Mein lieber Kollege Thomas Schmidt ist ein durchaus kritischer Zeitgenosse, wenn es um HiFi geht. Ab und an stellt sich jedoch die äußerst seltene Gelegenheit ein, dass er über ein Gerät ins Schwärmen kommt. Dann höre ich immer ganz genau hin, denn bis jetzt war immer was dran. Neulich war‘s mal wieder so weit. Auslöser in diesem Fall: ein Lautsprecher von Xavian
Mitspieler
Plattenspieler:
Acoustic Solid Machine mit SME M2-12 und Clearaudio Goldfinger
Phono-Vorverstärker:
Malvalve preamp three phono
Vollverstärker:
Audio Flight FL Three
Zubehör:
Netzleiste: HMS
Stromkabel: Silent Wire
NF-Kabel: Silent Wire
Phonokabel: Van den Hul
Lautsprecherkabel: Intertechnik
Racks: Copulare
Gegenspieler
Manger Zerobox 109
Focal Diablo Utopia
Spendor S
Es war die schlanke Standbox Giulietta, die ihm den Kopf verdrehte. Vor mir steht in diesem Moment eine Kompakte aus gleichem Hause und die interessante Frage, ob was dran ist an der Begeisterung.
XN 270 Evoluzione – würde man von der Schönheit des Namens auf die Güte des Klangs schließen können, hätte ich wohl schon verloren. Tatsächlich ist die XN-Serie bei Xavian eine Klasse höher angesiedelt als die der Giulietta. Dementsprechend kostet die XN 270 Evo ob ihrer Kompaktheit mit 3.200 Euro pro Paar tatsächlich 350 Euro mehr als die Box von Kollege Schmidt. Dafür gibt‘s natürlich auch mehr. Ein noch solideres Gehäuse, eine geneigte Front für optimales Zeitverhalten und einen größeren Tiefmitteltöner. Hinter dem Namen Xavian steckt der in Tschechien lebende Italiener Roberto Barletta, seines Zeichens bekennender Opernfreund und genau deshalb mit einem klaren Ziel für seine Lautsprecher: Musik wie live dabei sollen sie machen. Dafür kommt natürlich nur das Beste in die Tüte. Viel Holz, ausgesuchte Zutaten und natürlich legendäre Chassis aus Skandinavien. Den 18-cm-Tiefmitteltöner werden Kenner zu schätzen wissen. Wer die geschlitze Membran nicht identifizieren kann, sollte diese Wissenslücke unbedingt füllen: Es ist der 18-cm- Revelator von Scan-Speak, mit dem sich die Dänen ein weiteres Denkmal schufen und ihre Position als einer der besten Chassishersteller weiter festigten. Sie entlockten den Woofern traumhafte Frequenzgänge, sehr geringe Klirrwerte und exzellentes Großsignalverhalten. Ähnliche Weihen erreichten auch die Revelator-Hochtöner aus Videbæk. Sie werfen regelmäßig Bestwerte in Messlaboren ab und gehen in Sachen Frequenzumfang schon fast als Breitbänder durch. Genau dieses gutmütige Wesen prädestiniert die Kalotten für flach gefilterte Zweiwegsysteme wie die XN 270 Evo. Die große Fläche der 29-mm-Gewebekuppel, der geringe Klirr und das ausgewogene Spiel bis in den Mittelton hinein ermöglichen die Übernahme mit großem Überlappungsbereich, welche den Chassis Höchstleistungen abverlangt. Gleichzeitig schont die sanfte Filterung die Phase und übt sich in Sachen Energievernichtung in Zurückhaltung. Die Fertigung der Gehäuse findet in Tschechien statt, wohl einer der besten Orte für preisbewusste Herstellung in exzellenter Qualität. Für die XN 270 Evo zieht Xavian mitteldichte Faserplatte in mindestens 22 mm Stärke heran, der Front gönnen die Macher gar satte 30 mm. Echtholzfurnier ist in fünf Farbtönen verfügbar und exzellent verarbeitet. Eine Spielerei, aber irgendwie doch nett: der in das Furnier eingeprägte Xavian-Schriftzug unterhalb des Woofers. Der ist auf der unteren Hälfte seines Korbes in die Front eingelassen, oben sitzt er dagegen auf. Das gestattet ihm, besonders nah an den Hochtöner heranzurücken – eine beliebte Methode, sich dem theoretischen Ideal einer Punktschallquelle anzunähern. Einen ähnlichen Zweck verfolgt die nach hinten geneigte Front. Sie bringt die Schallentstehungsorte der beiden Chassis auf eine Ebene und rückt das Timing zurecht. Interessant in diesem Zusammenhang ist auch eine Eigenschaft der XN 