Gehört hat man ja schon seit Längerem etwas von dem Namen, auf dem letztjährigen Analog-Forum war er dann zum ersten Mal in der deutschen Öffentlichkeit zu sehen: Rui Borges zeigte seine Plattenspieler-Kreationen – nein: Kunstwerke
Mitspieler
Tonabnehmer:
Goldenote Boboli
Nagaoka MP-500
Dynavector Te Kaitora Rua
Phase Tech P-3G
Phonoverstärker:
Quad 24P Phono
MalValve Preamp Three Phono
PS Audio GCPH modifiziert
Verstärker:
Malvalve Preamp Three Line und Power Amp Three
SAC Preamp + Igel
Lautsprecher:
Sonics Allegria
K+T Titania
Zubehör:
Basen von Accurion und Thixar
Netzkabel von HMS und PS Audio
Phonokabel von Nordost und Furutech
NF-Kabel von van den Hul
Gegenspieler
Plattenspieler:
VPI Classic 3
Transrotor Fat Bob mit SME 3500
Vom äußersten westlichen Rand Europas stammt der Laufwerks-Künstler, nämlich aus Portugal, einem Land, das meist ein bisschen vergessen neben den großen europäischen Nationen, in der jüngsten Vergangenheit ins finanzpolitische Gerede gekommen ist. Kommt man ins Gespräch mit Rui Borges, dann meint man, die Ursachen erahnen zu können: Borges schwankt so ein bisschen zwischen Zorn und Resignation: Er würde gerne etwas Outsourcing betreiben und seine Laufwerke komplett in seinem Heimatland fertigen, doch die Zulieferer funktionieren nicht so, wie er sich das vorstellt, zumindest nicht, was den angestrebten Qualitätsstandard betrifft.
Was macht Borges also: Er kauft sein Material im Ausland und macht den Rest selbst (übrigens eine Arbeitsweise, die wir von einer anderen One-Man-Show im Analoggeschäft kennen: Tom Woschnick). Dass der Bau eines Laufwerks auf diese Art und Weise einen gewissen Zeitraum dauert, versteht sich von selbst – es wird bis auf Weiteres wohl keine Massenfertigung zu erwarten sein. Wenn dann doch noch ein bisschen Zeit nebenher abfällt, dann kümmert sich Rui Borges um die Restauration und Optimierung klassischer Garrard- und Thorens-Laufwerke – auch keine schlechte Referenz, meinen wir. Das aktuelle Sortiment wird exklusiv vertrieben von Jürgen Fuchs vom Hifi -Studio Wachtberg – eine langsam aus privatem Interesse gewachsene Geschichte, die noch ein bisschen im Verborgenen blüht – nun, durch diesen Artikel sollte es etwas anders werden. Der Rui Borges Uno ist sozusagen das „Einsteigerlaufwerk“ des Portugiesen – das ist aber unbedingt im übertragenen Sinne zu verstehen. Der aufgerufene Preis für den Dreher allein liegt bei 4.800 Euro – kein Pappenstiel, in Relation zum Gebotenen aber absolut gerechtfertigt. Der Grundaufbau des Uno ist einfach. Zwei voneinander entkoppelte MDF-Platten bilden die Zarge, der Motor steht separat in einer kreisrunden Aussparung. Unter das eigentliche Laufwerk kann eine optionale Basis aus einer MDF- und einer Glasplatte(!) gestellt werden, auf die die Gesamtkonstruktion gestellt wird. Basis und Plattenspieler stehen auf höhenverstellbaren Füßen, die zwar ihren Zweck erfüllen, bei näherer Betrachtung aber nicht so ganz dem hohen Standard des Geräts entsprechen – hier könnte optisch zum Beispiel mit einer Verkleidung noch ein bisschen nachgebessert werden. Das Tonarmbrett aus Acryl wird über Distanzstücke aus Aluminium auf der Zarge befestigt. Unser Testmodell war mit einem der vorzüglichen Reed-Tonarme bestückt, die seit einigen Jahren in Litauen gefertigt werden – nicht die schlechteste Wahl, wie schon unser Test in Ausgabe 1/2011 gezeigt hat. Für die Abtastung ist ein Goldenote Boboli zuständig – ein Set, das es auch komplett als Uno Prestige zu kaufen gibt. Dreh- und Angelpunkt (im wahrsten Sinne des Worts) ist bei Rui Borges die Teller-Lager-Kombination. Wert legt der Konstrukteur auf die Feststellung, dass er für die bewegten Teile absolut kein Gussmaterial verwendet, sondern jedes Werkstück aus einem entsprechenden Rohling gedreht wird. Das mehr als massive Lager besteht aus einer Bronzebuchse mit einem gehärteten Lagerspiegel, auf der sich der Edelstahldorn