Ja, ich weiß: Das große Laufwerk von Simon Yorke gab’s an dieser Stelle schon mal. Nunmehr allerdings ist der S10 um ein entscheidendes Feature bereichert worden: einen luftgelagerten Tangentialtonarm
Mitspieler
Phonovorstufen:
MalValve preamp three phono
Joachim Gerhard Prototyp
Vorverstärker:
MalValve preamp three line
Joachim Gerhard Prototyp
Endverstärker:
SymAsym
Lautsprecher:
Lumen White Artisan
„Oobs“ von cg und hb
Zubehör:
Netzversorung von PS Audio und HMS
NF-Kabel von Silent Wire
Phonokabel von Silent Wire und Isenberg Audio
Lautsprecherkabel von Silent Wire
Plattenwaschmaschine von Clearaudio
Gegenspieler
Plattenspieler:
Transrotor Fat Bob / SME 3500 / Clearaudio Goldfinger
Brinkmann Bardo / 9.6 / EMT ti
Die schlechte Nachricht zuerst: Der „Aeroarm“ macht den ohnehin nicht eben günstigen S10 nicht billiger: Das Paket aus Laufwerk, Tonarm mit Zubehör, Tisch und Tonabnehmer kostet 39.000 Euro. Und eines will ich gar nicht verhehlen: Hinter diesem Artikel steckt durchaus Eigeninteresse.
Meine erste Begegnung mit dem großen Simon-Yorke-Dreher hat reichlich Spuren hinterlassen, und deshalb nehme ich die Gelegenheit, mit der Top-Ausbaustufe ein Weilchen spielen zu können, mit Freuden wahr. Im Gegenzug erzähle ich auch gerne ein bisschen was darüber. Die tangentiale Abtastung ist sicherlich so etwas wie die Königsdisziplin beim Tonarm; über die Jahre hat’s immer wieder Versuche gegeben, eine Wiedergabe ohne durch den tangentialen Spurfehlwinkel bedingte Verzerrungen salonfähig zu machen. Mal mit mehr, mal mit weniger Erfolg; Tangentialtonarme sind in aller Regel aufwendiger und empfindlicher als ihre drehenden Kollegen. In vielen Fällen muss der Betreiber neben mehr Geld auch ein gewisses Maß an Nachsicht und Geduld mitbringen, wenn er in den Genuss der Meriten dieser Konstruktionen kommen will. Eines jedenfalls steht auch beim „Aeroarm“ außer Frage: Er verschönert das optisch überaus wohlproportionierte Laufwerk sicherlich nicht; an dieser Stelle hat der hauseigene Drehtonarm ganz klar die Nase vorn. Für die, die’s noch nicht kennen, ein paar Worte zum Laufwerk: Der S10 ist der Nachfolger des international zu Ruhm und Ehren gekommenen S7 und geriet überraschenderweise kompakter und reduzierter als sein Vorgänger. Der Kern des Laufwerks ist das, was Simon Yorkes deutscher Statthalter Christian Isenberg eine „Dose“ nennt. Das ist ein überaus gewichtiger Zylinder, in dem das Tellerlager steckt und zum anderen die hölzerne Laufwerksbasis montiert ist. An deren zweitem Ende residiert der Tonarm, was entweder, wie hier, der Aeroram sein kann oder der einpunktgelagerte S7.1. Andere Basen gibt’s nicht, auch gibt’s die Arme nicht ohne hauseigenes Laufwerk. Da ist der in Spanien lebende Brite Simon Yorke eisern: Seine Maschinen sind als zusammengehörige Systeme konzipiert, und die Kombination mit Fremdfabrikaten lehnt er deshalb strikt ab. Die Platte dreht beim S10 auf einem abermals schwergewichtigen – hüben wie drüben ist Edelstahl das bevorzugte Baumaterial – mehrteiligen Teller, obenauf kommt die leichte, aber extrem steife charakteristische graue Graphitmatte zu liegen. Der Motor steckt in einer wiederum gewichtigen Edelstahldose und treibt den Tellerrand via Silikon-Rundriemen an. Motor und Steuereinheit – Sie ahnen’s schon: schwere, runde Dose – beherrschen nicht nur drei Geschwindigkeiten, sondern auch den Rückwärtsbetrieb. Da Simon-Yorke-Laufwerke wegen ihres extrem neutralen Charakters oft als professionelle Archiv-Abspielgeräte eingesetzt werden, müssen sie auch solcherlei exotische Betriebsbedingungen beherrschen. Im Aeroarm stecken nicht weniger als 25 Jahre Arbeit. Und wie bei allen wirklich guten Konstruktionen manifestiert sich der Entwicklungsaufwand überhaupt nicht in vordergründiger Komplexität, sondern in schon fast frecher Schlichtheit. Der Arm selbst ist ein lediglich 68 Gramm schweres Metallkonstrukt mit einer effektiven Länge von lediglich 50 Millimetern. Zentraler Bestandteil ist die Lagerhülse, in die über einen Schlauch Luft eingeblasen wird. Die Hülse steckt auf einer extrem präzise tolerierten Welle; wenn der passende Luftdruck anliegt, entsteht im Lagerspalt ein Luftkissen, auf dem der Arm berührungslos gleitet. Hört sich ganz einfach an, ist in der Praxis jedoch ein echtes Kunststück: Bis dieses Lager so lief, dass tatsächlich ein rundum gleichmäßiges Luftpolster entsteht, dürfte Simon Yorke des Öfteren der Verzweiflung nahe gekommen sein. Ein gleichfalls nicht