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>> Mehr erfahren>> Alle anzeigenEinzeltest: Jadis Thalie
Graveyard Waltz
Wir kennen Jadis in erster Linie als Hersteller hoch spannender Röhrenverstärker. Außerdem gibt’s seit den Neunzigern sehr ambitionierte CD-Player. Plattenspieler? Fehlanzeige. Bis jetzt
Mitspieler
Tonabnehmer:
Lyra Etna
Transfiguration Phoenix
Denon DL-103
Phonovorstufen:
MalValve preamp three phono
Vollverstärker:
Accuphase E-600
Lautsprecher:
Audio Physic Avantera
Klang + Ton Nada
Zubehör:
Netzsynthesizer Accuphase PS1210
div. NF-Kabel
Phonokabel van den Hul
Lautsprecherkabel von Transparent
Plattenwaschmaschine von Clearaudio
Gegenspieler
Plattenspieler:
Transrotor Fat Bob / Reed 3p
Sperling L-2 / Fuchs-Tonarm
Phonovorstufen:
MalValve preamp three phono
Und dabei wäre es doch so naheliegend gewesen: Sie bauen Röhrenelektronik vom Feinsten, nicht zu vergessen ausgezeichnete Phonovorstufen, aber Quellen waren bei Jadis bislang ausschließlich digital. Es dauerte bis zum unlängst gefeierten dreißigsten Firmenjubiläum, um endlich eine analoge Quelle auf Kiel zu legen.
Mit der „Thalie“ hat man das nunmehr gründlich korrigiert: Das Paket aus Laufwerk und Tonarm ist ein echtes Monument des Plattenspielerbaus, will aber entsprechend entlohnt werden: 40.000 Euro gilt es zu entrichten. Informationen zum Gerät gibt es nur sehr spärlich, aber das ist nicht weiter schlimm: In bester Jadis-Tradition liegt dem Gerät ein Lowtech-Ansatz zugrunde, dessen Funktionsprinzipien sich weitgehend aus der Anschauung ergeben. Ein erster Stolperstein mag die Namensgebung sein: „Thalie“, zu Deutsch Thalia, kann eine der drei Grazien aus der griechischen Mythologie sein, also eine Göttin der Anmut. Oder auch die Muse der komischen Dichtung und der Unterhaltung. Für welche Deutung Sie sich entscheiden, liegt ganz bei Ihnen. Und weil das Thema Plattenspieler für Jadis Neuland war, holte man sich für die Entwicklung kompetente Hilfe ins Boot: Wesentliche Ideen für Thalie stammen von einem Mann namens Pierre Riffaud, der auch unter eigenem Namen ziemlich monumentale Vinylabspielmaschinen baut. Von denen ich zugegebenermaßen noch nie etwas gehört habe. Was eindeutig meiner Ignoranz anzurechnen ist, denn der Mann ist augenscheinlich sein über 30 Jahren aktiv und hat seine Kreationen schon bei allen möglichen Gelegenheiten präsentiert. Seine Handschrift ist beim Jadis-Dreher jedenfalls unverkennbar, und es war sicherlich eine gute Idee, einen Mann für den Job anzuheuern, der ähnlich denkt wie die Verstärkerentwickler bei Jadis. Bei Jadis war man schon immer Freund des bedingungslosen „Keep-It-Simple“- Ansatzes. Und so sucht man bei der schwergewichtigen Dame (das Gerät wiegt locker 80 Kilogramm) vergebens nach technischen Raffinessen, findet aber umso mehr „richtigen“ Maschinenbau mit luxuriöser Dimensionierung aller Teile und denkbar präziser Fertigung. Thalie hätte gerne eine entsprechend belastbare Stellfläche mit mindestens 68 Zentimetern Breite und 55 Zentimetern Tiefe. Damit ist sie in diesem an Riesenlaufwerken nicht eben armen Heft das ausladendste Modell. Kinder bis etwa zwölf Jahren dürfen das Gerät also gerne als Karussell benutzen, die dafür erforderliche Stabilität ist in jedem Falle vorhanden. Thalie ist ein Subchassislaufwerk denkbar klassischer Machart. Das „Subchassis“ ist eine Granitplatte in den Dimensionen eines Grabsteins, die