Ein Totem ist ein Objekt, zu dem ein Mensch oder eine Gruppe von Menschen eine besondere, ja magische Beziehung pflegt. Passt irgendwie, denn die meisten Audiophilen dürften eine ganz besondere Beziehung zu ihrer HiFi Anlage pflegen. Und dass einem der Musikgenuss über eine gute Anlage magische Momente bereiten kann, wird auch kein engagierter Musikhörer bestreiten. Ob das aber letztendlich der Grund ist, warum Vince Bruzzese seine 1987 in Montreal, Kanada gegründete Lautsprecherfirma „Totem Acoustic“ genannt hat?
Mitspieler
Plattenspieler:
Transrotor Zet 1 mit SME 5012 und Transrotor Merlo Reference
Phonovorstufe:
Pure Sound P10, Übertrager T10
Vorverstärker:
Rogue Audio 99
Endstufe:
Rogue Audio Stereo 90
Vollverstärker:
Symphonic Line RG14
Krell S-550i
Zubehör:
Netzsynthesizer PS Audio P10
NF-Kabel von van den Hul und Transparent
Phonokabel Transparent
Lautsprecherkabel von Transparent
Plattenwaschmaschine von Clearau
Gegenspieler
Lautsprecher:
Audio Physic Avantera
Klang+Ton Nada
Vince fühlt sich bei der Entwicklung seiner Lautsprecher in besonderer Weise der Musik verpflichtet und beschreitet zum Erreichen seines Klangideals meist eigene, unorthodoxe Wege. So betrachtet er Frequenzweichen als notwendiges Übel und beschränkt sich hier auf das Notwendigste.
Irgendwelche unerwünschten Macken seiner Lautsprecher mithilfe der Frequenzweiche aufzufangen ist sein Ding nicht. Dahinter steht der Gedanke, dass ein Chassis das Musiksignal möglichst unmittelbar in Schall umsetzen sollte und dass jedes vorgeschaltete Filter das Chassis nur bremst. Gleiches gilt auch für Dämmmaterial im Lautsprechergehäuse, dass er so sparsam wie irgend möglich einsetzt. Damit ist klar, dass Lebendigkeit und Dynamik ganz vorne im Pflichtenheft von Totem Lautsprechern stehen. Dafür ist Bruzzese gerne bereit, in anderen Bereichen Kompromisse einzugehen. Lehrbuchmäßige Messwerte darf man bei einem Totem-Lautsprecher nicht erwarten. Dafür aber einen ganz vorzüglichen Klang, wovon wir uns schon mehrfach überzeugen konnten. Zuletzt anhand der kleinen Dreamcatcher, die wir in der Ausgabe 6/2012 der LP vorgestellt haben. Diesmal geht es nicht um eine zierliche Kompaktbox, sondern um einen Standlautsprecher, allerdings einen der eher schlanken Sorte. Die neue „Signature“-Version des seit 17 Jahren gebauten und immer wieder behutsam modellgepflegten Modells „Forest“ hat den Weg in unsere Redaktion gefunden. Die Forest Signature ist eine gut 90 Zentimeter hohe, schlanke, rechteckige Säule, die auf drei Alu-Füßen steht. Der mittig angeordnete vordere Fuß beherbergt einen Spike. Dadurch, dass sich der Spike in seinem Gewinde mehr oder weniger weit eindrehen lässt, kann man die Neigung der Lautsprecher variieren. Sie sollte so eingestellt werden, dass die Hochtöner auf die Ohren zielen. So gleicht Totem elegant die geringe Bauhöhe der Forest aus. In den hinteren Füßen befinden sich Aussparungen, in denen je eine kleine Gummikugel steckt. Ansonsten empfiehlt Totem die Forest für kleinere bis mittlere Räume. Sie darf gerne etwas näher an der Wand stehen – so ab 1,5 bis maximal 0,5 Meter. Als idealen Hörabstand empfiehlt Totem 2 bis 3 Meter. Bei der Forest Signature handelt es sich um eine Zweiwege-Bassreflexbox. Was auf den ersten Blick wie eine recht edel gemachte, aber letztendlich wenig aufregende Box aussieht, entpuppt sich bei näherer Betrachtung als das genaue Gegenteil. Das fängt bei den Treibern an. Der 6,5-Zoll- Tiefmitteltöner mit 3-Zoll-Unterhangschwingspule hat während der 17-jährigen Evolutionsgeschichte der Forest diverse Modifikationen erfahren. Er wurde nach Vorgaben von Totem von einem kanadischen Chassishersteller entwickelt. Auch die Alu/Titan-Hochtonkalotte ist alles andere als Stangenware. Natürlich werden alle Chassis streng selektiert. Nach Angaben von Totem erfüllen nur zehn Prozent der gelieferten Treiber die strengen Anforderungen, die sie für den Einbau in die Forest qualifizieren. Das Gehäuse arbeitet nach dem Bassreflex-Prinzip. Allerdings setzt man bei Totem nicht auf die gängige Abstimmung nach Thiele/Small, sondern hat eigene Formeln und Tabellen