Sie ist klein und zierlich, hübsch, aber nicht aufgedonnert, und besitzt eine unwiderstehliche Eleganz – das kann nur eine Französin sein
Mitspieler
Plattenspieler:
Linn LP12 „Akurate“
Transrotor Fat Bob S mit SME IV
Phonovorstärker:
ModWright PH150
EAT E-Glo
Verstärker:
AEC Vor-Endverstärker- Kombination
DIY 2A3
Zubehör:
Netzleisten von PS Audio, Silent Wire
Kabel von van den Hul, Silent Wire,
Basen von Liedtke Metalldesign, Thixar und Accurion
Gegenspieler
Lautsprecher:
Progressive Audio Extrem 1
Audio Physic Avantera
Der Vergleich mit der anderen französischen Box in dieser Ausgabe wäre ein bisschen unfair und unangemessen: Die Kelinac und der Davis Monitor 1 haben außer dem Herkunftsland nur eines gemeinsam: Es sind Zweiwegeboxen. Während man mit der großen Schwarzen zur Not auch mal ein Stadion beschallen kann, zielt die kleine Box auf ein deutlich intimeres Umfeld.
Die KEL 111MG – man kann es am vorderseitig platzierten Reflexrohr gut erkennen – darf und soll sogar ganz nah an die Wand, dazu aber später mehr. Nähert man sich der 111MG ganz unbefangen, dann kommt man nicht umhin, die schöne Echtholz-Oberfläche zu bewundern, die sauber gearbeitet ist und von einem guten Geschmack bei der Furnierauswahl zeugt. Kirsche heißt die Oberfläche der Wahl, selbstverständlich gibt es auch lackierte Varianten. Die angefasten Kanten der Schallwand scheinen sogar aus Massivholz zu bestehen – ich habe jetzt aber natürlich keine Messerprobe gemacht. Die Box hat eine handliche Größe und bei aller Schlichtheit ein „Gesicht“ – irgendwo zwischen der sperrigen Form-Follows-Function-Ästhetik der klassischen britischen Monitorlautsprecher und den barocken Walnussholz-Skulpturen aus Frankreich. Die matt lackierte Oberfläche ist perfekt gearbeitet, die Passungen der Chassis ebenso wie die des Terminals. An dieser Stelle hat man sogar auf echte Polklemmen aus dem Hause WBT zurückgegriffen – in Zeiten billiger Fälschungen sogar an Boxen durchaus renommierter Hersteller kann man das auch mal anerkennen. Dass man es ernst meint mit der Qualität, zeigen auch die handschriftlich vermerkten Seriennummern, die bei unserem Testpaar direkt nebeneinander liegen. Ich weiß nicht, ob die Chassis selektiert wurden – zumindest messen sich die beiden 111MG auch so gleich, dass die kleinen Abweichungen zwischen ihnen durch eine leicht unterschiedliche Messanordnung verursacht sein könnten. Wo wir gerade bei den Chassis waren: Diese stammen wohl aus der Fertigung von Audax, dem legendären französischen Chassis-Hersteller, der vor einigen Jahren ein Opfer der allgemeinen Abwanderung nach China wurde, inzwischen aber nach einigen Umstrukturierungen die Fertigung wieder aufgenommen hat. Der Tiefmitteltöner ist ein recht hart aufgehängter Geselle mit 13 Zentimetern Durchmesser und einer geflochtenen Membran, die stabil genug ist, um in einem sehr weiten Frequenzbereich ideal kolbenförmig zu schwingen. In der Regel haben solche Töner eine einzelne, gut bedämpfte Resonanz, die man auch bei unserer Testbox messen kann – ein insgesamt sehr gutmütiges Chassis, das dennoch eine klare Wiedergabe erwarten lässt. In Sachen Härte und Klarheit setzt der Hochtöner noch eins drauf: Die Kalotte besteht aus Magnesium – ein wegen des aufwendigen Fertigungsprozesses nach wie vor exotisches Material beim Hochtönerbau. Auch hier gibt es eine einzige, klar definierte Resonanzspitze oberhalb des menschlichen Hörbereichs und ansonsten eine extrem ausgewogene und