270, die man heute nur noch äußerst selten antrifft: das geschlossene Gehäuse. Dabei ist es genau diese Bauweise, die für einen besonders sauberen Tiefton bekannt und beliebt ist. Ihr einziges Problem ist die Papierform. In Rechenbeispielen und Computersimulationen zieht die geschlossene Variante gegenüber Bassreflex und Co. den Kürzeren in Sachen Wirkungsgrad und Tiefgang. Und da man Klang nicht ablesen kann, drängen die ventilierten Geschwister ihren geschlossenen Urahn schnell und unauffällig in eine weniger frequentierte Ecke des Oberstübchens. Wenn ich ganz ehrlich bin: Auch ich war skeptisch, als ich die XN 270 Evoluzione zum ersten Mal erblickte. Ein 18-cm-Woofer in einem so kompakten geschlossenen Gehäuse? Ich wusste zwar um die exzellenten Qualitäten des Revelators in jeder Situation, aber Physik ist eben Physik, und ein Woofer muss die Beine schon etwas ausstrecken können, um sich wohl zu fühlen. Also ab in den Hörraum damit. Die Ständer für die perfekte Höhe gibt es bei Xavian für 900 Euro das Pärchen. ST 612 Metallico ... der Name passt zur Box. Optisch eher auf der technischen Seite, aber ein massives und bestens verarbeitetes Teil. Höhenverstellbare Spikes am Fuß, die Boxen fest mit der oberen Platte verschraubt, dazwischen kleine Gummipuffer –schön gemacht! Jetzt nur noch die Kabel dran ... oho, endlich mal wieder echte WBTs. Und ein Typenschild aus Echtleder, mit eingeprägtem Text. Irgendwie verstehe ich den Kollegen Schmidt bereits. Es ist einfach ein schönes Produkt. Man guckt, fühlt, riecht -– und ist rundum zufrieden. Wenn‘s jetzt auch noch so klingt ... wo muss ich unterschreiben? Spannung vor den ersten Tönen. Und dann stehen „sie“ da. Jane Monheit. Eva Cassidy. Alison Krauss. Und sie klingen. Und wie sie klingen. Wörter wie „tonal ausgewogen“ und „sehr detailreich“ erscheinen so schnell in meinem Kopf wie sie wieder verschwinden. Diese Eigenschaften treffen zwar auf die Xavian zu, machen aus einem äußerst angenehmen Klangerlebnis aber einen technischen Vorgang. Die Box hat einfach das gewisse Etwas. Sie verströmt diese musikalische Ruhe, dieses wohlige Gefühl, dessen Existenz man schon fast vergessen hatte. Oft drängelt sich die Technik in den Vordergrund und vernebelt die Essenz des Musikhörens. Die Xavian kehrt selbiges um. Was auch immer Roberto Barletta gemacht hat – er hat es gut gemacht. An diesem Lautsprecher stimmt einfach alles. Vielleicht ein simples Fazit, aber ein äußerst treffendes. Erlauben Sie mir aber noch einen kleinen Ausflug in den Tieftonbereich. Sie wissen, ich war skeptisch – mit Betonung auf „war“. Denn was die XN 270 Evo produziert, ist nicht nur erstaunlich für eine so kompakte Box, es ist von exzellenter Qualität. Fragen nach fehlendem Tiefgang wischt die Evo mit einem derart soliden, druckvollen Fundament vom Tisch, wie es mir selten vergönnt war. Dabei versucht sie sich nicht mal in irgendwelchen künstlich spektakulären Mätzchen, sondern macht einfach nur alles richtig. Selbst Klassik zwingt die italienische Tschechin nicht in die Knie. Spätestens dieses Genre legt üblicherweise die natürlichen Limits einer Kompaktbox frei. Die XN 270 lässt sich allerdings auch von Großorchestralem nicht die Butter vom Brot klauen. Geschlossene Augen lassen ob der klanglichen Substanz deutlich größere Lautsprecher vor dem geistigen Auge erscheinen, und auch Lautstärke weicht den Klang der Xavian nicht auf.
Fazit
Die Xavian XN 270 Evoluzione ist ein kompakter Lautsprecher, dessen Summe an perfekten Eigenschaften ihn fast schon wieder unspektakulär erscheinen lässt. Optisch wie verarbeitungstechnisch perfekt, nur beste Zutaten, optimale Messwerte, traumhafte Musikalität, weitreichende Räumlichkeit und ein in allen Belangen exzellenter, ausgewogener und detailverliebter Klang – kann man einem Lautsprecher ein besseres Zeugnis ausstellen?