Obwohl ich nicht der große Freund des Musikhörens mit Kopfhörer bin, gebe ich doch gerne zu: das hat was. Nicht nur, dass man seiner Umgebung nicht auf die Nerven fällt, sondern auch in Sachen Hörqualität geht da noch einiges im Vergleich zum guten alten Lautsprecher
Mitspieler
Plattenspieler:
Linn LP12 mit Ekos II
Transrotor Fat Bob S mit SME IV
Denon DP-6700 mit Stax UA7
Phonoverstärker:
iFi iPhono
Quad Twentyfour P
Kopfhörer:
Sennheiser HD-800
AKG K701
Beyerdynamic DT-770
Zubehör:
Netzleisten von PS Audio, Silent Wire
Kabel von van den Hul, Silent Wire
Basen von Liedtke Metalldesign, Thixar und Accurion
Gegenspieler
Kopfhörerverstärker:
Beyerdynamic A1
Diverse Einbaumodule
Beim Musikhören mit Kopfhörer fällt der wichtigste Faktor weg, der über Wohl und Wehe einer Anlage entscheidet: die Raumakustik. Direkter als mit einem Schallerzeuger am oder sogar im Ohr kann man nicht hören.
Nach langer Kopfhörer- Entwöhnung ist es dann auch jedes Mal frappierend, wie unmittelbar und fast schmerzhaft unverhüllt Musik klingen kann. Auf der Negativseite muss man verbuchen, dass die ja ausschließlich für Frontlautsprecher aufgenommene Stereo- Musik aus seitlich ansetzenden Quellen eben nicht so räumlich klingt, wie man das vom Hörraum kennt. So hat alles sein Für und Wider: Tonale Unterschiede einzelner Komponenten eines Setups er-höre ich mir gerne mit dem Kopfhörer, vor allem, wenn es um wirklich minimale Unterschiede geht. Eine Gesamtbeurteilung mache ich dagegen lieber mit Lautsprechern. Sei es, wie es ist: Während die Entwicklung guter Kopfhörer in den letzten Jahrzehnten ein kontinuierlicher Prozess geblieben ist, gab es bis vor gar nicht allzu langer Zeit definitiv einen Aussetzer bei der Verstärker- Hardware davor. Woran liegt‘s? Nun, schlicht und ergreifend daran, dass im höherpreisigen Segment der Kopfhörerausgang am Verstärker ebenso verschwunden ist wie andere vermeintlich verzichtbare Dinge – ich spreche von Klang- und Balancereglern oder Recorderschleifen. So hat sich quasi eine ganze Industrie zu Tode abgespeckt, was die Ausstattung angeht, bis immerhin ein paar Leute nachdenklich geworden sind. Wie – so fragten sie sich – soll der Besitzer einer stolzen High-End-Anlage denn Musik hören, wenn es die Familie, die Nachbarn und die Tageszeit nicht erlauben? Bleibt ja nur der Kopfhörer, der das Musikhören angenehm aus dem Alltag herausnimmt. Also musste eine „neue“ Gerätegattung her: Der hochwertige Kopfhörerverstärker. Das „neu“ habe ich bewusst in Anführungszeichen geschrieben, gab es doch solche Geräte schon die ganze Zeit, nur eben vor allem in der Tonstudiotechnik. Und an dieser Stelle kommt natürlich ein Mann wie Thomas Reußenzehn ins Spiel, der auf jahrzehntelange Erfahrung in Musiker- und Studiotechnik zurückgreifen kann. So stellt der hier vorgestellte Harmonie III eine Weiterentwicklung der seit mehr als 20 Jahren verfügbaren Röhrenkopfhörerverstärker Harmonie I, Harmonie II und Klanginsland dar. Das aktuelle Modell wurde in Sachen Verstärkung deutlich aufgewertet – zum einen, weil der Hersteller in der aktuellen Kopfhörerfertigung einen Trend zu niederohmigen Modellen ausgemacht hat, zum Teil wegen der geringen Ausgangsspannung tragbarer Audiogeräte, die ja zu einem nicht geringen Anteil auch als heimische Signalquellen genutzt werden. Die Verstärkung erledigen zwei speziell für Reußenzehn gefertigte Röhren vom Typ RT-100, eine Kombination aus Triode und Endpentode, wobei das Triodensystem die Vorverstärkung des Eingangssignals übernimmt – die zweite Stufe ist dann der Leistungsverstärker, der im Ultralinearbetrieb über einen Ausgangsübertrager den Kopfhörer treibt. Die Schaltung arbeitet, wie es sich gehört, rein im Class-A-Betrieb. Das Ganze ist bis auf die Stromversorgung komplett kanalgetrennt gehalten – die Übertrager lassen sich für nieder- und hochohmige Kopfhörer umschalten. Das Netzteil treibt dem Betrachter zunächst etwas Falten auf die