Vor zwei Jahren gab es den viel beachteten Relaunch der Audio-Exklusiv-Elektrostaten. Die P3.1 zeigte bei uns schon beachtliche Qualitäten, man ist technisch definitiv auf dem neuesten Stand. Jetzt musste nur noch ein Referenzmodell her
Anlage
Plattenspieler: Transrotor ZET1 TMD mit SME5012 und Transrotor Merlo Reference
Verstärker: Dartzeel CHT 8550
Andreas Schönberg, Chef und treibende Kraft von Audio Exklusiv ist nach dem Modell P3.1 alles andere als untätig gewesen: Rechtzeitig zur High End 2013 war die große 6.1 dann fertig. Grundsätzlich einmal ist die 6.1 quasi eine doppelte P3.1 – zwei der Folien arbeiten in einem Doppelrahmen nebeneinander. Damit ist der neue Elektrostat in Sachen Größe eine echte Hausnummer: Mit 2 Metern Höhe und knapp 70 Zentimetern Breite sprengt die P6.1 klar das Format „mannsgroß“. Lediglich bei der Tiefe des Panels liegt der deutsche Durchschnittsmann um Bauchbreite vorne.
Das heißt: Nicht überall – der massive Sockel birgt einiges an Elektronik und Weichenbauteilen, ohne die der Elektrostat nicht funktionieren würde, wie er das soll. Zunächst also ein Blick auf die Funktionsweise elektrostatischer Lautsprecher, die anders funktionieren als dynamische Schallwandler. Ein Elektrostat hat zwei Statoren, das sind große, fein gelochte Gitter vor und hinter der Membran, an denen das Verstärkersignal anliegt. Zwischen den Gittern liegt die extrem dünne Membran, die mit Spannungen von einigen Tausend Volt vorgespannt wird. Übrigens ein Vorgang der beim ersten Einschalten ein paar Stunden dauern kann – bei einem Verbrauch von unter 0,5 Watt kann und sollte man die P6.1 ohnehin nie vom Netz trennen. Weil die Statoren als reine Metallteile einen sehr niedrigen Innenwiderstand aufweisen, benötigt man einen Übertrager, um die Impedanz auf ein verstärkerfreundliches Niveau zu bringen. Da dieser Übertrager natürlich in der Lage sein soll, das gesamte hörbare Spektrum zu verarbeiten, muss er entsprechend aufwendig gewickelt sein – mit zwei Wicklungen mit unterschiedlichem Drahtdurchmesser ist es da bei Weitem nicht getan. Auch der Blick auf den fertigen Trafo verrät noch nicht allzu viel vom Aufwand, der drinsteckt – nur die schieren Dimensionen des mächtigen Bauteils lassen es ein bisschen erahnen. Ein Elektrostat ist prinzipbedingt ein Dipol – die Folie strahlt Schall nach vorne wie hinten gleichermaßen ab. Das führt naturgemäß zu Auslöschungen durch die Überlagerung von direktem und indirektem Schall. Der Trick bei den Audio-Exklusiv- Panelen ist nun, dass sie dreigeteilt sind und zudem über eine Frequenzweiche noch phasenkorrigiert angesteuert werden, so dass sie eine kontrollierte Abstrahlcharakteristik besitzen. Und diese sieht – aus der Vogelperspektive betrachtet – V-förmig aus. Die Abstrahlkeulen zeigen nach innen, was zum einen den Einfluss der Seitenwände in Sachen Reflexionen auf ein Minimum reduziert, zum anderen gibt es so – ungewöhnlich bei Flächenstrahlern – eine ganz klar definierte linke und rechte „Box“. Aufgestellt haben wir die Audio-Exklusiv- Elektrostaten fast genau wie vor Jahr und Tag die P3.1 mit einem Abstand von gut einem Meter parallel zur Rückwand. Unsere stark bedämpften Seitenwände lassen eine Beurteilung der seitlichen Reflexionen nur bedingt zu – aber auch der Quercheck in einem akustisch grauenhaften Raum in unserem Verlagsgebäude bewies die Möglichkeit, die P6.1 