Auf der Webseite grinst mich formatfüllend eine „25“ an. 25 Jahre Audio Physic – das will gefeiert werden. Die Briloner tun dies in Form verfeinerter Auflagen ihrer Erfolgsmodelle. Diesen Adel erhält nun auch die Scorpio, die ihre Weltpremiere in unserem Hörraum feiert
Mitspieler
Plattenspieler:
Acoustic Solid Machine mit SME M2-12 und Clearaudio Goldfinger
Phono-Vorverstärker:
Malvalve preamp three phono
Vorverstärker:
Malvalve preamp three line
Endverstärker:
KLANG+TON SymAsym
Zubehör:
Netzleiste: PS-Audio
Stromkabel: Silent Wire
NF-Kabel: Silent Wire
Phonokabel: Van den Hul
Lautsprecherkabel: Intertechnik
Racks: Copulare
Plattenwaschmaschine: Clearaudio
Gegenspieler
Isophon Cassiano
B&W 800 Diamond
Ascendo C8
Alle waren sie schon dran. Die Tempo. Die Virgo. Die Avanti. Das Flaggschiff Cardeas sowieso. Nur der Scorpio fehlte er noch. Er, den ich auf den ersten Blick für eine kleine Hochtonkalotte mit Schallführung hielt.
Doch Audio-Physic-Entwickler Manfred Diestertich klärt schnell auf: Es ist ein Konushochtöner. Wie jetzt? Ein Konus im Hochton, in der gesamten Mittel- und Spitzenklasse bis hinauf zur Referenz? Wenn Sie ab und an auch mal in unsere KLANG+TON schauen, wissen Sie, dass wir den wenigen überlebenden Hochtonkonussen durchaus zugeneigt sind. Dass ich die vermeintlich ausgestorbene Technik aber in einer frisch überarbeiteten Jubiläums- Standbox für 5.000 Euro antreffen würde, hätte ich nicht erwartet. Selbstverständlich setzt Audio Physic nicht auf ein Modell von der Stange, sondern lässt sich den eigens entwickelten Konus nach engen Vorgaben von seinem Chassiszulieferer bauen. Mit den bekannten Billigkonussen und ihrem charakteristischen Eigenklang hat der Hyper-Holographic- Cone-Hochtöner II, kurz HHCT II, daher wenig gemein. Vielmehr setzt er dort an, wo übliche Kalotten schwächeln: kontrollierte Membranbewegungen. Zwar haben die Hersteller die Technik dank vielen Jahren Erfahrung sehr gut im Griff, das ändert am generellen Prinzip aber nichts: Eine weiche Gewebemembran folgt ihrer Schwingspule ab Frequenz x nicht mehr kolbenförmig, sondern bricht in Teilschwingungen auf. Dass damit eine Portion Eigenklang zum eigentlichen Musiksignal addiert wird, liegt auf der Hand. Um dieses Problem zu umgehen, setzt Audio Physic auf einen knapp 40 mm durchmessenden Konus mit einer praktisch nicht zur Schallabstrahlung beitragenden Gewebedustcap. Außen sorgt ein breiter Schaumstoffring für definierte Dämpfung. Nach hinten ist der Konus offen, daher besitzt der Tweeter in der Scorpio seine eigene kleine Kammer, die ihn vor Tiefton-Druckwellen schützt. Manfred Diestertich findet durchaus markige Worte zum HHCT II: „Wenn du dich einmal auf den eingehört hast, kommst du mit Kalotten nicht mehr wirklich klar.“ Ich bin gespannt ... Angesichts der weiteren Technik der Scorpio 25 wird allerdings schnell deutlich, dass dem Herrn nichts ferner läge als überzogene Prahlerei. Der Ideenreichtum endet nämlich keineswegs hinter dem Hochtöner. In den beiden 15-cm-Mitteltönern der Scorpio 25, passenderweise HHCM genannt, steckt nämlich mindestens genauso viel Hirnschmalz wie im Hochtonkonus. Der doppelte Lautsprecherkorb aus Aludruckguss und Kunststoff ist so ein Kandidat. Außen sorgt Aluminium für Steifigkeit und Kühlung des potenten Neodymmagneten, innen entkoppelt ein zweiter Kunststoffkorb das Schwingsystem vom Lautsprechergehäuse. Die als sehr präzise klingenden, aber resonanzbehaftet bekannten Aluminiummembranen hat Audio Physic über einen elastischen Ring am Membranrand fest im Griff. Das Silikon spannt den Konus mechanisch vor und bedämpft das Klingeln des Metalls sehr effektiv. Auch die vier 17-cm-Tieftöner setzen auf den harten Werkstoff zur Schallerzeugung. Sie sitzen sich am unteren Ende des Gehäuses paarweise gegenüber und negieren ihr Bewegungsmoment auf das Gehäuse gegenseitig. Dank perfekt ausgelegter Parameter gibt sich das Quartett im ventilierten Gehäuse so volumengenügsam, dass die Scorpio 25 größenmäßig nicht ausartet. Im Gegenteil, kommt sie mit ihrer schlanken Silhouette, den geschwungenen Seitenwänden und der nach hinten geneigten Form doch sehr elegant