Der junge Schweizer Konstrukteur Michael Huber gilt als einer der innovativsten Kräfte in der Analogszene. Zu Recht, wie seine aktuelle Laufwerks-/ Tonarmkombination beweist
Mitspieler
Tonabnehmer:
Lyra Atlas
MFSL C3.5
Phonovorstufen:
MalValve preamp three phono
Vorstufen:
MalValve preamp four line
Endverstärker:
Rowland 725
Lautsprecher:
Klang + Ton Nada
Gegenspieler
Plattenspieler:
Clearaudio Master Innovation
TW Acustic Raven Anniversary · Kronos Turntable
Zubehör:
Netzsynthesizer PS Audio P10
NF-Kabel von van den Hul und Transparent
Phonokabel van den Hul
Lautsprecherkabel von Transparent
Plattenwaschmaschine von Clearaudio
Nun ist das vorliegende Heft ja nicht eben arm an Laufwerken der absoluten Topliga, und als ich die hier zu würdigende Schweizer Preziose in den Hörraum trug, konnte ich mir ein Grinsen nicht verkneifen: Zwischen Kronos-Dreidecker und Raven Anniversary sieht der TTT-C aus wie ein Maschinchen, das nur Singles abspielen kann. Ein Indiz dafür, dass man mit solcherlei Witzchen sehr vorsichtig sein sollte, ist sein Preis: Laufwerk und Arm kosten zusammen 18.000 Euro, und damit spielt er locker in einer ähnlichen Klasse wie die beiden Dickschiffe.
Material indes gibt’s auch bei Thales genug: Der Kleine wiegt satte 16 Kilogramm und verfügt über einen Tonarm, der ein uraltes Drehtonarmproblem gelöst haben will: das des Spurfehlwinkels. Der „Simplicity“ ist Micha Hubers zweiter Anlauf in dieser Hinsicht, in Sachen Eleganz und Handhabbarkeit weit gelungener als der Ur-Thales, allerdings mit einzeln 7.300 Euro auch nicht ganz billig. Dafür hat er’s faustdick hinter den Ohren und reduziert den Spurfehlwinkel bei der Abtastung – eine penible Justage des Abtasters vorausgesetzt – auf bis zu 0,008 Grad. Um dahin zu kommen, muss sich manch „richtiger“ Tangentialarm mächtig strecken. Huber erreicht das, indem er sein Headshell nicht, wie üblich, starr an ein Armrohr koppelt, sondern drehbar an zwei (fast) parallel angeordnete Rohre. Jene werden hinten im Lagerblock von zwei nebeneinander montierten Lagern in der Horizontalen geführt, in der Vertikalen übernimmt für beide „Teilarme“ gemeinsam ein weiteres Lager. Bewegt sich der Arm nun über den Plattenradius, verschieben sich die beiden Armsegmente gegeneinander und verdrehen dadurch das Headshell – der Kröpfungswinkel ändert sich. Diese Anordnung geometrisch so zu konzipieren, dass sie den Abtaster immer exakt senkrecht zur Rille führt, ist eine echte Meisterleistung, vor der man ganz tief den Hut ziehen muss. Aber die Geometrie war nicht die einzige Herausforderung bei der Entwicklung: Bedingt durch die variable Kröpfung ändert sich das wirksame Hebelverhältnis des Arms ständig und damit die Auflagekraft; auch das hat Micha Huber bravourös gelöst. Zunächst erst einmal trägt jedes Armsegment ein eigenes, fest montiertes gleich großes Gegengewicht in Form eines halbierten Zylinders. Das innere Gewicht muss mit einem Zusatzgewicht bestückt werden; zum Lieferumfang gehören derer drei, die je nach Gewicht des Tonabnehmers zum Zuge kommen. Die zylinderförmigen Zusatzgewichte haben vorne eine Stufe, damit sie die sich gegeneinander verschiebenden Halbzylinder nicht behindern. Auf die Rückseite des Zylindergewichtes schließlich wird eine asymmetrisch ausgefräste Scheibe geschraubt, mit der sich durch Verdrehen die Gewichtsverteilung ändern lässt. Damit