in nahezu allen räumlichen Gegebenheiten sinnvoll einsetzen zu können. Reflexionen von Boden und Decke sind durch die zylinderförmige Hauptabstrahlform kaum ein Thema. Weil ich ein schlaues Kerlchen bin, habe ich den Hörtest der Audio-Exklusiv-Elektrostaten zeitlich so gelegt, dass ich nicht gerade vorher mit scharf bündelnden Hörnern gehört hatte, sondern mit den Rundstrahlern von Duevel – Schallwandlern also, die zumindest von der Abstrahlcharakteristik her einen ähnlichen Weg einschlagen wie die P6.1. Die Umgewöhnungsphase war also nicht gar so dramatisch, und nach ein paar Minuten war mein Gehör dann auch in der Lage, die Leistung der Probanden ausgiebig zu würdigen. Das heißt: Hören mit direktem und indirektem Schall, der untrennbar zur Wiedergabe dazugehört – inklusive einige Male Positionieren der Schallwandler und auch des Hörplatzes. Das soll jetzt nicht heißen, dass die P6.1 extrem aufstellungskritisch wären – man hat nur gerne angesichts eines solchen Ausnahmelautsprechers die optimale Ausgangsposition, um dessen Fähigkeiten auch angemessen würdigen zu können. Und voilà, da ist sie auch schon wieder, die frei atmende räumliche Abbildung, die nicht schwarz-weiß mit scharfen Kontrasten zeichnet, sondern den Raumeindruck viel selbstverständlicher entstehen lässt, als ob sie das Original der breiten und tiefen Bühne sei und nicht nur ein Abbild davon. Auch Einzelinstrumente und Stimmen erfahren diese sehr dreidimensionale „Aufbereitung“, alles wirkt einen kleinen Hauch größer, als man das von anderen Lautsprechern kennt – eine Sache, an die man sich schnell und gerne gewöhnt. Tonal geben sich die P6.1 absolut neutral, bis auf die prinzipbedingte Bassanhebung, die man durch die Aufstellung aber neutralisieren kann. In Sachen Belastbarkeit und Souveränität im Bass ist die doppelt so große P6.1 ihrer kleinen Schwester P3.1 natürlich überlegen – um die großen Elektrostaten dynamisch auszureizen, muss man in Sachen Verstärker schon das eine oder andere Watt auffahren. Mit einem Röhrenverstärkerlein ist es da nicht getan – obwohl ich mit einem EL34-Push-Pull- Verstärker und gesunden 30 Watt pro Kanal schon sehr ansprechende Ergebnisse erzielt habe. Aber auch die zehnfache Leistung bringt die Audio Exklusiv nicht in Bedrängnis: Der mögliche Hub der Folien liegt im Zentimeterbereich! Und so kann man alle Befürchtungen zerstreuen, dass diese Flächenstrahler bei aller Faszination dynamisch einknicken – das „knallt“ natürlich nicht so sehr wie bei einem PA-Tieftöner – der Bass ist hier komplett anders, einfach ansatzlos da, als stabiles, vom Rest des tonalen Spektrums nicht zu trennendes Fundament. Ich habe mit den P6.1 dann auch viel alte und aktuelle Rock- und Popmusik gehört und kann tatsächlich uneingeschränkt eine Empfehlung aussprechen. Und doch – bei klassischer Musik und mit vorwiegend akustisch besetzten Ensembles sind sie dann doch noch einen Hauch mehr in ihrem Element: breit angelegt, atmosphärisch und ganz nah dran am Live- Erlebnis. Ungemein detailliert, die feinsten Koloraturen noch differenzierend, macht die Audio Exklusiv vor allem eins: Atmosphäre, Atmosphäre, Atmosphäre.
Fazit
Haben Sie einen Hörraum mit etwas Platz um die Lautsprecher herum und hören vielleicht ein kleines bisschen mehr Jazz und Klassik als Rock und Pop? Dann gibt es für Sie keinen fähigeren Lautsprecher als die Audio Exklusiv P6.1.