Keine technische Sensation. Keine Neuerfindung des Rades. Einfach nur ein schlichter, guter Plattenspieler zu einem fairen Preis. Ist das nicht großartig?
Mitspieler
Phonovorstufen:
MalValve preamp three phono
Pure Sound P10
Vorstufen:
MalValve preamp four line
Rogue Audio Ninety Nine
Endverstärker:
Rowland Model 725
Lautsprecher:
Audio Physic Avantera
Klang + Ton Nada
Zubehör:
NF-Kabel von van den Hul und Transparent
Phonokabel Transparent
Lautsprecherkabel von Transparent
Plattenwaschmaschine von Clearaudio
Gegenspieler
Plattenspieler:
Dual CS 455-1
Clearaudio Concept
Niemand auf der Welt baut mehr Plattenspieler als der österreichischtschechische Hersteller Pro-Ject. Betrachtet man das derzeit ungefähr 34 Modelle (plus minus ein paar Spezialvarianten) umfassende Lieferprogramm, dann wird auch klar warum: Pro-Ject bedient mit erfeulich pragmatischen Geräten in erster Linie den Einsteiger- oder sagen wir besser: den „Vernunftbereich“. Und da im Zuge der erfreulich steigenden Nachfrage nach dem Thema Schallplatte nicht jeder mit einem Gerät mit fünfstelligem Preisschild einsteigen kann und will, landet man unweigerlich bei einem der wenigen Anbieter, die das bezahlbare Segment konsequent bedienen.
Unser Proband heißt Pro-Ject Debut Carbon Esprit und kostet 420 Euro. Klar, dafür gibt‘s auch schon ein gescheites Smartphone (ohne Vertrag), aber das ist natürlich bei Weitem nicht so cool wie ein richtiger Plattenspieler. Zumal die „Esprit“-Variante des Debut Carbon auch schon das größte der drei lieferbaren Modelle darstellt: Der Debut Carbon Basic ist mit einem einfacheren Tonabnehmer und einem Stahlblechteller ausgestattet, der Debut Carbon Premium mit Stahlblechteller und besserem Abtaster. Stahlblech beim Teller? Lieber nicht. Ich bin nicht der Meinung, dass ferromagnetische Materialien in unmittelbarer Nähe eines mit ziemlich starken Magneten versehenen Tonabnehmers etwas zu suchen haben. Von daher: Nehmen wir doch gleich die Esprit-Variante, die 50 Euro Aufpreis sind sicherlich gut investiert. Dafür nämlich gibt‘s einen richtigen Acrylteller. Eine sauber gefertigte, innen hohl gedrehte Scheibe aus dem auch bei Laufwerken für viele Tausend Euro gerne gewählten Kunststoff. Der anerkanntermaßen gut zu bearbeiten ist, über eine hohe innere Dämpfung verfügt und klanglich als sehr neutral gilt. Den durch seine satinierte Oberfläche milchig-weißen Teller pflanzt der Hersteller auf eine solide MDF-Grundplatte, die es sauber glänzend lackiert in sieben Farbtönen gibt: Schwarz, Weiß, Rot, Lichtgrau, Gelb und Grün stehen zur Auswahl – oder eben ein ziemlich leuchtendes Blau wie bei unserem Testgerät. Nehmen wir mal die anderen Schlüsselkomponenten unter die Lupe: Als Antrieb fungiert ein angenehm leiser Wechselstrom- Synchronmotor, der unter dem Teller seinen Dienst verrichtet. Er ist gleich zweifach mit dem Chassis verbunden, respektive von ihm entkoppelt: Einerseits ist der Flansch, über den der Motor mit dem Chassis verschraubt ist, mit Sorbothanelementen entkoppelt, hinzu gesellt sich ein O-Ring, der für eine weitere Verbindung zwischen Zarge und Motor sorgt. Auf dem gestuften Motorpulley läuft ein mittelharter Flachriemen, der Drehzahlwechsel erfolgt durch Umlegen des Riemens auf der Riemenscheibe. Der Kunststoff-Subteller verfügt über eine eher dünne verchromte Edelstahlachse – was übrigens nicht dumm ist, durch die geringen reibenden Flächen läuft das Lager sehr ruhig – die in einer Buchse aus Messing steckt, um die vertikalen Kräfte kümmert sich eine Edelstahlkugel. Das Lager läuft definitiv sehr leicht, einmal per Hand (ohne Riemen) angeschubst, dreht der Teller minutenlang. Der Antrieb wird mal nicht aus einem Steckernetzteil versorgt, ein fest am Gerät installiertes Netzkabel versorgt die Apparatur mit Energie. Eingeschaltet wird per verdecktem Wippschalter an der linken Seite, das ist praktisch gelöst und