werden die sich über den Plattenradius ändernden Gewichtskräfte ausgeglichen. Man muss die Auflagekraft also innen und außen messen und die rückwärtige Schiene so lange verdrehen, bis beide Werte gleich sind. Antiskating? Braucht der Simplicity auch, und zwar ziemlich dringend: Am Außenrand der Platte steht der Abtaster in einem ziemlich steilen Winkel zu den beiden Armrohren, was für höhere Skatingkräfte sorgt. Auch hier hatte Micha Huber eine großartige Idee: Die Kompensation besorgen zwei in den Halbzylinder-Gegengewichten angeordnete Magnete. Über den Plattenradius verschieben sie sich gegeneinander, damit ändert sich auch ihre Kraft aufeinander und damit das auf den Am ausgeübte Moment – eine großartige Lösung. Sie merken schon: „Simplicity“ passt eigentlich nur bedingt; der Arm ist eine hoch komplexe Konstruktion. Wenn er allerdings einmal eingestellt ist, ist das Handling vollkommen unproblematisch. Damit die Rechnung aufgeht, müssen sowohl die Einbauposition auf dem Laufwerk als auch der Winkel der Armbasis und die Position des Tonabnehmers im Headshell präzise stimmen. Für Letztgenanntes gibt es eine überaus komfortable Schablone: Das herausnehmbare Headshell-Plättchen wird lose mit dem Abtaster verschraubt und in die Justagevorrichtung gelegt. Wenn man den Tonabnehmer nun so verschiebt und verdreht, dass der Nadelträger exakt auf der senkrechten Linie und der Diamant genau im Fadenkreuz der transparenten „Zielvorrichtung“ zu liegen kommt, ist man am Ziel. Schrauben anziehen, Headshell samt Abtaster in den Tonarm einschieben, bis die Außenkanten bündig sind, mit einer winzigen Madenschraube fixieren, fertig. Das geht tatsächlich einfacher und genauer als jedes Gefummel mit einer normalen Einstellschablone. Ausnahme: der Graham Phantom, bei dem gibt es eine ähnlich clevere Vorrichtung wie hier. Erstaunlicherweise ist bei diesem Arm sogar der Azimut einstellbar; man kann den inneren Ring des Kardangelenks nach dem Lösen von zwei Schrauben verdrehen. Das sollte aber die Ausnahme darstellen, da der Arm ab Werk perfekt justiert ist und diesbezügliche Notwendigkeiten auf einen schiefen Abtaster zurückzuführen sind. Die effektive Länge des Arms beträgt übrigens neun Zoll; in Anbetracht des Nichtvorhandenseins geometrischer Probleme ist das allerdings nur von untergeordneter Bedeutung. Die effektive Masse beträgt 19 Gramm, der Arm ist also kein ganz leichter. Das Laufwerk besticht durch seine schlichte Eleganz. „TTT-C“ steht für „Thales Turntable Compact“, der Name ist Programm. Die Laufwerksbasis bildet eine minimalistische Aluminiumplatte mit unterschiedlichen Radien an den benachbarten Ecken. Der Antrieb ist erst einmal unsichtbar; unter dem flachen, aber trotzdem 6,5 Kilo schweren Teller verbirgt sich eine Riemenkonstruktion, die einen Subteller antreibt. Für Bewegung sorgt ein kleiner Motor, von dem man von oben nur eine vergoldete Schwungmasse und das Pulley zu sehen bekommt. Die Energie gelangt über einen kurzen und ziemlich steifen Gummiriemen zum Innenteller. Der Motor verdient besondere Beachtung: Es handelt sich dabei um einen hochmodernen bürstenlosen Gleichstrommotor, der von einer in der Laufwerkszarge versteckten Elektronik angesteuert wird. Diese ungemein kräftige und laufruhige Motorenbauart ist in vielen technischen Bereichen heutzutage absoluter Standard, wird von den allermeisten