von drei „Türmen“ gehalten wird. Aus den drei Zylindern ragen drei Füße heraus, die weich und wenig bedämpft ausgehängt sind. Durch Verdrehen der Füße kann man deren Höhe verstellen und das Laufwerk dadurch ausrichten. Kaum weniger wuchtig als die Basis ist der Plattenteller dieses Laufwerks geraten. In seinen Dimensionen ist er mit dem des Sperling L-2 an anderer Stelle im Heft vergleichbar, sonst mit so ziemlich gar nichts. Das Gewicht der mit einer Stufe am unteren Rand versehenen Scheibe liegt demnach auch in der Gegend von 20 Kilogramm. Für seine Montage gibt’s ein unverzichtbares Werkzeug mit einem Haltegriff und zwei Gewindestangen, ohne das ist der Brocken kaum sicher zu manövrieren. Der Teller trägt in der Mitte eine Messinghülse, die die Verbindung zum Lager übernimmt. Über dessen Aufbau kann ich wenig sagen, weil es komplett geschlossen ist und deshalb vermutlich auch keine Wartung benötigt. Es wird durch eine große Bohrung in der Laufwerksbasis verschraubt, oben und unten sorgen Papierdichtungen für ein gewisses Maß an Entkopplung von der Granitplatte. Der untere Teil der Achse ist konisch geschliffen, und auf diesem Konus klemmt der Teller nach dem Aufsetzen unverrückbar. Diese Verbindung zwischen Lager und Teller ist absolut steif, die erforderliche Entkopplung besorgt der erwähnte Messingeinsatz. Gefällt mir gut, diese Konstruktion. Natürlich neigt der gewaltige Teller zum Klingeln. Dem schiebt die dicke Grafitmatte zuverlässig einen Riegel vor: Klopfversuche mit aufgelegter Matte enden ausgesprochen unspektakulär. Und wie bekommt man so ein Prachtexemplar von Teller auf Touren? Mit einem entsprechend dimensionierten Motor. Den Job macht hier ein Synchrontyp vom bestens beleumdeten Hersteller Crouzet. Der steckt in einer (wie überraschend) gewichtigen Metallhülse, die wiederum eine luxuriöse Unterstellbasis spendiert bekam. Die braucht man, um den Motor kippen zu können, dazu verfügt sie über zwei Einstellschrauben. Der Motor ragt durch eine große Bohrung links hinten auf dem Chassis und sollte keinen Kontakt zur Granitplatte habe. Der Aufbau des Laufwerks gestaltet sich wegen dieser Anordnung etwas ungewöhnlich: Man baut zuerst den Motor samt Basis auf und stülpt dann die Laufwerksgrundplatte darüber. Hinzu gesellt sich eine trickreiche Führung des Motoranschlusskabels, das will nämlich mit dem Lagerzylinder auf der Rückseite verbunden werden – dort sitzt der Netzschalter. Geschwindigkeitsumschaltung? Es gibt so etwas Ähnliches: Der Motor, dessen Welle übrigens mit einer zusätzlichen Schwungmasse ruhig gehalten wird, verfügt normalerweise über ein Pulley, mit dem das Gerät 33,3 Umdrehungen macht. Wer 45 will, der muss eine zusätzliche Hülse über das Pulley stülpen. Deren größerer Außendurchmesser besorgt die nötige Drehzahlerhöhung. Das ist eine herrlich archaische, aber durchaus funktionale Lösung. Thalie gibt es nur im Paket mit Tonarm. Und zwar mit einem Zwölfzöller der rustikaleren Art: ein Einpunkter, wie er klassischer nicht sein könnte. Den Abtaster führt ein dickes Alurohr, das rückseitig in einem Lagergehäuse aus Edelstahl mündet. In seinem Inneren gibt’s die Aufnahme für den Lagerdorn, seitlich sind zwei Auslegergewichte zur Einstellung der Lateralbalance angebracht. Eins davon ist fest, eins durch ein Gewinde im Abstand veränderlich. Das Gegengewicht sitzt auf einem genau auf Höhe des Lagerpunktes