mit einer Rubinkugel an der Spitze dreht. Aus diesem Grund sollte man beim Aufsetzen des Tellers etwas vorsichtig sein – die Toleranzen des Lagers sind allerdings so eng, dass zwischen dem Einsetzen des Dorns in das Lager und dem endgültigen Absinken in die Betriebsposition locker Zeit für eine gepflegte Tasse Kaffee bleibt. Das Lager trägt einen Subteller aus Aluminium, auf den auch der Antriebsriemen wirkt. Sieht man sich den Uno in dieser Phase des Aufbaus an, dann merkt man, dass etwas anders ist, auch wenn man vielleicht nicht spontan sagen kann, was. Nun: Der Subteller ist einfach eine flache Scheibe – kein Mitteldorn, nichts, was noch irgendwie aufragt und Kontakt mit der Platte hätte. Rui Borges hat nämlich für sich beschlossen, dass Lager, Antrieb und Platte möglichst keine direkten Kontakt miteinander haben sollten – also hat er einen Hauptteller konstruiert, der Vinyl und Antrieb voneinander entkoppelt: Kontakt zum Subteller hat nur der massive Aluminiumring, der den Außenteil das Haupttellers ausmacht. Oben auf dem Ring liegt eine dicke Acrylscheibe auf, natürlich fest mit dem Aluminiumteil verbunden. Und erst in der Mitte dieser Acrylscheibe findet sich eine weitere Aluminiumscheibe, aus der der Mitteldorn aufragt. Eine extrem clevere und doch eigentlich ganz simple und vor allem logische Konstruktion – ich bin gespannt, ob wir so etwas in Zukunft öfter sehen werden. Der Motor ist ein Gleichstrommotor – wie immer in solchen Fällen ein Typ, der schon gar nicht mehr produziert wird und um dessen Restbestände sich die Plattenspielerproduzenten dieser Welt schlagen. Angesteuert wird der in einem massiven Block untergebrachte Motor über eine Steuereinheit, die sogar eine automatische Drehzahlregelung besitzt. Rui Borges berichtet, dass er diese Regeleinheit relativ träge gehalten hat, um keine Nervosität in die Wiedergabe zu bringen. Nun, obs der Teller ist oder der Antrieb oder doch die Zarge oder einfach alles zusammen: Der Rui Borges ist in seiner Spielweise eine echte Offenbarung: Jegliche Art von Musik rückt vermeintlich näher an den Zuhörer heran, wird plötzlich fast greifbar. Jeder einzelne Aspekt, von Räumlichkeit über das wiedergegebene Spektrum bis zur Dynamik wird von diesem Laufwerk absolut auf den Punkt gebracht. Gerade bei klassischen Platten, die ja sehr oft nur in historischer Aufnahmequalität vorliegen, macht es sich der Uno zur Aufgabe, aus dem limitierten Material das Optimum herauszuholen – fast, als würde er einmal mit dem Staubwedel und dem großen Besen durch die staubige Patina hindurchwirbeln. Und nein: Das ist nicht einfach eine klangliche Schieflage, die ein Quäntchen mehr Hochtonenergie suggeriert. Das Bild setzt sich bei modernen Aufnahmen nämlich fort, denen der Rui Borges ähnlich Gutes tut. Orchester löst er unendlich fein auf, jedes Kratzen eines Bogens noch in der hintersten Reihe der Geigen ist klar hörbar – und doch artet diese Genauigkeit nicht in musikalisches Suchspiel aus. Viel zu sehr gibt sich der Uno auch dem musikalischen Fluss hin und nimmt sich als Gerät komplett aus der Wiedergabe heraus – er besitzt keinerlei Ehrgeiz, etwas nach seinen Vorgaben klingen zu lassen, er lässt einfach klingen. In Sachen Tieftondynamik gehört er dabei nicht mal zu den brachialsten Vertretern in dieser Ausgabe – obwohl er auch abgrundtief spielen kann. Für das letzte Quäntchen Durchzugskraft im Bass genügte vielleicht schon eine Klemme oder ein Außenring, dann hätte er auch da aufgeschlossen. Aber auch so ist er ein wunderbares Stück Präzisionstechnik, das in jedem klanglichen Aspekt so überzeugende Argumente fürs Schallplattenhören liefert, dass selbst der eingefleischteste Digitalfanatiker ins Grübeln kommt.
Fazit
Mit seinem Uno gibt Rui Borges ein mehr als gelungenes Debüt. Design, Technik und Klang bewegen sich auf absolutem Top-Niveau – zuschlagen, so lange das Laufwerk noch ein Geheimtipp ist!