preise in einer Zeit, in der man allerorten die Weltwirtschaft in ihren Fugen ächzen hört. In Deutschland ist das Konsumklima zwar nach wie vor etwas optimistischer, aber eine solche Initiative können wir nur gutheißen, gerade in einer Branche, die jetzt teilweise in ungeahnte und unverschämte Preisregionen vordringt.
Für unter 2.000 Euro gibt es unter dem Namen „Simplex“ einen Plattenspieler, der sich gar nicht mal so sehr von dem Gerät unterscheidet, das ich vor zwei Jahren zum Test in den Redaktionsräumen hatte. Am Grundkonzept, das auf William Firebaugh zurückgeht, hat sich nichts geändert – der Golfball ist beim Einsteigermodell weiß geblieben statt schwarz lackiert – vielleicht werden die Bälle, um den Preis unten zu halten, im Morgengrauen von der nahe gelegenen Driving Range des örtlichen Golfplatzes gestohlen?… Spaß beiseite: Ein Well Tempered war noch nie ein besonders massiver Plattenspieler – Zeitgenossen mit Rückenproblemen werden dies zu schätzen wissen. Im Vergleich zum Well Tempered Amadeus GT hat sich tatsächlich am Laufwerk und am Arm selbst erst einmal gar nicht so viel geändert. Das Tonarmrohr wird nach wie vor an zwei Fäden aufgehängt, die gleichzeitig durch Verdrillen auch die Funktion einer Antiskating-Einrichtung übernehmen. An den Fäden hängt die Führung des Armrohrs, darunter – in Form eines Golfballs – der Schwerpunkt, der die Angelegenheit erst stabilisiert. Der Ball taucht in einen Zylinder, gefüllt mit hochviskosem Silikonöl, damit ist Ruhe im Karton, will heißen: Das Öl stabilisiert und bedämpft den Arm, der nun nicht mehr auf hochfrequente Störungen reagieren kann – das lässt die zähe Masse einfach nicht mehr zu. Das Armrohr ist mit feinem Sand gefüllt und damit ebenfalls beruhigt. Die Eintauchtiefe des Golfballs im Silikonöl kann durch Heben und Senken des Zylinders innerhalb gewisser Grenzen variiert werden – das kann beim Einsatz von Tonabnehmern unterschiedlicher Compliance nützlich sein. Azimuth und VTA werden direkt an der Aufhängung eingestellt – on-the-fly geht das natürlich nicht, lässt sich aber ansonsten recht einfach machen. Mit dem Gegengewicht wird die Auflagekraft eingestellt, der Tonabnehmer kann durch das steckbare Tonarmkabel ganz bequem am demontierten Arm montiert werden – Justiermöglichkeiten gibt es ohnehin kaum; die Tonarmgeometrie ist durch das feste Headshell ein für alle Mal festgelegt. Die Armauflage fällt etwas schlichter aus als beim Amadeus – ein Lift ist nicht vorgesehen. Den deutlichsten Unterschied zum Amadeus GT macht die schlichtere MDF-Zargenkonstruktion aus: Es gibt keine zusätzliche Platte mehr unter dem Laufwerk, das auf sehr weichen Sorbothan-Dämpfern steht. Da der Well wie gesagt recht leicht ist, sollte man auf die Auswahl seines Stellplatzes etwas Sorgfalt verwenden – trotz der effektiven Dämpfer ist er nicht gefeit vor Tritt- und Luftschall. Der Plattenteller besteht aus Acryl, die Tellermatte wie gehabt aus einem leichten und genoppten Schaumstoff. Der konventionelle Lagerdorn besteht aus Edelstahl. Nicht ganz so konventionell – und eins der berühmten Designs von Firebaugh – ist die Lagerbuchse, die sich nach oben hin mit einem quadratischen Loch öffnet. Wackelt man vorsichtig am Teller, dann können einem spontan graue Haare wachsen, so kippelig ist die Angelegenheit. Dreht