komplett fehlerfreie Wiedergabe. Wer jetzt erwartet, so viel Fertigungsqualität und Technik kostet auch einen gesalzenen Preis, der sieht sich aufs Angenehmste enttäuscht: Das Paar Kelinac 111MG gibt es ab 1.600 Euro – so wie die hier getesteten Exemplare. Die weiß oder schwarz lackierten Versionen kosten wegen des Aufwands beim Lackieren 200 Euro mehr, Sonderwünsche im Rahmen der RAL-Farbpalette noch einmal 200 Euro mehr. Oben drauf gibt es mal eben so auch noch 10 Jahre Garantie! Bisher ist also alles im grünen Bereich, jetzt müssen sie nur noch klingen. Und wie sie klingen, hängt vor allem vom Benutzer ab: Das vorne in die Schallwand gesetzte Reflexrohr lässt es schon erahnen, unsere Messungen bestätigen es: Die 111MG muss zwingend wandnah aufgestellt werden. Die kleine Box ist so abgestimmt, dass ihr Schalldruckpegel unterhalb von 200 Hertz stetig abfällt – das bezieht sich aber auf eine Messung im Freifeld. Steht sie in Wandnähe, werden vor allem die tiefen Töne, die ein Lautsprecher ja in allen Richtungen gleich laut abstrahlt, von der zusätzlichen Begrenzungsfläche zurückgeworfen und verstärken den Tieftonbereich. Wie weit weg von der Wand sie stehen muss, ist individuell von Ihren Hörgewohnheiten und der Hörraumakustik abhängig, bei mir langte in einem etwa 20 Quadratmeter großen Raum eine freie Aufstellung auf Ständern etwas weniger als einen Meter von der Rückwand entfernt. Alternative: Freie Aufstellung mit Unterstützung durch einen oder mehrere Subwoofer. In diesem Fall lässt sich durch die abfallende Flanke mit Sicherheit eine passende Übernahmefrequenz finden. Ohne externe Bassunterstützung macht die 111MG einen klaren, für die Größe erstaunlich souveränen Bass, der die Vorzüge der steifen Membran verdeutlicht: Der Bass „rollt“ vielleicht nicht so charmant wie bei einer großen Papiermembran – man hat aber subjektiv den Eindruck, näher an der Wahrheit der Aufnahme dran zu sein. Egal ob‘s jetzt ultratief und elektronisch oder akustisch zur Sache geht, der kleine Tieftöner steht seinen Mann und liefert eine mehr als ordentliche Performance. Der Mitteltonbereich ist tendenziell auf Klarheit abgestimmt, vor allem Saiteninstrumente und Gesangsstimmen klingen sehr frei und luftig; eine Ausrichtung, die der vorzügliche Hochtöner unterstützt, der mit seinem exzellenten Rundstrahlverhalten ein ungemein offenes und lebendiges Klangbild in den Raum zaubert. Die vorzüglich aufgenommenen Vier Jahreszeiten, die jetzt von Stan Ricker für AudioNautes auf zwei 45er-LPs remastered wurden, werden ebenso offen und gleichzeitig feindynamisch exakt wiedergegeben, wie die etwas einfacher gestrickten ersten Alben von AC/DC. Ja, die Box ist leicht in Richtung Offenheit und Klarheit gesoundet, das tut aber dem Spaß an Musik, die Kraft und Wucht vermitteln möchte, keinen Abbruch. Zu guter Letzt noch das Experiment, bei dem es jeden anspruchsvollen Hörer schüttelt: Box ins Regal. Nun, es geht – wenn man auf die luftige und freie Räumlichkeit der Kelinac weitgehend verzichten möchte und ein eher rundes Bild bevorzugt. Ich tue das nicht und empfehle daher die zwar wandnahe, aber doch freie Aufstellung, bei der die kleine Französin ihre formidablen Qualitäten voll ausspielen kann.
Fazit
Eine vorzüglich gefertigte Box mit ausgefuchster Technik und Charakter. Wenn man die einfach zu erfüllenden Anforderungen an die Aufstellung berücksichtigt, dann hat man hier ein echtes Juwel zu einem mehr als günstigen Kurs gefunden.