Ach, das waren noch Zeiten. Damals, als Isophon noch eine Berliner Firma war und unter dem traditionsreichen Label große, schwere Lautsprecher vermarktet wurden. Und jetzt sowas
Mitspieler
Plattenspieler:
Simon Yorke S10 / Aeroarm /Jan Allaerts MC2
Phonovorstufen:
Burmester 100
AMR PH-77
Vorverstärker:
MalValve preamp three line
Accustic Arts Tube Preamp II
Endverstärker:
Accustic Arts Amp II
SymAsym
Zubehör:
Netzversorung von PS Audio und HMS
NF-Kabel von Transparent
Phonokabel von Straight Wire
Lautsprecherkabel von Transparent
Plattenwaschmaschine von Clearaudio
Gegenspieler
Lautsprecher:
Sonics Allegria 1.5
JBL 4430-Clone nach K+T
Südtiroler Skigebiet. Wenn ich das schon höre.
Schickimicki-Kram. Der Kerl soll Lautsprecher bauen, und zwar „richtige“. Dass er das kann, beweist er schon seit Jahrzehnten immer wieder. Er – das ist Roland Gauder, Doktor der Physik und ohne jeden Zweifel einer der profundesten Kenner des Metiers Lautsprecher, die wir derzeit haben. Das Südtiroler Skigebiet liegt bei San Cassiano und ist das, was ein verkäufliches Produkt heutzutage wohl sein muss: hipp. Zumal dann, wenn man 12.700 Euro dafür haben will. Die Isophon Cassiano ist eine ehefrauenkompatibel proportionierte Standbox: einen Meter zehn hoch, mit gerundeten Seiten, die Technik präsentiert sich in Form per Gitter geschützter weißer Membranen. Das wirkt edel, gefällig und ist meilenweit davon entfernt, als „Freak-Produkt“ verdächtigt zu werden. Zumal eine Vielzahl von Oberflächen lieferbar ist – die Möglichkeiten reichen von diversen Furnieren über eine Vielzahl von Lackoberflächen über Aluminium-Beplankungen, kurz: Eigentlich geht alles. Spielen wir noch ein bisschen mit Klischees. Gehäuseform? Ein bisschen B&W, wie so ziemlich alle anderen auch. Treiber? Keramik von Thiel. Die ultraharten Membranen muss man heutztage schon fast haben, wenn man ganz vorne mitspielen will. Die Bestückung mit zwei Siebzehnern, einem Mittel- und einem Hochtöner kennen wir so ähnlich auch von Lumen White, Marten und diversen anderen einschlägig Verdächtigen. Alles Leute, die zweifellos exzellente Lautsprecher bauen, und wenn jemand wie Roland Gauder einen ähnlichen Weg geht, dann kommt da bestimmt etwas Ordentliches bei heraus. So entstehen Vorurteile. Tatsächlich nämlich ist die Cassiano alles, aber kein Konglomerat aus sorgsam geklauten Konstruktionsdetails. So etwas hat Roland Gauder ob seines Wissens über Lautsprecher nicht nötig, und außerdem wäre ihm das auch viel zu blöde. Und so muss man bei der Cassiano einen Blick hinter das Offensichtliche werfen, um zu erkennen, dass sich hier ganz und gar Außergewöhnliches manifestiert. Wir haben es mit einem Bassreflexlautsprecher zu tun. Was man nicht ohne Weiteres sieht, denn die Reflexöffnung bläst durch den Boden der Box. Das gibt einen erhöhten Strahlungswiderstand, und der ist in die Abstimmung des Lautsprechers einbezogen. Von daher sollte man die mitgelieferte Kombination aus Spikes und Untersetzern auch genau so benutzen, sonst ändert man die Druckverhältnisse fürs Reflexsystem. Die beiden Keramikbässe stammen zwar vom bekannten Zulieferer Thiel, sind jedoch keinesfalls Stangenware und schon mal gar nicht mit üblichen Bassreflex-Parametern ausgestattet. Das liegt daran, dass Gauder sich sehr intensiv Gedanken darüber gemacht hat, inwieweit man den/die Tieftöner, ihr Gehäuse und den für die Abkopplung nach oben zuständigen Teil der Frequenzweiche als Gesamtsystem begreifen muss – mit zum Teil erstaunlichen Ergebnissen und daraus erwachsenden Konsequenzen für die Konstruktion der eingesetzten Lautsprecherchassis. Details über die dazugehörigen Gleichungssysteme zwölfter Ordnung wollen Sie bestimmt nicht wissen, aber der rechnet so was mit Bleistift und Papier, der Roland. Wohlgemerkt: Wir sind hier auf höchst konservativem Physikterrain und keinesfalls bei Voodoo-inspirierten Halbwahrheiten. Im Datenblatt gipfeln diese Überlegungen in dem beeindruckenden Terminus: „symmetrisches Bassreflexsystem achter Ordnung, hochpassgefiltert“. Und wo wir gerade schon mal den Boden der Box begutachten: Da gibt’s noch die Möglichkeit, den Bassbereich der Box an die räumlichen Gegebenheiten anzupassen. Per Steckbrücke lassen sich neben einer linearen Abstimmung auch solche mit einer Anhebung respektive Absenkung um 1,5 Dezibel einstellen. Gerade