Stirn, kann er sich doch die anscheinend beidseitig angebrachten Gummistandfüßchen nicht so recht erklären. Bei genauerem Hinsehen entdeckt man, dass die dickeren Puffer Teil der rustikal gelösten Trafoaufhängung sind – wir sind sicher, dass das funktioniert und lassen das Netzteil elegant hinter einem Möbel verschwinden. Die Verstärkereinheit selbst ist in einem stabilen und durch die Wandstärke auch gut geschirmten Gehäuse untergebracht – bei der Oberfläche hat der Kunde die Wahl zwischen Schwarz, Chrom oder Gold. Was dem Gerät gerade bei den edleren Ausführungen noch gut zu Gesicht stünde, wären passende Kappen für die Übertrager. Kommen wir zu den Besonderheiten: Auf der Rückseite findet sich neben dem Ein- und Ausschaltknopf der schon erwähnte Schalter für die Ausgangsimpedanz und ein Limiter, der aus Sicherheitsgründen die Maximallautstärke begrenzt – bei den möglichen Leistungen durchaus ein sinnvolles Feature. Vorne gibt es neben dem Lautstärkeknopf ein zweites Potenziometer für das sogenannte Voicing. Für HiFi eher unüblich, kennt man Voicing-Regler vor allem bei Musikerverstärkern. Es handelt sich hierbei um eine Art „Gesamt-Equalizer“, mit dem sich die Tonalität eines Geräts beeinflussen lässt. In unserem Fall ist der Regler in Mittelstellung neutral – nach links gedreht verstärkt er subjektiv den Grundton- und Bassbereich, nach rechts gedreht wird alles oberhalb des Mitteltonbereichs subjektiv lauter. Der Konstrukteur erreicht dies durch bewusste Beeinflussung der harmonischen Oberwellen. Was in unserer Stereoversion des Geräts noch wie ein nettes Feature zu individuellen Klanganpassungen aussieht, kann in der sogenannten Twin-Version des Geräts ein echter Problemlöser sein. Hier stehen nämlich für das rechte und linke Ohr getrennte Regler für Lautstärke und Voicing zur Verfügung – für Menschen, deren Gehör auf welche Art auch immer nachgelassen hat oder geschädigt ist, ist dies eine echte Möglichkeit, dies zumindest teilweise zu kompensieren. Für den Normalbetrieb sollte man mit Fingerspitzengefühl vorgehen – der Regler ist ein mächtiges Werkzeug mit einem gewaltigen Einstellbereich. Klar – gerade mit etwas anämischen Kopfhörerlein kann man ordentlich Gas im Bass geben oder lustlose Dumpf-Klinger mit etwas mehr Obertönen aus der Reserve locken. Das ist aber natürlich nicht Sinn der Übung: Im neutralen Einstellungsbereich und mit einem von sich aus schon hochwertigen Kopfhörer zeigt der Reußenzehn, was er kann: Auf seinen exzellenten technischen Daten aufbauend, spielt das Röhrengerät vor einem komplett schwarzen Hintergrund seine extremen Dynamikreserven voll aus. Die Musik kling saftig, satt und klangfarbenreich – hier kann und will der Harmonie III seine Bauweise gar nicht erst verbergen. Es gibt einfach etwas mehr Harmonische als bei einem Transistorverstärker, und das ist auch gut so. Von den prachtvoll ausgeschmückten Orchesterklängen eines spätromantischen Orchesterstücks bis hin zu moderner elektronischer Musik – immer vermittelt das Gerät eine Lebendigkeit und Direktheit, die noch weit über das ohnehin schon sehr unmittelbare Medium Kopfhörer hinausgeht. Und – weil ich es gerade zur Rezension auf dem Teller habe: Ein Hörspiel wie der Hobbit oder ein Hörbuch gelingt dem Harmonie III gänsehauterzeugend authentisch – selten mal habe ich Stimmen gehört, die über die „Tonkonserve“ so echt klingen! Dass man zu dieser Qualität noch die Möglichkeit erhält, sich sein persönliches Klangbild einzustellen oder auch mal in eine missglückte Aufnahme etwas einzugreifen, macht den Reußenzehn endgültig zum ganz heißen Kandidaten für den Spaß an der Musik im ganz stillen Kämmerlein.
Fazit
Der Reußenzehn Harmonie III ist – gerade in der Twin-Version – ein echter Problemöser, darüber hinaus ein ernst zu nehmendes Werkzeug zum Musikhören und nicht zuletzt eine echte Spaßmaschine, die zumindest mir die Freude am Kopfhörer zurückgebracht hat. Was will man mehr?