Kategorie: Lautsprecher Stereo

Lautsprecher Spatial Europe MC Series No 6


Weiter, immer weiter

Lautsprecher Stereo Spatial Europe No 6 im Test, Bild 1
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Sollten Sie Robert Andorf nicht kennen, haben Sie etwas verpasst. Der Mann hinter den Spatial Europe Lautsprechern bricht seit Jahren Rekorde in der Produktentwicklung. Nun ist er gereift und mit ihm seine Lautsprecher.

Vollgas


Ich kenne Robert Andorf schon lange und wenn ein Mensch den Begriff „getrieben“ personalisiert, dann er. Andorf ist, wie er selbst sagt, Lautsprecher-Quereinsteiger. Auch wenn er schon als Teenager mit seinem Vater Lautsprecher gebaut hat, haben ihn theoretische Lücken gestört und er hat sich in den vergangenen Jahren vertieft mit den Grundlagen der Lautsprecherentwicklung beschäftigt, weil er wirklich verstehen wollte, warum das Eine funktioniert und das Andere nicht. So viel kann ich hier schon verraten: es hat sich gelohnt. Andorf hat immer interessante Lautsprecher und Konzepte auf den Weg gebracht, nun ist er angekommen.  

Schallwandgeschichten 1 

Andorf liebt offene Schallwände und die baut er auch. Diese Möglichkeit, Lautsprecherchassis einzubauen, erscheint erst einmal einfach, wird aber mit zunehmenden Ansprüchen herausfordernd.

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Offene Schallwände haben eine lange Tradition, im Kinobereich wurden sie früher häufig eingesetzt und kamen dort je nach Größe der Leinwand, hinter der sie montiert waren, einer unendlichen Schallwand schon recht nah. Speziell im Bassbereich wäre eine solche unendliche Schallwand die theoretische Ideallösung, denn damit könnte man Interferenzen von Direktschall sowie rückwärtiger Abstrahlung minimieren. Aber die Unendlichkeit auf der Erde hat ihre Grenzen.  


Schallwandgeschichten 2


Gilbert Briggs, der berühmte Wharfedale Mastermind, stellte 1956 seine SFB/3 Lautsprecher vor, mit denen er in der London Festival Hall und der Carnegie Hall für Erstaunen sorgte: es schien kaum ein Unterschied zwischen der zuerst aufgeführten Liveperformance und der über seine Lautsprecher hörbar. „SFB“ steht für „Sand Filled Baffle“, also sandgefüllte Platten. Für diese erste kommerzielle Schallwand der HiFi-Geschichte nutzte Briggs seitliche Ausleger, die die Schallwand stellsicher machten, vergrößerten und Interferenzen verminderten. Praktisch zur selben Zeit stellte Peter Walker seine legendären Quad ESL57 Elektrostaten erstmals vor, ebenfalls ein Dipol, eine offene Schallwand, die nach vorne wie nach hinten abstrahlt. Gilbert Briggs hatte übrigens mit Leak und Quad- Verstärkern vorgeführt, ganz zufällig war das alles nicht, die Sache lag offenbar in der Luft. In den 80er Jahren bekam das Thema durch die japanische Vintage-Szene mit einer nach dem goldenen Schnitt berechneten Schallwand für klassische Breitbänder wieder neuen Schwung.  


Konstruktion


Für seine Open Baffles, wie Schallwände neudeutsch genannt werden, verwendet Andorf seit einiger Zeit ein spezielles, besonders feuchtigkeitsbeständiges MDF, das gerade auch die Luftfeuchtigkeiten in Asien gut absorbieren kann.

Lautsprecher Stereo Spatial Europe No 6 im Test, Bild 11
Im Sockel sitzt die serielle Weiche, auf die besonders viel Hirnschmalz und Zeit verwendet wurde. Sie sorgt letztlich für den erwachsenen Klang
Hinzu kommt die besondere Dichte dieser MDF-Variante, die den Standard bei weitem übersteigt und daher natürlich auch teurer ist. Genauere Angaben bleiben wenig überraschend Betriebsgeheimnis. Die No 6 hat eine zweiteilige Schallwand mit insgesamt 76mm Stärke, dazu kommt noch das Echtholzfurnier. Besonders ist sein Design durch die Finite-Elemente-Methoden, die mit komplexen mathematischen Formeln ermittelt werden. Die ETH Zürich formuliert das so: “Etwas vereinfachter ausgedrückt werden komplexe Systeme (Tragwerke) in Komponenten (finite Elemente) aufgeteilt und mathematisch zu einem Gesamtmodell verknüpft.“ Konkret betrifft das die Fronten der Schallwände, wo an Schallknotenpunkten eben diese Elemente eingesetzt werden, um die Schallwand dünner und steifer zu machen. Final abgeschlossen wird das System durch die hauseigenen Absorber, sprich die Stellfüße. Ein Klopftest mit und ohne konnte das eindrucksvoll demonstrieren: ohne war ein deutliches Nachschwingen der massiven Schallwand zu hören. Klickte der Kugelspike aus Feuerbronze in den POM-Absorberfuß mit seiner Sylomerzwischenschicht ein, war nur noch ein schalltotes „Tock“ zu hören, da dieser Abschluss des „finiten“ Systems sowohl zum Boden hin als auch ins Gehäuse, sprich die Schallwand wirkt. Die schweren Wände stehen bombensicher auf dieser Konstruktion, die nach vielen Jahren des Experimentierens entstanden ist. Der extrem massive Standfuß besteht aus 60mm starkem Aluminium und sorgt für zusätzlichen Halt. Darunter ist die Weiche schallgeschützt montiert.  


