Kategorie: Lautsprecher Stereo

Lautsprecher Russell K. Red 120


Ein echter Individualist

Lautsprecher Stereo Russell K Red 120 im Test, Bild 1
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Lautsprecher von Russell Kaufmann mögen optisch konventionell daher kommen. Schaut man aber hinter die Kulissen, entdeckt man einen Mann mit sehr unkonventionellen Überzeugungen.

Wenn ein Hersteller seine Produkte mit dem eigenen Namen koppelt, ist das immer ein Statement, denn er muss von seiner Arbeit so überzeugt sein, dass er sich offensiv vor seinen Geräten positioniert. Russell Kaufmann hat sich seine Ideen und letztlich das Selbstbewusstsein dafür bei berühmten Firmen wie Bowers & Wilkins oder Wharfedale und später beim Chassisherstelller Morel geholt. Er realisiert Designs, die es anderswo so nicht gibt. Inzwischen sind die Preise seiner Lautsprecher zwar deutlich angestiegen, das liegt aber an der allgemeinen Entwicklung der Rohstoffpreise, den Folgen des Brexits und einem neuen englischen Gehäusebauer mit deutlich gesteigerter Qualität.   

Prinzipien


Jeder Lautsprecherdesigner will erst einmal dasselbe: Musik möglichst unverfälscht wiedergeben. Russell Kaufmann ist da keine Ausnahme: eine Violine soll wie eine Violine klingen und eine Stimme wie eine Stimme samt der Emotionen, die in dem Vortrag enthalten sind.

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Nun hat der Mann sehr eigenwillige Vorstellungen entwickelt, wie er das erreichen kann und vor allem mit einem Designprinzip aufhorchen lassen: er setzt auf ganz unbedämpfte Gehäuse. Macht das sonst noch jemand? Mir fällt aktuell niemand ein. Man kann Lautsprecher auf 1001 Arten bauen inklusive der dazu gehörigen Philosophien. Die entscheidenden Stellschrauben sind die Wahl der Treiber, die Gehäusekonstruktion und das Weichendesign. Russell K. dreht an allem, besonders stark aber an der Gehäuseschraube.   

Treiberauswahl á la Russell K.


Wenig überraschend beginnt Russell Kaufmann seine Designs mit der Auswahl der Treiber. Und auch hier tut der Mann etwas sehr Eigenwilliges: er hört die Dinger nackt, also ohne Gehäuse. Ich habe ihn gefragt, wieso er das so tut und wie er mit all den entstehenden Phasenschweinereien und sonstigen Anomalien umgeht. Er hat es mir in unserem Videogespräch demonstriert. Zuerst legte er ein sehr gut beleumundetes Basschassis neben eins aus seiner Red 120 auf einen Tisch und verband beide mit einer Umschaltbox. Normalerweise nimmt er sie dazu in die Hand, dreht und wendet sie so lange, bis alle unangenehmen Nebenerscheinungen minimiert sind. Dann spielte er dasselbe Stück und schaltete zwischen beiden hin- und her. Der Unterschied war frappierend. Der eine Treiber klang wie kaputt, seiner sehr ordentlich. Diese Methode mag dem einen oder anderen Leser die Haare zu Berge stehen lassen, was ich durchaus verstehen kann. Nur muss man verstehen, dass es Kaufmanns Methode ist, mit der er arbeitet und mit der er ausgezeichnete Lautsprecher entwickelt. Er ist der Meinung, dass wenn ein Chassis auf diese Weise getestet scheußlich klingt, er es nicht gebrauchen kann. Das Ergebnis gibt ihm Recht.   

Gute Ware


Seinen Chassislieferanten in Polen hat er vor Jahren gefunden und ist ihm treu geblieben. Es sagt ganz klar, dass das keine Raketentreiber sind, sondern einfach gut gemachte Chassis. Bei den Tief(mittel)tönern bedeutet das eine akustisch optimierte und vor allem zum Schutz vor Feuchtigkeit in tropischen Gegenden imprägnierte Papiermembran. Dazu wie beim Hochtöner ein klassischer, kräftiger Ferritmagnet und eine Aluminiumschwingspule samt Kupferring zur Minimierung faradyscher Verzerrungen.  

Die Gehäuse


Wie schon erwähnt beschreitet Russell Kaufmann gerade hier ganz eigene Wege und dazu gibt es eine Geschichte.

