Kategorie: Plattenspieler

Einzeltest: 47 Lab Koma


Das Ding aus einer anderen Welt

Plattenspieler 47 Lab Koma im Test, Bild 1
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Er geistert seit Jahren durch die Plattenspielerlandschaft, so richtig seiner habhaft ist aber kaum einer geworden: Der Plattenspieler des japanischen Herstellers 47 Lab. Wir freuen uns deshalb sehr, Ihnen das exotische Stück hier präsentieren zu können

Mitspieler



Phonovorstufen:


Burmester 100
Pure Sound P10 / Übertrager


Vollverstärker:


Quad II Classic Integrated


Vorverstärker:


MalValve preamp four line


Endverstärker:


SymAsym


Lautsprecher:


Progressive Audio Diablo
Audio Physic Scorpio 25


Zubehör:


Netzversorgung von PS Audio
NF-Kabel von Transparent
Phonokabel von Straight Wire
Lautsprecherkabel von Transparent


Gegenspieler



Plattenspieler:


Transrotor Fat Bob / SME 3500 / Grado Statement
Clearaudio Master Reference / Universal / MFSL 3.5


Es begann mit einem frustrierten Mann. Das jedenfalls ist der erste Satz der „About Me“-Rubrik des Herstellers. Was folgt, ist nichts weiter Ungewöhnliches: Viele Unternehmen des hochwertigen HiFi-Segments sind aus der Unzufriedenheit mit dem aktuell Erhältlichen entstanden.