für den Bass von entscheidender Bedeutung ist ein stabiles Gehäuse. Auch hier beschreitet Isophon Pfade der weniger ausgetretenen Art. Den Kern der gebogenen Seitenwände bildet eine in geringen Abständen geschlitzte MDF-Platte; nur so lässt sich das Material ohne Problem biegen. Die Hohlräume werden mit Sand verfüllt, den inneren Abschluss bildet eine Lage Biegesperrholz. So ergibt sich ein nicht allzu schwerer, aber mit hervorragenden Stabilitäts- und Dämpfungseigenschaften gesegneter Sandwich. Oberhalb von 180 Hertz übernimmt ein Keramik-Mitteltöner. Vom Membranduchmesser unterscheidet er sich nicht von den Bässen, vom Aufbau her allerdings dramatisch. Erst das Erscheinen dieses Chassis hat Roland Gauder übrigens dazu bewogen, sich dem Thema „harte Membranen“ bei seinen Lautsprechern überhaupt zu nähern. Auch beim Hochtöner, der bei 3200 Hertz übernimmt, ist Keramik das Material der Wahl – es sei denn, man hat noch 5.100 Euro im Laustprecherbudget übrig: Dann nämlich könnte man in den Genuss des legendären Diamanthochtöners von Thiel kommen. Vom heimlichen Star der Box sieht man als Anwender wenig: Die Frequenzweiche der Cassiano ist ein mehrteiliges und reichlich aufwendiges Konstrukt, das herkömmliche Pfade verlässt: Gauder realisiert Filtersteilheiten von echten 50 Dezibel pro Oktave und mehr, und zwar auf elektrischem Wege. Die „natürlichen“ Frequenzgänge der einzelnen Treiber einzubeziehen mag er gar nicht. Nur so bekam er die reichlich resonanzbehafteten Keramiktreiber in den Griff und schaffte beeindruckend niedrige Klirrwerte. Das Resultat: locker 35 Bauteile pro Kanal, und darunter so illustre Spielsachen wie Null-Ohm-Spulen und Silber-Öl-Kondensatoren von Mundorf. An dieser Stelle steckt ein nicht ganz kleiner Anteil des Verkaufspreises der Box. Vor den Spaß hat der Boxengott den Schweiß gesetzt, und das bedeutet bei diesem wie auch bei allen anderen mit den weißen Ausnahmechassis bestückten Lautsprechern: Geduld. Thiels wollen gut klimatisiert sein; erst nach zwei Tagen im Hörraum zeigte die Box ihr immenses Potenzial, und das bei einem bereits eingespielten Paar. Die Cassiano ist weder besonders wirkungsgradstark noch besonders impedanzlinear und verlangt nach Verstärkern der bestimmenderen Art: gerne mit Halbleitern, besonders solche der stärker gegengekoppelten Art. Solchermaßen verbandelt, demonstriert die Cassiano unmittelbar, dass Roland Gauders Maxime „Musikhören muss Spaß machen“ ist: Bei all den keramikbewehrten Lautsprechern, die mir über die Jahre untergekommen sind, war noch keine dabei, die so ungeniert hinlangt wie die Schwäbin. Tatsächlich habe ich, und das passiert in unserem Hörraum selten, den Bass um die möglichen 1,5 Dezibel eingebremst – und auch dann stellt die Cassiano ein ungeheuer opulentes Klangbild in den Raum. Interessanterweise ist die Platzierung der Boxen deutlich weniger kritisch als üblich: Hinstellen, Gas geben, abheben -– funktioniert hier ausgezeichnet. Sogar bei nicht penibel symmetrischer Ausrichtung verblüfft die Isophon mit einem gewaltigen Panorama; die Lautsprecher selbst sind akustisch praktisch nicht auszumachen. Und dann gibt’s da noch diesen Keramiksound: extrem detailliert und präzise, aber ohne Kühle und Härte – das geht in dieser Form nur mit den weißen Ausnahmetreibern. Mir persönlich reicht der Keramikhochtöner vollkommen, ich vermisse da nichts. Allerdings hatte ich mal die Gelegenheit, bei einer ähnlich aufgebauten Box den Unterschied unmittelbar zu erfahren, und in der Situation kommt man schon ins Grübeln: Das Klangbild verliert den letzten Hauch Künstlichkeit, von dessen Existenz man vorher gar keine Ahnung hatte. Mein Tipp: Hören Sie sich die Diamantversion gar nicht erst an, dann kommt man nicht in Versuchung, einen Aufpreis von über 5.000 Euro für zwei Hochtöner vor seinem Gewissen rechtfertigen zu müssen. Die Kombination aus Breitbandigkeit, Inbrunst und Auflösung qualifiziert die Box für alle Arten von Musik; gönnen Sie ihr lediglich im Zweifelsfalle ein paar Watt zu viel als zu wenig; gerade bei anspruchsvollem Material wird sie’s Ihnen danken.
Fazit
Wissen, Erfahrung und exzellentes Material – mit diesen Zutaten baut man Spitzenboxen. So geschehen bei der Isophon Cassiano. Die auch optisch gefällige Schwäbin ist klanglich „Everybody’s Darling“ auf höchstem Niveau.