Lautsprecher Stereo Russell K Red 120 im Test, Bild 6
Die Red 120 in ihrer ganzen Pracht. Der Lautsprecher wirkt dezent und doch eigen. Genau analog zu seinem Klang
Als er noch für B & W arbeitete, veranstaltete der bekannte HiFi-Journalist Paul Messenger regelmäßig Hörabende, an denen Russell gerne teilnahm. Einmal war auch der Epos Gründer Robin Marshall anwesend. Sie hörten mit Messengers 15 Zoll Tannoy Coaxialchassis, die in eine Wand eingebaut waren. Marshall schaute sich die Konstruktion genauer an und stellte fest, dass die Chassis von hinten bedämpft waren. Er gab Messenger den Rat, es ohne Dämpfung zu versuchen. Der war zwar skeptisch, tat aber wie ihm geheißen und es klang deutlich besser. Kaufmanns Vermutung ist, dass Energiespeichereffekte im Dämpfungsmaterial für diesen Klangunterschied verantwortlich sind. Der Unterschied war jedenfalls so drastisch, dass Russell daraus sein Designprinzip entwickelte.   

Die Mischung macht’s


Und das besteht darin, vollkommen unbedämpfte Gehäuse zu benutzen. Das funktioniert nach Kaufmanns Erfahrung jedoch nur mit dünnwandigen Gehäusen, wie sie die BBC in ihren Monitoren einsetzt – dort allerdings mit Bedämpfung. Dicke Gehäusewände speichern genau wie Dämmmaterialien Energie, was ja auch Sinn der Sache ist. Allerdings mischen sie laut Kaufmann den Anteil, der nicht in Wärme umgewandelt wurde, zu unerwünschten Zeitpunkten der Musik wieder bei. Er setzt 19er MDF für die Front wegen der Treibermontage und deren Gewicht ein, ansonsten sind es 16mm. Und dann wird’s interessant. Er leimt drei mit unterschiedlich vielen Löchern versehene Bretter jeweils unterhalb der Treiber quer ein. Sie sollen nicht nur das Gehäuse stabilisieren sondern auch für das nötige Resonanzmanagement sorgen und stehende Wellen bekämpfen. Er hat mir erzählt, dass die Anzahl der Löcher, die er empirisch ermittelt und dann messtechnisch verifiziert, in den Brettern eine unterschiedlich starke akustische Wirkung haben. Im Bass entscheidet ihre Anzahl, ob der aufgedickt und schwammig oder knackig-farbig klingt. Im Mitteltonbereich sind die Unterschiede eher gering, im Hochtonbereich wiederum deutlich. Dort ermittelt er die passende Anzahl an Öffnungen vor allem mit Aufnahmen von Stimmen. Steht die Stimme im Raum, passt es, irrt sie umher, gilt es weitere Löcher abzudichten. Er beginnt immer mit der maximalen Anzahl und stimmt dann wechselseitig mit Ohr und Messequipment ab. Unten gibt es noch ein viertes Brett mit einer internen Öffnung, die in den eigentlichen Bassreflexkanal mündet. Die Partitionen dienen auch dazu, Tief-Mittel- und Hochtonbereich effektiv voneinander zu trennen und die Frequenzen dort zu belassen, wo sie hingehören. Noch etwas hält Russell bei der Konstruktion seiner Gehäuse für ganz entscheidend: man sollte das Design von Anfang an ohne Bedämpfung planen, nur so könne man zum gewünschten Ergebnis kommen. Die clever mittig im Sockel angeordneten Spikes ermöglichen es, den Lautsprecher ruckzuck ins Wasser stellen zu können.   

Adäquate Weiche


Wie auch für alle anderen Aspekte seiner Lautsprecher hat Russell unzählige Stunden darauf verwendet, ein Weichendesign zu finden, das seiner Idee eines integrativen Klangs entspricht.