Bass desires


Und hier muss natürlich die Frage aufkommen, die das Thema offene Schallwand begleitet: Wie schafft es Robert Andorf mit seinem Team, dem berüchtigten Bassmangel zu begegnen? Wir haben gelernt, dass eine unendliche Schallwand so ziemlich die beste Möglichkeit der Unterstützung eines Basstreibers ist. Uns ist klar, dass das nur Theorie ist. Mir sind mehrfach in Horninstallationen, speziell in denen mit klassischen Western Electric Komponenten, ziemlich große Bass-Schallwände begegnet, die ziemlich gut Bass konnten. Nur ist die No 6 ausgesprochen kompakt, sehr endlich sozusagen. Wie schafft er es also bis hinunter auf 22Hz zu kommen? Die wie wir gelernt haben ganz und gar nicht banale Schallwand liefert eine erste Antwort. Die anderen beiden kommen jetzt.  


Die Treiber


Die Antwort auf die Frage, wie die No 6 bis auf 22Hz hinunter kommen kann, muss man natürlich auch beim Basschassis suchen. Neben der ultrasteifen Schallwand und der aufwendigen Weiche, auf die ich noch zu sprechen komme, ist er der dritte Spielentscheider in Sachen Bassfähigkeit.

Lautsprecher Stereo Spatial Europe No 6 im Test, Bild 5
In Reih und Glied. Die kräftigen Treiber können ihren Job ungestört auf der massiven Schallwand verrichten
Er wird vom amerikanischen Profiausstatter Acoustic Elegance geliefert und kommt mit Gewebesicke und Ferritmagnet – was für ein Comeback dieses Materials. Acoustic Elegance schrieb mir dazu: “Das Chassis gehört zur LO-Serie, die mit dem Full Copper Faraday System ausgestattet ist, das eine massive Kupferhülse über den gesamten Pol nutzt, welche die Induktivität senkt und linearisiert, Wirbelströme unterbricht und die Wärme effektiv von der Schwingspule weg leitet. Das Ergebnis ist eine unglaublich niedrige Induktivität, geringe Verzerrungen und eine völlig rückwirkungsfreie Last, die mit allen Verstärkern gut funktioniert, besonders gut mit Röhrenverstärkern. Die LO-Serie hat eine kurze, unterhängende Schwingspule in einem hohen Spalt. Sie arbeitet viel linearer als der Standard und bietet eine flache BL-Kurve über den gesamten von Klippel geprüften Bereich von +/-9 mm Xmax. Das bedeutet, dass die Parameter über den gesamten Auslenkungsbereich konsistent bleiben und der Klang bei allen Lautstärken gleich bleibt. Das ist bei offenen Schallwänden besonders wichtig, wo eine höhere Auslenkung erforderlich ist. Die (hier parallel geschaltete) Doppelschwingspule mit 2“ Durchmesser ist mit sauerstofffreiem Rundkupferdraht auf einen nicht-induktiven Kapton-Former gewickelt. Sie hat eine Wicklungsbreite von 13 mm in einem 28 mm hohen Spalt, was eine Xmax von +/-9 mm ermöglicht. Die Kombination aus geringer Masse und unglaublich niedriger Induktivität (so niedrig wie bei vielen Hochtönern) sorgt für einen hohen Wirkungsgrad und eine enorme Erweiterung des Mitteltonbereichs und der hohen Frequenzen, die bei anderen Tieftönern nicht zu finden ist. “ Der Mitteltöner mit Textilsicke, behandeltem Papierkonus und auch Ferritmagnet ist ebenso von Beyma wie der große AMT, den Andorf modifiziert: die Abdeckung kommt weg und er wird mit einem Filzstreifen bedämpft.   