leicht zu lösendes Problem ist die Luftzufuhr bei diesem Lager: Der Luftschlauch – hier ist es ein weicher Silikonschlauch – behindert naturgemäß die Bewegung des Schlittens. Und zwar umso mehr, je mehr Druck im System herrscht. Beim Aeroarm sind’s deshalb moderate 1,5 Bar. Um mit so wenig Luft auszukommen, musste der Luftspalt extrem eng sein, trotzdem konsumiert das System merklich. Der mitgelieferte Kompressor springt alle paar Minuten an; allerdings nur kurz, nach ein paar Sekunden hat er seinen Job bereits gemacht. Lautlos ist er übrigens beileibe nicht, der Kolbenkompressor. Im Hörraum wird er wohl nur bei hartgesottenen Betreibern stehen dürfen, ansonsten empfiehlt es sich, das Gerät in einem Raum unterzubringen, wo er nicht stört, und einen entsprechend langen Luftschlauch zum Plattenspieler zu legen. Die Einstellung des Betriebsdrucks erfolgt per Stellschraube seitlich an der Druckluftarmatur. Der Wert stimmt, wenn der Arm ungehindert gleitet. Wenn man zu weit aufdreht, kommt eine sehr simple Sicherung zum Tragen: Der Schlauch springt von seinem Stutzen auf der Lagerhülse ab, und das ist genau so beabsichtigt. Simon sagt dazu: Der Aeroarm ist nicht für zart besaitete Zeitgenossen konzipiert und verlangt dem Betreiber ein paar Zugeständnisse in Sachen Komfort ab. Recht hat er. Das beginnt beim Auflegen der Platte: Diese will vorsichtig zwischen Tellerachse und Armausleger hindurch gefädelt werden, sonst gibt’s Kratzer. Auch wenn das System prinzipiell selbstreinigend ist, sollte der Ausleger von Zeit zu Zeit mit trockener Druckluft gereinigt werden. Bedingt durch die geringe Länge des Arms ist die Einstellung des VTAs extrem wichtig. Das allerdings geht per großzügigem Drehknopf an der Armbasis recht einfach; man muss die Einstellung konsequenterweise aber an jede Platte anpassen. Auch der Aeroarm hat eine Antiskating-Vorrichtung. Und die funktioniert genial einfach: Mit einer Stellschraube am Laufwerkstisch kann der Plattenspieler so aus der exakten Waagerechten gekippt werden, dass sich die gewünschte Skating-Kompensation ergibt. Und zwar über die ganze Plattenseite konstant – hervorragende Idee. Deshalb ist der mit einzeln 3.360 Euro bepreiste Tisch praktisch Pflicht. Die ausschließlich geschraubte Stahlkonstruktion ruht auf vier Beinen, den oberen Abschluss bildet eine Kunststeinplatte, die dem Laufwerk optimale Arbeitsbedingungen bieten soll. Ein bisschen zum Netzwerk um Simon Yorke gehört auch der belgische Tonabnehmerhersteller, dessen MC1B bei uns seit Jahren zu den unverzichtbaren Arbeits-MCs gehört. Christian Isenberg montierte in den Aeroarm ein MC1 MK2, ein Modell darüber und weit davon entfernt, das Spitzenmodell darzustellen. Ich sag’s immer wieder gerne, und hier mit ganz besonderer Inbrunst: Simon Yorke ist weltweit so ziemlich der kompetenteste Mann, den man mit dem Abspielen seiner Platten betrauen kann. Es gibt kaum Wiedergabesysteme, die den Job so gut machen. Zwar ist meine Begegnung mit dem S10 schon etwas her, aber ich wage zu behaupten, dass er mit dem Aeroarm merklich anders spielt als mit dem Drehtonarm: Diese Kombi hat keinerlei tonalen Charakter mehr, sie ordnet sich bedingungslos dem unter, was von der Platte kommt. Und das mit einer unglaublichen Schwärze und Nebengeräuschfreiheit: Da merkt man erst mal so richtig, welchen Charakter ein Ton auf der Platte eigentlich hat. Man kann’s noch nicht einmal besonders flüssig oder geschmeidig nennen, mit dieser Maschine reproduzierte Musik „ist“ einfach. Da vergrößern sich auf einmal die klanglichen Eigenheiten vorgeschalteter Verstärker schon fast unheimlich, und ich will gar nicht verhehlen, dass ich hier ein paar Dinge über den Rest der Kette gelernt habe, die mir vorher keinesfalls klar waren. Diese unvergleichliche Klarheit allerdings macht auch das Einstellen von VTA und Antiskating unkompliziert: Man hört’s sofort, wenn’s nicht stimmt. Klangbeispiele spare ich mir an dieser Stelle. Es wären Plattenrezensionen, und die finden in diesem Heft an anderer Stelle statt. So nahe zum Kern der Sache dürfte derzeit kaum eine andere Platten abspielende Technik führen – großes Kompliment an den Mann, der von seinem Tonarm freimütig sagt: „A ‚product‘ this is not“.
Fazit
Sündhaft teuer, nicht ganz unproblematisch im Umgang – das ganz große Simon-Yorke-Erlebnis will erkauft werden. Allerdings rechtfertigt es alle Mühen mit einem Ergebnis, das so nahe am Mikrokosmos der Informationen in der Rille ist wie sonst kaum eins.