Lautsprecher Stereo Russell K Red 120 im Test, Bild 4
Hier sieht man sowohl die Spezialspule für den Basstreiber als auch die Partitionierung mit ihren definierten Löchern
Am Ende hat er sich für eine 12db Weiche entschieden, bei der nur eine Spule für den Tiefmitteltöner und ein Kondensator für den Hochtöner im Signalweg liegen. Der Übergang von Mittel- zu Hochton liegt bei relativ hohen 2.2 kHz. An der Weiche hat er ein halbes Jahr lang intensiv gearbeitet, nicht zuletzt an ihrer Positionierung im Gehäuse. Anstatt der üblichen Luftspulen setzt er eine Ferritspule ein. Die hat zwar den Nachteil, dass sie relativ schnell in die Sättigung gerät, aber einen für ihn entscheidenden Vorteil: einen sehr geringen Gleichstromwiderstand und wenig Streuverluste. Er lässt sie für seinen Einsatzbereich bauen. Mit der Weiche ist er so zufrieden, dass er sie seit Jahren verwendet und zwar für die Red 50 und die Red 120. Die ist faktisch eine Red 50 mit Subwoofer, die Treiber sind identisch. Der Bass wird mittels einer Eisenkernspule mit 6db ins Spiel gebracht und deckt nur den Bereich zwischen etwas optimistischen 30 und 80Hz ab. Dadurch erreicht er diesen berühmten Subwoofereffekt: Mitten und Höhen werden entlastet, der Bass gewinnt an Ausdehnung, Präzision und Schnelligkeit, der gesamte Lautsprecher klingt natürlicher. Zur Pegelanpassung des Hochtöners und zur allgemeinen Phasenlage der Russell K. Lautsprecher habe ich ausführlich vor fast fünf Jahren in der LP geschrieben. Hier nur so viel: der konsequente Individualist Kaufmann geht mit einer bewussten Fehlanpassung auch hier eigene Wege.   


Natürlich Musik


Ernst Reijseger hat viele Filmmusiken für Werner Herzog geschrieben und ist einer der weltweit brillantesten Cellisten. Im Zusammenspiel mit dem Pianisten Harmen Fraanje und dem Sänger und Percussionisten Mola Sylla hat er eine irre CD aufgenommen, die alle Genres sprengt und hervorragend zum Red 120 passt. Der scheint richtig Spaß mit dieser Musik zu haben, spielt ungeheuer durchsichtig und musikalisch nachvollziehbar. Damit meine ich, dass ich nicht über den Lautsprecher nachdenken muss, sondern mich der Musik widmen kann. Also lege ich Tracy Chapmans „Let it rain“ auf und da ist sie doch, ihre so charakteristische Stimme. Wieder höre ich einfach nur Musik, feinste Nuancen in Chapmans da schon gereifter Stimme, elegante Arrangements und große Songwritingkunst. Ihre Stimme steht mitten im Raum und scheint nur für mich zu singen, extrem persönlich und ausgesprochen natürlich. Aber ich muss natürlich auch mal ein wenig aufdrehen und schauen, wie der Red 120 mit Dynamik und elektronischen Schweinereien umgeht. Da kommt mir Björks „Vespertine“ genau recht. Das ist ein traumhaft schöner Mix aus Björkgesang und warmen, elektronischen, klanglich durchaus fiesen Elektrofrickeleien. Vorsichtig drehe ich auf und bin erstaunt, wie pegelfest die Red 120 sind, auch wenn ich sie nicht als Partyboxen bezeichnen würde. Viel wichtiger sind ihre hervorragenden Auflösungsfähigkeiten, denn sonst wird diese Musik schnell zum Klangbrei. Und wenn auf „Cocoon“ die harmonische Erlösung kommt, machen das die Red 120 auf betörendste Weise zu einem ergreifenden Fest.

Fazit

Ungewöhnliche Wege müssen nicht zum Ziel führen. Im Fall von Russell Kaufmann und seinen Red-Lautsprechern ist es aber so: er erreicht mit seinen Mitteln einen Klang, der überaus natürlich, modern und langzeittauglich ist und für passionierte Musikhörer genau das sein könnte, was sie immer gesucht haben.

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Kategorie: Lautsprecher Stereo

Produkt: Russell K Red 120

Preis: um 5700 Euro

2/2024

er erreicht mit seinen Mitteln einen Klang, der überaus natürlich, modern und langzeittauglich ist.

Russell K Red 120

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Vertrieb TAD / Aschau im Chiemgau 
Telefon k.A. 
Internet www.tad-audiovertrieb.de 
Garantie 2 Jahre 
H x B x T 910 x 200 x 190 mm (incl. Sockel und Spikes) 
Gewicht: etwa 12 kg 
Unterm Strich... Ungewöhnliche Wege müssen nicht zum Ziel führen. Im Fall von Russell Kaufmann und seinen Red-Lautsprechern ist es aber so: er erreicht mit seinen Mitteln einen Klang, der überaus natürlich, modern und langzeittauglich ist und für passionierte Musikhörer genau das sein könnte, was sie immer gesucht haben. 
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