Über den Köpfen rumpelt es. Mit der ihr eigenen Eleganz belächelt die weltberühmte Wuppertaler Schwebebahn gewissermaßen die unter ihr im Stau stehenden Autofahrer auf der Kaiserstraße in Vohwinkel. Halb rechts taucht ein zweigeschossiger Glasaufbau auf, der deutlich mit der ihn umgebenden Architektur bricht
Mitspieler
Phonovorstufen:
Burmester 100
MalValve preamp three phono
Vollverstärker:
Quad II Classic Integrated
Lautsprecher:
Progressive Audio Diablo
Zubehör:
Netzversorgung von PS Audio
NF-Kabel von Transparent
Phonokabel von Straight Wire
Lautsprecherkabel von Transparent
Gegenspieler
Plattenspieler:
Rega RP1 Performance
Scheu Premier / SME 309 / Benz ACE SL
Womit Cargo Records im prallen Leben der Quasi-Hauptstadt des Bergischen Landes angesiedelt wäre. Was sich nämlich nicht ohne Weiteres erschließt: Das Unternehmen ist einer der, wenn nicht der größte Plattenvertrieb(e) in diesem unserem Lande. Will sagen: ein Gutteil dessen, was wir beim Vinyldealer unseres Vertrauens in die Tüte stecken, ist schon einmal durch Wuppertaler Hände gegangen.
Und natürlich gibt’s im Erdgeschoss einen gescheiten Plattenladen, wo es das hauseigene Vinylsortiment direkt zu kaufen gibt. Sollten Sie also mal in der Nähe sein – ein Besuch hier lohnt auf alle Fälle. Platten haben sie also zur Genüge, die Cargo-Leute. Was sie bis dato nicht hatten, war ein Plattenspieler. Vor Ort dreht der eine oder andere ziemlich gebrauchte Klassiker vornehmlich japanischer Provenienz (wenn mich die Erinnerung nicht täuscht) seine Runden, aber die sind zum Probehören im Plattenladen, nicht für den Verkauf. Und eigentlich hat Cargo Records auch gar nicht vor, sich mit Plattenspielern ein weiteres Standbein zu schaffen. Trotzdem gibt es jetzt ein hübsches Maschinchen namens „33punkt3“, das die Wuppertaler selbst ins Rennen schicken. Es kostet 1.200 Euro und wird dem Markt nicht beliebig lange erhalten bleiben: Das Gerät ist auf 333 Stück limitiert. Das wird reichen, um der eigentlichen Mission des Herstellers ein wenig Vorschub zu leisten: Cargo Records verkauft Platten. Und der Plattenspieler ist in erster Linie dazu da, auch solchen Zeitgenossen Platten verkaufen zu können, die bis dato kein passendes Abspielgerät hatten. Nichts beliebig Aufwendiges, keine Aneinanderreihung von Sensationen – der 33punkt3 zielt nicht auf den abgeklärten Highender, der schon alles gesehen und gehört hat und nur noch mit Superlativen hinter dem Ofen hervorzulocken ist. Dieser Plattenspieler ist für Menschen gedacht, die vom Musikhören kommen und ein faires Angebot suchen. Das könnte mit dem reduzierten, aber durchaus gelungen gestylten Gerät prima klappen. Erdacht und konzipiert wurde es in Wuppertal, die Fertigung gab man in bewährte Hände: Gebaut wird bei Ulla Scheu in Berlin. Da konnte man auf ein breites Sortiment an bewährten Komponenten zurückgreifen, was die Entwicklung nicht unwesentlich erleichtert haben dürfte. Der 33punkt3 ist auf einem MDF-Chassis in charakteristischer Schmetterlingsform aufgebaut. Standardmäßig ist es in Schwarz oder Weiß lieferbar, auf Wunsch sind aber auch andere Farbtöne machbar. Unter den vorderen „Flügelspitzen“ und hinten mittig sitzen dämpfende Gerätefüße in SSC-Technik; hier wird die Elastizität über die Spannung trickreich angeordneter Fäden erzeugt. Der Plattenteller ist ein 30 Millimeter starkes Acrylmodell, in dem ein invertiertes Tellerlager steckt. Hier machte man augenscheinlich aus der Not eine Tugend: Das Lagergehäuse ist eigentlich viel zu lang für den Plattenteller, so dass es unten rund zwei Zentimeter heraussteht. Eine passende Metallhülse besorgt den richtigen Abstand des Kragens an seinem Rand zur Tellerunterkante. Der Vorteil dabei: Man bekommt viel mehr Führungslänge, als bei diesem Teller eigentlich möglich wäre. Die Tellerachse ist der von Scheu bekannte, ziemlich mächtige 16 Millimeter durchmessende Stahlzapfen, auf dessen Oberseite eine extrem harte Keramikkugel thront. Jener läuft gegen einen Kunststoff-Lagerspiegel im Deckel der Lagerhülse. Der Spiegel hat ein kleines Loch, die Tellerachse ist ebenfalls hohl. So kann man, seit vielen Jahren eine Scheu-Spezialität, das Lager durch die Tellerachse ölen, ohne den Teller abnehmen zu müssen. Dieses Lager ist für einen so zierlichen Plattenspieler eigentlich total