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Bei Junji Kimura war’s das Verzweifeln an der klanglichen Unzulänglichkeit damaliger CD-Wiedergabetechnik gegenüber der Schallplatte. Und deshalb begann er, CD-Laufwerke der etwas anderen Art zu bauen, das erste Gerät feierte sein Debüt auf der CES 1995. So etwas macht er bis zum heutigen Tag, so richtig bekannt aber wurde das Unternehmen mit Verstärkern die, wie Sie schon vermuten, auch nicht so ganz aussahen wie alle anderen. Das Modell „4706 Gaincard“ ist bis heute Legende, machte es doch den integrierten Chip- Verstärker in der HiFi-Welt salonfähig. Kimura und sein Partner Koji Teramura brauchten für den kompletten Verstärkerzweig eines Kanals lediglich neun Bauteile und 32 Millimeter Signalweg, und das sorgte für Aufruhr in der Gemeinde. Und bei den Selbstbauern, die das Konzept begeistert adaptierten und unter dem Namen „Gainclone“ in die Welt des Internets trugen. Seitdem gibt es eine unüberschaubare Fülle von Variationen des Themas, und ich bin geneigt zu vermuten, dass dieser Umstand den Erfindern des Originals nicht geschadet, sondern ihren Nimbus weiter zementiert hat. Das Programm von 47 Lab wuchs über die Jahre, mittlerweile ist man mehr oder weniger ein Vollsortimenter in Sachen Musikwiedergabe. Seit einigen Jahren gehört auch ein Plattenspieler zum Lieferprogramm, der wiederum vor lauter Innovationen kaum laufen kann. Er hört auf den Namen „Koma“ (was im Japanischen sicherlich überhaupt nichts mit der deutschen Entsprechung des Begriffs zu tun hat) und kostet 12.000 Euro. Ihm zur Seite stehen der Tonarm „Tsurube“ für 2.300 Euro und der MC-Abtaster „Bee“ zu 1.500 Euro. Das auffälligste Merkmal des Koma ist zweifellos der Umstand, dass er über zwei Teller verfügt. Auf den zweiten Blick erkennt man eine simple, aber trickreiche Führung des Antriebsriemens über zwei Umlenkrollen. Diese Anordnung sorgt dafür, dass die beiden Aluminiumteller gegenläufig rotieren. Sie fragen sich zu Recht, warum man unterhalb des eigentlichen Plattentellers einen zweiten montieren sollte, der sich andersherum dreht – in Sachen Drehmoment könnte man mit einem einzigen Teller doppelter Dicke doch genau das Gleiche erreichen? Absolut richtig. Der Trick steckt im gegenläufigen Drehsinn. Kimura erklärt das ganz anschaulich: Würde man auf einem Boot im Wasser einen konventionellen Plattenspieler betreiben, würde sich das Boot irgendwann im Gegenuhrzeigersinn um die Tellerachse drehen: Die Reibung des Lagers sorgt für ein wenn auch geringes Drehmoment auf der Tellerachse. Und da Kimura es für erstrebenswert hält, sein Laufwerk nach außen komplett kräftefrei zu halten, ersann er den zweiten Teller, der ein exakt entgegengesetztes Moment erzeugt. Beide addieren sich zu null – voilà. Die Konstruktion ist dabei so simpel wie effektiv – es gibt nämlich kein klassisches Vertikallager. Beide Teller laufen auf einer gemeinsamen, in der Aluminiumbasis verankerten Tellerachse. In den Tellern stecken zwei Lagerbüchsen für die horizontale Führung, die Vertikallagerung erfolgt ausschließlich magnetisch. Dafür sind auf der Basis um die Achse und um die Lagerhülse im unteren Teller ringförmige Neodymmagneten angeordnet; nach praktisch dem gleichen Prinzip arbeitet beispielsweise das CMB-Lager von Clearaudio. Hier allerdings wurde schlicht noch eins draufgesetzt: Der zweite Teller stützt sich abermals magnetisch vom ersten ab. Eine Konstruktion, die ich mich nie zu bauen getraut hätte, aber die Praxis zeigt: Es funktioniert hervorragend, und auch beim oberen Teller kann ich keinerlei Anzeichen von Höhenschlag erkennen. Die Achse ragt nicht ganz durch den zweiten Teller durch; die Platte wird von einem abgesetzten „Stöpsel“ mit angedrehter Achse zentriert. Auf diese Weise ist der Zentrierdorn von der rotierenden Tellerachse entkoppelt, was sicherlich eine gute Idee ist. Der Theorie, nach der die Anordnung Gleichlaufschwankungen ausmerzen soll, mag ich nicht recht folgen; jene bestimmt unter anderem der Motor, der auf beide Teller gleichermaßen wirkt. Auch Dinge wie Riemenschlupf und Lagerreibung verschlechtern den Gleichlauf, und diese Parameter sind für beide Teller getrennt zu betrachten. Dass sich da etwas kompensiert, kann ich erst einmal nicht erkennen. Den Antrieb besorgt ein seitlich angeflanschter Motor. Ich vermute mal, dass es sich hier um einen Gleichstrommotor handelt, denn seine Drehzahl ist per Poti an der Seite einstellbar, und größeren elektronischen Aufwand zur elektronischen Steuerung eines Synchronmotors kann ich nirgends erkennen. Eine Drehzahlumschaltung auch nicht; wer Singles hören will, muss den Antrieb notgedrungen per Stroboskop auf 45 Umdrehungen justieren, 78 Touren wären übrigens auch drin. In Sachen Entkopplung gibt sich der Koma pragmatisch: Es gibt keine. Drei Füße (die beiden hinteren sind in der Höhe verstellbar) koppeln das Laufwerk hart an den Untergrund an, und genau so ist das auch gedacht: Kimura möchte einen definierten Pfad zur Ableitung der Resonanzen schaffen. Interessantes gibt’s noch vom Netzteil des Plattenspielers zu berichten. Bis jetzt habe ich nicht entschlüsseln können, aus welchem Material die Behausung der kompakten Einheit besteht. Ich vermute, dass es sich bei dem leichten, harten und strukturierten Material um Keramik handelt. Wer das jetzt schon für ungewöhnlich exotisch hält, dem wird beim Betrachten des Tonarms Tsurube zweifellos der eine oder andere kalte Schauer den Rücken hinunterlaufen: Das Ding nämlich ist eine komplett durchgeknallte Konstruktion. Es mag zwar ein wenig wie das Resultat jahrelangen Basteltriebs aussehen, ist es aber nicht: Der Tsurube ist mit einer Vielzahl höchst innovativer Ideen gespickt. Keinesfalls sollte man das filigrane Stück jedoch in die Hände von Unkundigen geben; hier zu guten Ergebnissen zu kommen, erfordert Engelsgeduld und zwei sehr