und stimmig rüber. Mit den zahlreichen Furniervarianten und den Klassikern Hochglanzschwarz und -weiß ist die Scorpio 25 ohne Probleme in jede Wohnwelt zu integrieren und darf nicht nur angesichts der attraktiven Form, sondern auch der absolut exzellenten Verarbeitungsqualität gerne gezeigt werden. Im Inneren der Box geht es weiter mit den cleveren Ideen. Dass das Gehäuse an diversen Stellen versteift ist, kann man noch unter Routine verbuchen. Interessant wird es bei der Beschichtung des Mitteltongehäuses mit überkreuzten Holzstäben. Sie vergrößern die Oberfläche der Innenwände, vermindern Reflexionen und machen einen gesunden Anteil schallschluckendes Dämmmaterial überflüssig. Die solide Alukonstruktion rund um die WBT-Terminals auf der Rückseite ist vom Gehäuse entkoppelt. Die metallenen Füße der Box besitzen ihren eigenen Entkopplungsmechanismus, sind im Übrigen auch separat als Gehäusefüße erhältlich und entkoppeln die Scorpio 25 definiert vom Boden. Die Mittelhochton-Frequenzweiche, ebenfalls per Aufhängung entkoppelt, besitzt eine inzwischen viel diskutierte Bauteileanordnung, der wir uns in der KLANG+TON noch widmen werden. Durch das Aufsplitten oder Umsortieren der Bauteile wird das Lautsprecherchassis von der Masseleitung entkoppelt – elektrisch und messtechnisch irrelevant, soll sich klanglich ein deutlich hörbarer Unterschied einstellen. Experimentierfreudig sind wir, neugierig sowieso, also prüfen wir das in Kürze mal nach. Sie merken, ich stopfe. Mit allen technischen Details dieser Box könnte man wohl ein Buch füllen. Ich hingegen fasse mich inzwischen kurz, denn ich versuche, so viel Platz wie möglich für die Klangbeschreibung zu retten. Warum? Ganz einfach: Weil die Scorpio 25 grandios klingt. Ich dachte angesichts der Messung eingangs an einen eher hellen Klangcharakter, dem ist aber nicht so. Vielmehr wirkt die Box beim ersten Höreindruck neutral bis minimal dunkel. Aber das täuscht, denn was der Hochtöner tatsächlich nicht besitzt, ist Eigenklang. Er folgt dem Musiksignal äußerst präzise und kontrolliert, besitzt dabei aber eine dermaßen unspektakulär- beiläufige Note, dass alle anderen Tweeter irgendwie effekthascherisch wirken. Wer den berühmten Manger- Wandler im Ohr hat, weiß, was ich meine: kein Zisch und Pling, einfach nur Klang in seiner reinsten Form. Dabei buhlen die Mitspieler des Hochtonwunders durchaus um eigene Aufmerksamkeit. Der druckvolle Bassbereich ist für vier Siebzehner überaus stabil, stämmig, perfekt konturiert und löst Feinheiten ebenfalls hervorragend auf. Zwischendurch war ich ob der extremen Pegel, die ich angesichts der Verzerrungsarmut der Box erreicht hatte, um das Überleben der Bässe besorgt. Der Blick hinter die Bespannung verriet mir aber, dass hier üppige Reserven schlummern. Der Grundton ist ebenfalls exzellent sauber und fast erschreckend durchhörbar. Stimmen stellt die Scorpio 25 klar umrissen und perfekt positioniert in den Raum. Vor allem bei den Damen der Sangeswelt wird die Klasse des Hochtöners deutlich. Ich habe mich im Hörraum mit Björk & Co. bei abartigen Pegeln gefönt, und das genau aus einem Grund: Es macht unglaublichen Spaß, mit welcher Sauberkeit und Dynamik die Audio Physic eine Frauenstimme mit extremer Lautstärke in den Raum stellt. Dass eine Kalotte mit so etwas ein Problem hat, war mir zumindest in diesem Maße nicht bewusst. Kollegen ziehen mich immer damit auf, ich wäre ein Lautstärke-Weichei. Quatsch! Wenn die Box es hergibt, dann höre ich auch mit Vergnügen laut. Leider kombiniert kaum ein Lautsprecher eine perfekt ausbalancierte Energieverteilung mit hoher Pegelfestigkeit. Doch einer tut‘s: die Scorpio 25.
Fazit
Audio Physics Scorpio 25 ist ein hervorragender Schallwandler. Alle Details sind technisch perfekt und vollkommen schnickschnackfrei gelöst. Sie sieht gut aus, ist elegant, schlank, sehr wohnraumtauglich. Sie besitzt ein exzellent in sich geschlossenes, äußerst stimmiges, energetisch ausgewogenes Klangbild höchster Präzision in allen Frequenzbereichen. Und doch schafft sie den Spagat, nicht technisch unterkühlt, sondern unglaublich locker, dynamisch und emotional zu klingen.