überdimensioniert, dürfte dafür aber bis in alle Ewigkeiten zuverlässig seine Runden drehen. Der Antriebsmotor ist in der linken hinteren Ecke des Gerätes verborgen. Dabei handelt es sich um einen geregelten Gleichstrommotor, von dem man nur das kleine Pulley aus Acryl und die Montageplatte (schwarzes Acryl) sieht. Als Bindeglied zum Teller fungiert ein dünner geknoteter String. Ein passend vorgeknotetes Exemplar liegt bei, Material für viele weitere ebenfalls: Eine ganze Rolle des Materials – es handelt um sogenanntes „unsichtbares Nähgarn“ – gehört zum Lieferumfang. Auch wenn das Gerät 33punkt3 heißt – es kann auch 45. Und dafür muss man nicht einmal Hand an den String anlegen, es gibt eine elektronische Geschwindigkeitsumschaltung. Der links an der Geräteunterseite angeordnete Schalter kennt drei Stellungen: 33,3 Umdrehungen, 45 und aus. Beide Geschwindigkeiten sind fein einstellbar, aber das ist so ganz trivial nicht: An die mit dem Schraubendreher zu betätigenden Potis kommt man nur von unten, was das Handling etwas erschwert. Am besten wird’s wohl gehen, wenn man den Plattenspieler „aufbockt“, so dass man gleichzeitig am Poti drehen und die Markierungen der Stroboskopscheibe im Auge behalten kann. Der auf dem 33punkt3 montierte Tonarm ist ebenfalls ein alter Bekannter: Er entstammt den Regalen des britischen Herstellers Rega und ist ein Nachfahre des berühmten RB250. Also ein klassisch kardanisch gelagerter Arm, dessen Herzstück ein vom Headshell bis zum Lagergehäuse einteiliges konisches Aluminiumrohr bildet. Ach, das wussten Sie schon? Kein Wunder – kein Tonarm dürfte jemals auf so vielen verschiedenen Plattenspielern verbaut worden sein wie der kleine Rega. Mittlerweile ist er etwas aus der Mode gekommen, seinen Qualitäten allerdings tut das keinerlei Abbruch. Die online verfügbare Bedienungsanleitung unterschlägt die Antiskating-Einstellung übrigens komplett, auch findet das Thema Tonabnehmereinbau dort nicht statt. Erst einmal ist das kein Beinbruch, denn das Gerät wird weitgehend voreingestellt geliefert und sollte sich binnen weniger Minuten in Betrieb nehmen lassen. Bleibt noch der Tonabnehmer. Auch hier ging Cargo keinerlei Experimente ein, zum Einsatz kommt ein solides MM von Ortofon namens Super OM10. Keine schlechte Wahl, wenn man bedenkt, welche Sorte Musik Cargo mit dem 33punkt3 verkaufen will: Der Softwarekatalog ist fast ausschließlich mit Rock und Pop der lebendigeren Gangart bestückt. Da das kleine Ortofon ein Tonabnehmer mit durchaus kerniger Gangart ist, passt das sehr gut. Den ersten Beweis dafür erbrachten erst einmal die Foo Fighters auf „Wasting Light“. Der Cargo-Dreher zeigt nämlich sehr locker, dass das analog eingespielte Album der Mannen um Dave Grohl ein untypisch gut klingendes Rock-Album ist, und meine Güte – hier geht das Ding richtig. Der 33punkt3 legt eine ordentliche Schippe Kohlen auf, „White Limo“ klingt so zornig, wie es muss, „Dear Rosemary“ hat Wucht, Bauch und Wärme – so muss das. Die Eignung für impulsreiches Material untermauerte auch „The Percussion Record“ nachhaltig. Das Schlagwerk kommt voluminös und ordentlich konturiert. Gewiss, in Sachen Attacke und Auflösung gibt’s Tonabnehmer, die das kleine Ortofon in die Schranken weisen, aber zum Einstieg taugt das System sehr gut. Auch Gesangsstimmen zeichnet es füllig und saftig, eher mit einem gewissen Hang zur Harmonie denn zur Analyse. So funktioniert auch Loreena McKennitts glockenklares Organ hier sehr gut, Ausflüge ins Land der Schärfe stehen nicht auf dem Programm. Die Raumabbildung ist von der kompakten, aber ordentlich gestaffelten Sorte. Die Kombination schafft es immer wieder, die Lautsprecher „unortbar“ zu machen, was ich für einen Aufbau dieser Güte für sehr erstaunlich halte. Und Klassik kann man damit nicht hören? Aber klar doch. Auch ohne echte Einschränkungen. Allerdings mit Einschränkungen bei der Grobdynamik zum Beispiel eines großen Orchesters und bei der Transparenz komplexer Strukturen. Abbruch tut das dem Spaß an der Sache überhaupt nicht, und die Ausbaubarkeit ist ja stets gegeben.
Fazit
Keine Probleme, keine Überraschungen, dafür aber jede Menge Spaß: Der 33punkt3 macht seinen Job, nämlich die Mission „Vinyl“ in die Welt zu tragen, ausgezeichnet. Er klingt erdig, substanziell und nachdrücklich – ein äußerst faires Angebot.