man ihn hingegen, dreht er sich stoisch und offensichtlich absolut stabil. Der Lagerdorn steckt tatsächlich in einer vom Grundriss her quadratischen Lagerbuchse in einem Ölbad und hat nur an insgesamt fünf Punkten Kontakt zur „Lagerbuchse“ – durch den Zug des Nylon-Antriebsfadens stabilisiert sich der Teller perfekt. Angetrieben wird er von außen. Der servogesteuerte Gleichstrommotor hat einen recht kleinen Pulley, mehr als ein kleines Steckernetzteil braucht es zur Versorgung nicht. Unser Modell hat sogar ein etwas aufwendigeres Versorgungsteil erhalten, das allerdings mit knapp 350 Euro extra zu Buche schlägt. Unser Testmodell war mit einem AEC C91 ausgestattet – AEC ist der direkte Nachfolger der Decca-Manufaktur – für seine 695 Euro übrigens ein hoch interessanter und vor allem sehr guter Tonabnehmer. Mit einem etwas schmerzhaft verzogenen Gesicht habe ich dann in meiner Kuhle im Hörsofa Platz genommen – etwas verloren wirkte der Well Tempered Simplex zwischen all diesen massigen Plattenspielern mit ihren armdicken Tellern und Zargen. Und wieder, wie vor zwei Jahren, belehrte mich das kleine Laufwerk eines Besseren. Der letzte Grad an Wucht und Bestimmtheit will zwar nicht aufkommen, dafür spannt der Well von ganz unten herauf eine ausgewogene und vor allem sehr aufgeräumte Wiedergabe des Signals aus der Mikrorille. Die Sache mit dem „Wackellager“ funktioniert immer wieder verblüffend gut – wenn mir jemand bei einem Blindtest etwas von einem deutlich dickeren Teller und stärkerem Antrieb erzählen würde – ich würde es glauben. Mit dem Well-Tonarm (den es übrigens jetzt auch einzeln zu kaufen gibt) kann man ganz hervorragend arbeiten: Die in allen Achsen gleichmäßige Dämpfung sorgt für einen extrem disziplinierten Auftritt, der einfach nicht duldet, dass irgendein übermütiger Tonabnehmer aus der Reihe tanzt. Geradezu magische Momente sind entstanden, als ich das kraftvolle und farbenprächtige Decca C91 eingetauscht habe gegen das Miyajima Shilabe, das mit seiner extrem niedrigen Compliance für die meisten meiner Tonarme eine Art Nemesis darstellt. Mit einem relativ tief eintauchenden Golfball (mein Gott, was für eine Formulierung!) wurden dem Shilabe die Zügel gerade so weit gelassen, dass es quasi in einen kontrollierten Galopp überging. Das resultierende Ergebnis war wieder einmal atemberaubend: Das Shilabe konnte alle seine dynamischen Fähigkeiten frei entfalten, extrem kraftvoll oder extrem fein aufspielen und mit seiner überbordenden Spielfreude jede Menge gute Laune verbreiten. Gheorge Zamfir an der Panflöte in einer fantastischen analogen Live-Aufnahme von 1977 treibt in dieser Konstellation jede Anlage an ihrer dynamischen Grenzen – nur das analoge Frontend bleibt davon offenbar völlig unbeeindruckt und behält stoisch seine erzstabile räumliche Abbildung bei. Angesichts des Preisschilds haben wir auch ein paar günstigere Tonabnehmer montiert – das war natürlich vom Spaßfaktor her ein Rückschritt. Aber in jeder Konstellation – und vor allem mit dem AEC – zeigte der Well Tempered Simplex eine weit über seine physikalischen Dimensionen hinausgehende Übersicht und Gelassenheit.
Fazit
So gut ist der Preis dann doch nicht – wenn man ihn aufs Kilo umrechnet. Klanglich und technisch ist der neue kleine Well Tempered auf jeden Fall ein ganz Großer!