kennt zudem keinen Standby-Verbrauch. Ein Highlight des Gerätes ist sicherlich sein Tonarm: Der „8.6cc“ ist ein knapp neun Zoll langer Arm aus Kohlefaser, in dieser Preisklasse mehr als ungewöhnlich. Das bis zum Lagerblock einteilige Rohr besitzt ein „angeformtes“ Headshell mit Langlöchern, zudem verjüngt sich das Rohr zum Ende hin leicht. Beide Maßnahmen sorgen für geringes Gewicht, maximale Steifigkeit und unterbinden Resonanzen weitgehend. Das Rohr wird kardanisch geführt, für die Vertikalbewegung sorgen Spitzenlager, die in einem ovalen Joch stecken. Für die Drehung in der Horizontalen sind leichtgängige Kugellager verantwortlich. Das Gegengewicht ist per Gummi vom Rohr entkoppelt und verfügt an seiner Vorderseite über eine verdrehbare Skala. Damit kann man die Auflagekraft des Tonabnehmers mit hinreichender Genauigkeit justieren, auch wenn man keine Tonarmwaage zur Verfügung hat. Antiskating? Gibt‘s auch. Klassisch per Faden und Zuggewicht in drei Stufen einstellbar. Was, wenn Sie mich fragen, in der Praxis völlig ausreichend ist. Die Signalanschlüsse des Arms werden auf zwei Cinchbuchsen an der Rückseite geführt, ein entsprechendes Kabel liegt bei. Bleibt der Tonabnehmer. Das Mittel der Wahl bei der Esprit-Variante ist ein MM-Abtatster von Ortofon namens „2M Red“, auch schon ein alter Bekannter und erwiesenermaßen eine sichere Bank bei Tonabnehmern oberhalb der „Holzklasse“. Mit einem Eigengewicht von 7,2 Gramm passt es prima an den Kohlefaserarm, zu dem es optional noch ein Gegengewicht für leichte Abtaster von 4,5 bis 6 Gramm gibt. Mit einer Nadelnachgiebigkeit von 20 mm/N ist es eher weich aufgehängt, auch das passt gut. Der Nadelträger sitzt recht gut geschützt im Systemkörper, was die Anfälligkeit für „Unfälle“ in Grenzen hält. Mit einer Auflagekraft von 18 Millinewton fühlt es sich am wohlsten, was, wie gesagt, auch ohne Werkzeug problemlos einstellbar ist. Erfreulicherweise muss man das allerdings gar nicht, denn das Gerät kommt komplett voreingestellt aus dem Karton. Erfreulicherweise gehört zum Lieferumfang auch eine stabile Abdeckhaube; für die Montage der Scharniere benötigt man denn tatsächlich auch mal einen Schraubendreher. Wer die Haube weglassen will – kein Problem. Was Sie sonst noch brauchen, ist eine ebene Stellfläche – eine Höhenverstellmöglichkeit gibt‘s bei den weichen Gerätefüßen nämlich nicht. Dafür reagiert der Pro-Ject sehr wenig auf die Beschaffenheit des Unterbaus, ein nicht zu wackeliger Regalboden tut‘s allemal. Und jetzt? Strom dran, Phonoeingang dran, Platten auflegen, Spaß haben. Das Ding rockt. So betreiben, nichts dran ändern. Die an dieser Stelle gerne gegebene Empfehlung: „Ein höherwertiger Abtaster reizt Laufwerk und Arm noch weit besser aus ...“ – nö. Alles gut. Die Kombi leistet sich keinerlei Schwächen und spielt absolut schlüssig. Jake Buggs ziemlich brutale Akustikgitarrenarbeit klingt genauso ruppig wie sie soll, auch die Stimme tönt richtig schön rotzig-frech. Acrylteller klingen ein wenig tot? Alles Quatsch, die Fuhre hier marschiert ordentlich. My Sleeping Karma rocken mit dem dringend erforderlichen Bombast, da trauen wir uns doch auch gerne mal an etwas anspruchsvollere Kost: Sehr gefallen tut das offensichtlich Paul Kuhn, dessen „Live at Birdland“ detailliert, emotional und erfreulich gut im Raum sortiert aus der Rille kommt. Sogar die „Höchststrafe“ in Gestalt des ausgezeichneten rückwärts abzuspielenden Tacet- Boleros meistert der „Blaumann“ ziemlich souverän: Er muss doch jetzt mal dynamisch irgendwann einknicken? Nein, tut er nicht. Und meine kommende Antwort auf die Frage: „Du, ich will mir mal wieder einen Plattenspieler kaufen, was nimmt man denn da so?“, steht ab sofort fest.
Fazit
Da zahlen sich die über 20 Jahre Erfahrung aus: Das hier ist ein technisch makelloses, gestalterisch anspruchsvolles und klanglich völlig untadeliges Produkt. Große Klasse!