Plattenspielerherstellern unverständlicherweise immer noch verschmäht – bedauerlich. Interessant ist auch die Aufhängung des Motors: Die spezielle Halterung entkoppelt den Motor wirksam vom Chassis, erlaubt aber praktisch keinerlei Torsion in Drehrichtung. Das ist wichtig, weil hier maximales Drehmoment zum Teller transportiert werden soll. Die Drehzahlfeineinstellung erfolgt per Schraubendreher durch zwei kleine Löcher in der Front, die Bedienung des Antriebs über zwei Taster in der linken unteren Ecke des Laufwerks. Die Energieversorgung des Antriebs erfolgt standesgemäß mit Akkus. Ein moderner Lithium-Eisen-Phosphor- Akkupack ist unsichtbar im Gerät eingebaut und ich habe in Unkenntnis dessen nicht schlecht gestaunt, als sich das Gerät ohne eingestecktes Versorgungsteil nach dem Drücken eines Tasters einfach mal in Bewegung setzte. Wenn die Akkus voll sind, läuft der TTT-C rund 18 Stunden am Stück, danach muss das Ladegerät wieder ran. Mitgeliefert wird ein modernes, prozessorgesteuertes Gerät, das den jeweiligen Ladezustand mit einer zweifarbigen Leuchtdiode signalisiert. Ich würde es ständig am Plattenspieler eingesteckt lassen, mit einem rückseitigen Kippschalter kann man zwischen Standby, Spiel- und Ladebetrieb wählen. Negative Auswirkungen durch den Verbleib des Laders im Betrieb konnte ich nicht ausmachen. Tonarme werden beim TTT-C über eine runde Montageplatte montiert, für die es eine exakt passende Fräsung im Chassis gibt. Natürlich muss man nicht unbedingt einen Simplicity montieren, Sinn macht es aber schon, was sich ganz schnell erschließt, wenn man das Schweizer Duo mal gehört hat. Ganz unmittelbar macht der drehmomentstarke Antrieb auf sich aufmerksam: Der Thales klingt ungemein kräftig und souverän, ja erinnert manchmal gar an einen diesbezüglich unschlagbaren Reibradplattenspieler. Ausnahmegitarrist Pat Metheney legt auf seinem Klassiker „As Falls Wichita, So Falls Wichita Falls“ aus dem Jahre 1980 los, dass es eine wahre Freude ist, und entlockt der eigentlich eher sanften ECM-Platte ungeahntes Feuer. Im Bass tönt’s ungemein fest und bestens durchhörbar, man würde hier einen weitaus dickeren Boliden vermuten als ein so zierliches Laufwerk. Ob sich hier schon der geniale Tonarm bemerkbar mach? Mit Sicherheit. Meine unbestechliche Lieblingstestplatte für „Dinge jenseits des zweiten Nulldurchgangs“ ist Kari Bremnes‘ „Svarta Bjørn“, die dank einer unvergleichlichen Kombination aus anspruchsvoller Gesangsstimme und reichlich Basseinsatz ganz innen fast jeden Drehtonarm zur Verzweiflung treibt. TTT-C und Simplicity selbstverständlich nicht, die befördern das völlig unbeeindruckt zum Lautsprecher. Von den auffälligen dynamischen Fähigkeiten abgesehen, glänzt die Kombi von allem mit Neutralität. Sie transportiert die einmalige Farbigkeit und Geschmeidigkeit des Lyra Atlas absolut überzeugend, kennt keine tonalen Präferenzen und ist auch in Sachen Präzision bei der Raumabbildung meisterlich bei der Sache. TTT-C und Simplicity sind rare Beispiele dafür, dass High End auch mit optischem Understatement funktionieren kann – die Kombi zählt klanglich zu den ganz Großen.
Fazit
Was für ein Debüt: TTT-C und Simplicity sind optisch zurückhaltend, technisch extrem fortschrittlich und klanglich so souverän, dass sie auch mit extremen Konstruktionen mithalten können. Ganz großes Kompliment in die Schweiz!