zur Gehäuseberechnung entwickelt. Bei der Forest kommt ein spezielles Doppelkammersystem zum Einsatz. Aus diesem Grund sitzen auf der Rückseite der Totem zwei Bassreflexöffnungen. Die beiden Rohre sind übrigens aus Alu gedreht und schwarz anodisiert – so viel nur zur Detailversessenheit der Kanadier. Das Gehäuse selbst enthält wenig Dämmmaterial. Dafür ist es sorgfältig versteift und bis ins Detail optimiert. Das geht so weit, dass selbst die Einflüsse der Innenbeschichtung aus Borsilikat im Zusammenhang mit dem außen auf das Furnier (wahlweise Mahagoni oder Kirsche) aufgetragenen Hochglanz-Polyersterlack auf das Resonanzverhalten des Gehäuses berücksichtigt wurde. Die beiden Treiber werden von einer Frequenzweiche zweiter Ordnung bei 2500 Hz getrennt. Die Bestückung Frequenzeiche liest sich wie ein „Who is who“ der Premium- Hersteller des Weltmarkes. Auch hier setzt Vincent Bruzzese auf eine selbst entwickelte Filtertopologie. Das Bi-Wiring- Terminal auf der Rückseite besteht aus vier WBT- Klemmen. Die sind für europäische Verhältnisse sehr dicht beieinander angeordnet, kommen aber damit der amerikanischen Praxis, fertig konfektionierte, zweipolige Stecker zum Anschluss der Lautsprecher zu verwenden, entgegen. Im Messlabor erlebten wir die ersten Überraschungen mit der Totem Forest Signature. Zum einen kann man die von Totem angegebenen 30 Hz untere Grenzfrequenz nachvollziehen, sofern man die Grenze mit -10 dB bezogen auf den Durchschnittspegel ansetzt. Das ist durchaus zulässig wenn man berücksichtigt, dass die Lautsprecher ja in einem Raum, und nicht unter Freifeldbedingungnen eingesetzt werden. Zum anderen ist sie die Totem mit den saubersten Messwerten, die wir bisher im Messraum hatten. Der Frequenzschrieb zeigt neben der beeindruckenden Basstauglichkeit als einzig weitere erwähnenswerte Auffälligkeit noch eine Resonanz der Metallkalotte. Die liegt aber bei rund 30.000 Hz und damit außerhalb des bewusst wahrnehmbaren Bereichs. Bis auf eine kleine Störung bei 700 Hz zeigt das Wasserfalldiagramm ein schnelles Ausschwingen. Die nächste Überraschung folgte dann im Hörraum, wo die optisch eher unscheinbaren Lautsprecher mit einer ungeheuren Souveränität und Spielfreude loslegten. Ihre zierliche, optisch eher unauffällige Erscheinung machten sie sofort vergessen. So wenig, wie man den Totem messtechnisch auf die Schliche kommt, kann man ihre Qualitäten an den üblichen Hörkriterien messen. Tiefe saubere Bässe – ja! Tendenziell eher auf der etwas runderen als der pulvertrockenen Seite, dafür aber mit ordentlich Substanz. Ausdrucksstarke, fein aufgelöste Mitten? Sicher! Ein spritziger Hochtonbereich, der sich trotzdem jeder Härte oder Schärfe enthält? Nahe am Ideal! Grob wie feindynamische Qualitäten? Kein Anlass zur Kritik! Präzise Klangfarben, Details in Hülle und Fülle? Alles da, alles auf sehr hohem Niveau. Eine sehr plastische, wunderbar authentische Räumlichkeit ... Muss ich weitermachen? Und trotzdem ist das alles keine wirkliche Erklärung dafür, warum die Totems so für die Musik begeistern, die man gerade hört. Kleine Jazz-Besetzugen, etwa das Lisa Bassenge Trio, reproduzieren die Forest Signature dynamisch, stellen die Stimme klar in den Raum, machen alles richtig. Aber noch viel entscheidender ist, dass einfach der Funke überspringt. Man spürt die Leidenschaft der Sängerin, den Spaß der Musiker am Interagieren. Auch großes Orchester bringen die Totem mit livehaftiger Größe und Energie rüber, dass man sich schwer entziehen kann. Ja, was die „formalen“ Qualitäten betrifft, gibt es sicher auch andere Lautsprecher, die mit den Totem Forest Signature mithalten können. Wenn es aber um die Aspekte von Musik geht, die man nicht so objektiv fassen kann, dann sind die kanadischen Lautsprecher ziemlich einmalig.
Fazit
Ob es nun Magie ist oder ob Vincent Bruzzese irgendetwas verdammt richtig macht: Unabhängig von ihrer Baugröße gehören die Totem Forest Signature zu den musikalischsten Lautsprechern, die mir je zu Ohren gekommen sind. Für alle, die in normal großen Hörräumen hören und auf Discopegel verzichten können, eine unbedingte Empfehlung!