Die Weiche


Ich habe bei meinem Besuch in Ingolstadt gesehen, wie die Weiche von Hand bestückt wird und kann nur sagen: das sieht richtig lecker aus und braucht seine Zeit. Andorf sagt dazu: “Es gibt nur Kupferbahnen, die mit den Bauteilen über die Solidcore Kupferinnenverkabelung für den Bass und die Reinsilber Solidcore Innenverkabelung für Mittel- und Hochton direkt mit den Lautsprecherchassis verbunden werden. Die Nº 6 hat einen Kupferbahn- Leiterquerschnitt von 3,3 Quadratmillimetern.“ Entscheidend für die neue Qualität der Spatial Europe Lautsprecher und Basshelfer Nr. 3 war Andorfs Entdeckung der seriellen Weichenschaltung. Dabei werden alle Chassis in Reihe geschaltet und nicht wie sonst üblich parallel. Dadurch nimmt jede Veränderung in jedem Frequenzbereich Einfluss auf den Rest der Weiche, was den Aufwand beträchtlich steigert. Für das so überzeugende Ergebnis hat Andorf in den vergangenen zwei Jahren gut 70.000 Euro für Weichenbauteile ausgegeben, denn simulieren lässt sich eine solche serielle 3-Wege-Weiche wie im Fall der No 6 nicht. Die Schichtkernbassspule mit Backlackdraht wurde zusammen mit Mundorf entwickelt, die Kondensatoren für den Bass sind von Jantzen, Andorf verwendet viele kleine Werte, um die Bassdynamik noch weiter zu steigern. Mittel- und Hochtonbereich sind mit einer Folienwachsspule und einem Silberkondensator bestückt. Und hier noch einmal Andorf: “Wenn man bei einer seriellen 3-Wege-Weiche von Flankensteilheit sprechen kann, sind es 12 dB.“  

Feinheiten


Schaut man sich das Spatial Europe Konzept genauer an, fällt einem neben der regionalen Produktion die so wünschenswerte, plastikfreie, nachhaltige Verpackung und das umfassende Recycling- und Müllvermeidungskonzept auf. Inzwischen stellt Andorf auch seine Kabel selbst her und lässt sich von Audion Verstärker auf seine jeweiligen Lautsprecher anpassen. Da so eine Schallwand nach vorne und nach hinten abstrahlt, muss man sich mit der Aufstellung ein wenig beschäftigen. Mit den drei höhenverstellbaren Absorbern kann man ihre Neigung und damit den Direktschalleinfluss verändern. Er empfiehlt zwischen Wand und Lautsprechervorderkante eine Distanz von 75 bis 95 cm sowie einen Hörabstand von mindestens drei Metern. Mit der Einwinkelung der Schallwände darf man experimentieren, im Nahfeld kann es sogar sinnvoll sein, dass sich die Abstrahlung vor dem Hörplatz kreuzt.  


Klang


Ich habe den No 6 sowohl in Robert Andorfs Studio in Ingolstadt mit seinem auf den No 6 angepassten 300B Verstärker als auch im Verlagshörraum mit dem Soulnote A-2 ausgiebig gehört und bin von seinen klanglichen Fähigkeiten begeistert. Mit wie viel Finesse ich Melanie De Biasios theatrale Musiken erleben darf, wie sauber diese Schallwände ihre so spannende Musik wiedergeben, erstaunt mich sehr. Warum? Ich war von den Spatial Europe Lautsprechern einen anderen Klang gewohnt, der doch etwas mehr auf Drama gesetzt hat. Hier höre ich einen Lautsprecher, der sich selbst aus dem Spiel nimmt, maximal der Musik dient und Auflösung bis zum Abwinken bietet. Extrem gut lässt sich das bei Nils Frahm mit seinen sich steigernden Klavierkaskaden nachhören. Da wechseln sich Klavierstreichelungen mit Attacken ab, umweben mich feinste Klangstimmungen, bis ich über einen schier bodenlosen Bass beinahe erschrecke, der alle Schallwandskeptiker zu Fans machen dürfte: locker, farbig, ausgedehnt wie man ihn auch mit anderen Lautsprecher-Verstärker- Kombinationen nicht häufig zu hören bekommt. So bekommt auch die Stimme von Gregory Porter genau die Unterfütterung, die sie braucht. Im Gegenzug knallt und rockt Stevie Ray Vaughans unvergleichliche Gitarre mit einem Nachdruck in den Raum, der ihr ebenso gerecht wird. Und Sie müssen sich einmal Joey De- Francescos Hammondorgelspiel über diesen Lautsprecher anhören. Erst damit kann man wirklich verstehen, was er auch mit seinen Füßen im Bassregister geleistet hat.

Fazit

Robert Andorf wollte verstehen, wie er den Klang erreicht, hinter dem er sein Leben lang her war. Er hat sein Ziel erreicht und die beste offenen Schallwand gebaut, die ich je gehört habe

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Kategorie: Lautsprecher Stereo

Produkt: Spatial Europe No 6

Preis: um 19500 Euro

10/2024

Robert Andorf hat die beste offenen Schallwand gebaut, die ich je gehört habe

Spatial Europe No 6

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Ausstattung & technische Daten 
Vertrieb Mach One Classics / Spatial Europe / Ingolstadt 
Telefon 0841 33670 
Internet www.spatialeurope.de 
Garantie 10 Jahre 
H x B x T 457 x 110 x 76 mm 
Gewicht: 42 kg 
Unterm Strich... Robert Andorf wollte verstehen, wie er den Klang erreicht, hinter dem er sein Leben lang her war. Er hat sein Ziel erreicht und die beste offenen Schallwand gebaut, die ich je gehört habe 
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Autor Christian Bayer
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Datum 16.10.2024, 09:54 Uhr
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