ruhige Hände. Der Tsurube ist ein kardanisch gelagerter Arm, bei dem die beiden Bewegungsebenen voneinander getrennt sind. Der vordere Armteil, an dem der Tonabnehmer sitzt, ist kurz vor dem hinteren Ende geteilt; an dieser Stelle sitzt das Vertikallager. In der Horizontalen bewegt sich hier gar nix. Das kommt erst später, denn der durchgängige zweite Armteil wird an der Basis nur in der Horizontalen drehbar gelagert, hier ist die vertikale Ebene steif. Der Sinn der Sache besteht darin, die dynamischen Massen in beiden Ebenen unabhängig voneinander gestalten zu können. Bis hierhin nicht ganz unähnlich funktionieren die bekannten Arme von Dynavector. Das rückwärtige Gewicht dient somit nicht etwa der Einstellung der Auflagekraft, es kompensiert lediglich die Masse des vorderen Armteils, so dass das Horizontallager nicht einseitig belastet wird. Die Auflagekrafteinstellung geschieht ungleich trickreicher: Auf dem hinteren Armstück ist ein Ausleger fest montiert, an dessen Ende eine Art Balken drehbar montiert ist. Dessen vorderes Ende ist per Feder mit dem vorderen Armprofil verbunden. Auf der anderen Seite des Balkens gibt’s ein verschiebbares Gewicht, und damit stellt man die Auflagekraft ein. Will sagen: Wir haben eine Art Kran, der die Gewichtskraft am Tonabnehmerende reduziert. Sehr exotisch, sehr gewöhnungsbedürftig, in der Praxis tut’s aber ohne Fehl und Tadel. Grundvoraussetzung allerdings ist eine penibel waagerechte Ausrichtung des Laufwerks, sonst läuft der Arm beim Betätigen des Lifts überallhin, nur nicht dort, wo man ihn haben will. Besagter Lift drückt einfach auf den hinteren Teil des Balkens und hebt den Abtatster somit an. Nun verfiel Junji Kimura aber auf die Idee, hier noch eine mechanische Endabschaltung zu integrieren. Prinzipiell eine ausgezeichnete Idee, viel zu wenige Arme haben so etwas heutzutage noch. Kimuras Lösung ist wieder einmal sehr trickreich: Aus der linken Seite des Armrohrs ragt ein kleiner Stahlstift heraus. Schwenkt der Arm nach innen, wird dieser Stift irgendwann auf das Gestänge des Tonarmlifts auflaufen und es, korrekte Justage vorausgesetzt, über seinen oberen Totpunkt kippen und den Lift auslösen. Damit das funktioniert, muss die Liftmechanik penibel so justiert sein, dass der Lift nur noch minimale Auslösekräfte braucht. Ich muss gestehen: Ich hab’s nur in Ausnahmefällen so hingebracht, dass die Auslösung funktionierte. Meistenteils war die vom Nadelträger zu erbringende Kraft so groß, dass die Nadel in der Rille sprang, wenn man in die Nähe das Auslösebereiches kam. Ich bin mir aber sicher, dass das mit genügend Geduld und Spucke hinzubekommen ist. Es gibt eine nennenswerte Anzahl von Einstellmöglichkeiten für diese Funktion, und das muss gehen. Bliebe noch der „Besen“ vorn am Headshell. Er ist in der Höhe verstellbar und sorgt nicht nur für Sauberkeit in der Rille, sondern für eine Dämpfung unerwünschter Tonabnehmerbewegungen. Beim Abtaster „MC Bee“ handelt es sich um ein klassisches MC-System mit einem dicken Neodymklotz als Magnet, Aluminium- Nadelträger und einer Nadel mit elliptischem Schliff. Mit sechs Ohm ist der Generator recht niederohmig, 0,3 Millivolt Ausgangsspannung stellt kaum eine Vorstufe vor Probleme. Davon allerdings hatte ich zunächst eine Menge, bevor das 47-Lab-Paket klanglich zu überzeugen wusste. Fest steht, dass der Vertrieb gut daran getan hat, mir eine Menge Zubehör zu der Maschine mitzuliefern. So erwies sich die Standfläche als reichlich kritisch, und in der Tat zeigte die leichte Massivholzplatte „SoundBoard“ mit drei untergelegten Holzwürfeln vom Typ „SoundCube“ deutlich bessere Ergebnisse als eine massive Tischplatte. Auch bevorzugt der Abtaster eindeutig einen Übertrager als Abschluss, aber auch da hat Herr Kühn etwas Passendes von Pure Sound eingepackt. Von dem de facto unbezahlbaren Audio-Note-Kondo- Kabelsatz will ich gar nicht erst erzählen. Es hat Tage gedauert und war so schwierig wie noch bei keinem anderen Plattenspieler, der mir je untergekommen ist, aber letztlich hat’s geklappt: Dieses genauso seltsame wie faszinierende Ensemble hat Musik gemacht – und wie: Der Koma klingt extrem leicht und locker, verarbeitet auch gemeine Bassimpulse mit spielerischer Raffinesse, differenziert auch in tiefen Lagen ungemein überzeugend. Das Einzige, was ihm abgeht, ist die Urgewalt großer Masselaufwerke, die aber nur in den seltensten Fällen den Charme des Japaners haben. Die berühmte Karajan-Aida war ein Genuss allererste Güte auf diesem Plattenspieler, der gerade die ganz leisen Töne vorzüglich beherrscht. Bei dieser Einspielung passiert ganz viel kurz oberhalb der Grasnarbe des Rauschens, Koma & Co. leisten hier vorzügliche Detailarbeit. Tatsächlich ist die extreme Ruhe der Kombination eine ihrer auffälligsten Merkmale – hier rauscht und rumpelt es extrem wenig. In der Raumabbildung kompakt, aber mit extrem tiefer Bühne und toller Differenzierung der Einzelereignisse – absolut überzeugend. Der Stimmenbereich tönt sehnig, schnell und klar, die Höhen ausgedehnt, aber sanft. Das ist ein Klangbild, von dem man, hat man sich einmal daran gewöhnt, kaum mehr weg will. Das Potenzial ist also da, aber ich betone nochmals: Das ist kein Plattenspieler für Gelegenheitshörer. Mit dem Laufwerk und dem Arm muss man sich beschäftigen und auch ein bisschen quälen – dann spielt’s aber großartig.

Fazit

Das ist kein Plattenspieler, sondern eine Herausforderung. Wer sie meistert, wird mit einem dynamischen, ehrlichen und extrem leichtfüßigen Klangbild mit Mengen von Details belohnt.

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Produkt: 47 Lab Koma

Preis: um 12000 Euro

9/2011
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Autor Holger Barske
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Datum 05.09.2011, 10:50 Uhr
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