angebrachten Gewindestift und hat ebenfalls rekordverdächtige Abmessungen. Den Azimut kann man zusätzlich durch Verdrehen des Headshells (Aluminium) verändern. Das Anschlusskabel wird durch eine Tülle auf dem Lagergehäuse geführt. Das ist eine gute Idee, weil an diesem Punkt nur Drehkräfte auftreten und die Kabelführung die Bewegung des Arms kaum behindert. Der gesamte bewegliche Teil des Arms ist mit einem Handgriff abnehmbar und bringt stattliche 1,2 Kilogramm auf die Waage. Wer vermutet, dass diese Anordnung auch dynamisch zu den eher schwereren gehört, tut dies zu Recht: Eine verlässliche Angabe zu diesem Punkt habe ich nicht, aber das Ding wird ordentlich effektive Masse haben. Der Arm ruht auf einer Edelstahlspitze, die wiederum auf einer dicken Lagerachse befestigt ist. Die Anordnung ist sogar in der Höhe verstellbar: eine seitlich angebrachte Rändelschraube ermöglicht nach Lösen der Klemmung unten an der Basis das Heben und Senken des Arms. In der Praxis funktioniert das ähnlich miserabel wie beim Fuchs-Tonarm auf dem Sperling-Laufwerk an anderer Stelle in diesem Heft: Die große Entfernung zwischen Einstellgewinde und Achse sorgt fast zwangsläufig für ein Verkanten, so dass man immer mit der Hand „nachschieben“ muss. Theoretisch muss ein bretthartes Tonabnehmersystem unter diesen Arm. Nur hatte ich leider gerade kein passendes Ortofon SPU oder Miyajima da. Erfahrungsgemäß funktionieren die großen Lyras auch mit schweren Armen, und so durfte das Etna ausnahmsweise seinen angestammten Platz im Reed 3p verlassen. Mit quasi dramatischen Konsequenzen. Was dieser Abtaster in dem französischen Schlachtschiff anrichtet, das hätte ich nämlich nicht im Entferntesten erwartet. Masse macht Ruhe, Feinzeichnung und Fluss? Von mir aus – aber das hier, das macht erst einmal etwas anderes: Dynamik wie ein Reibradlaufwerk. Unglaublich, mit welcher Wucht Jadis und Lyra „Give Gravittation to the People“ der Münsteraner Schwergewichts- Kapelle „Black Space Riders“ in den Raum drücken. Das sind gefühlte drei Dezibel mehr Tieftonenergie als bei allen zum Vergleich herangezogenen Laufwerken. Sie stehen auf eine opulente Raumabbildung? Die gibt’s hier. In allen Dimensionen. Okay, vielleicht dürften die Konturen hier und da ein wenig schärfer sein, auch geraten ein paar Ereignisse in ihren Abmessungen ein wenig zu groß – aber wen juckt‘s? Die Fuhre geht so dermaßen los, dass es eine wahre Freude ist. In tonaler Hinsicht herrscht zudem lehrbuchmäßige Akkuratesse: Der Jadis beherrscht das gesamte Spektrum ohne Vorlieben, er kann den Black-Metal- Shouter genau so wie Renata Tebaldi. Klassische Musik gehört ohnehin zu den Dingen, denen das französische Schwergewicht besonders zugetan ist: Großorchestrales mit Autorität und ohne den geringsten Wackler abzubilden, ist eine der Paradedisziplinen dieses Gerätes. Wer erwartet hatte, dass Jadis auf Basis eines Grabsteins ein akustisch mehr oder weniger totes Gerät baut, sieht sich aufs Angenehmste eines Besseren belehrt: Das geht so nach vorne, dass die Toten tanzen wollen.Fazit
Eine der im denkbar positiven Sinne „heftigsten“ Begegnungen, die man mit der Plattenwiedergabe haben kann: Der Jadis-Plattenspieler schafft eine großartige Synthese aus Stabilität und Hemdsärmeligkeit – das ist keinesfalls ein Widerspruch.Kategorie: Plattenspieler
Produkt: Jadis Thalie
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