Die erfreulich pragmatischen Geräte des schwedischen Herstellers Harmony Design haben wir hier schon öfter vorgestellt. Diesmal sind zwei echte Klassiker aus dem Programm der Schweden dran
Mitspieler
Plattenspieler:
Clearaudio Master Innovation / TT2 / Goldfinger Limited
Phonovorstufen:
MalValve preamp three phono
Zubehör:
Netzsynthesizer PS Audio P10
NF-Kabel von van den Hul und Transparent
Phonokabel van den Hul
Lautsprecherkabel von Transparent
Plattenwaschmaschine von Clearaudio
Gegenspieler
Kopfhörerverstärker:
Lehmann Black Cube Linear
Beyerdynamic A1
Welch ein Glück. Da läuft das Thema „Kopfhörer“ am Markt endlich so richtig und alle Welt ist bemüht, dem Trend mit jeder Menge eiligst auf den Markt geworfenen „Schallmützen“ und entsprechendem Zubehör Rechnung zu tragen, da können die Schweden mit typisch nordischer Gelassenheit die Hände in den Schoß legen.
Kopfhörerverstärker? Haben wir doch schon. Und zwar reichlich. Schon seit etlichen Jahren. Einer davon ist gar das älteste Produkt des Unternehmens überhaupt. Genau den und ein merklich aufwendigeres Modell nehmen wir uns hier mal zur Brust. Der „Oldie“ heißt Ear 9 ltd und ist in dieser Version ausschließlich in Deutschland zu bekommen – daher das „ltd“ in der Typenbezeichnung. Das über Cinchbuchsen anzusteuernde Gerät kann einen Kopfhörer bedienen und kostet 650 Euro. Der Ear 90 für 1.090 Euro ist ein vollsymmetrisch aufgebautes Gerät. Er verfügt über XLR-Eingangsbuchsen und kann gleichzeitig mit zwei Kopfhörern betrieben werden. Knapp 25 Zentimeter breit, untergebracht in einem überaus stabilen pulverbeschichteten Stahlblechgehäuse – das ist die amtliche Uniform für Harmony-Design- Geräte. Zwar gibt’s mittlerweile auch ein paar Geräte mit anspruchsvoller Gestaltung, eigentlich jedoch müssen die Maschinchen genauso aussehen wie diese hier. Zum Beispiel könnte man einen der beiden Kopfhörerverstärker mit einer ebenso reduzierten Phonovorstufe kombinieren und hätte, um Plattenspieler und Kopfhörer ergänzt, eine optisch ausgesprochen unaufdringliche Kette mit exzellentem klanglichen Möglichkeiten. Der Umstand, dass es den günstigen Kopfhörerverstärker Ear 9 ltd überhaupt (noch) gibt, ist dem deutschen Vertrieb geschuldet: Dort wollte man einfach ein Gerät mit moderatem Preisschild. Dass das nicht auf Sparsamkeit an der falschen Stelle hinauslaufen muss, beweist die Inaugenscheinnahme: Unter dem Deckel geht’s anständig bestückt zu. Auf der Platine sind Netzteil und Signalverarbeitung vereint. Zwei kleine Trafos übernehmen die Versorgung, allerdings sieht’s nicht so aus, als ob jeder einen Stereokanal bedienen würde – die beiden werden wohl elektrisch in Reihe betrieben. Davor gibt’s ein kleines Netztfilterchen, danach einen Gleichrichter und ein paar Siebelkos. Die Signalverarbeitung stützt sich auf insgesamt fünf Chips. Die Lautstärkeregelung übernimmt das bewährte blaue Alps-Poti, die Schaltung scheint zumindest eingangsseitig kondensatorgekoppelt zu sein. Ein Relais schaltet die Ausgänge verzögert zu, damit’s beim Einschalten nicht hässlich im Kopfhörer knackst – das kennen wir so auch von „richtigen“ Verstärkern. Die Anschlüsse beschränken sich auf das, was man halt so braucht: Netzbuchse, zwei Cinch-Eingangsbuchen und die Kopfhörer-Ausgangsbuchse. Bei Letzterer muss man abermals die Frage stellen, was sie eigentlich auf der Geräterückseite verloren hat – diese Unsitte gibt’s bei vielen Kopfhörerverstärkern. Somit haben Kippschalter für die Versorgung und die Einschaltkontrollleuchte die ganze Front für sich. Der große Bruder Ear 90 ist hat technisch mit dem Einsteigermodell tatsächlich wenig gemein. Hier geht’s im Gehäuse deutlich weniger luftig zu, deutlich mehr Technik verlangt danach, untergebracht zu werden. Die Stromversorgung übernimmt hier ein Ringkerntrafo, der rund dreimal so viel zu leisten imstande ist wie die beiden Trafos im Ear 9 ltd. Ein vorgeschaltetes Netzfilter gibt’s auch hier, nach dem Trafo geht’s zu einer separaten Versorgungsplatine. Die ist ziemlich aufwendig gemacht und beherbergt eine elektronische Regelung für die Betriebsspannungen des Verstärkers. Die entbehrt nicht einer gewissen Potenz und muss bei Bedarf genug Strom für zwei Kopfhörer bereitstellen. Dazu braucht’s zwei Leistungstransistoren, die ihre Wärmelast über ein Aluminiumblech abführen. Von da geht’s per Flachbandkabel zur Verstärkerplatine. Abermals kümmern sich fünf Chips um die Verstärkung, allerdings mit Unterstützung diverser Einzelhalbleiter. Hier kommen Bauteilefans durchaus auf ihre Kosten, die Operationsverstärker sind Analog-Devices- Typen der hochwertigen Art. Ein vom Hersteller massiv beworbenes Feature des Gerätes ist sein Lautstärkesteller: Kein ordinäres Poti, sondern ein piekfein mit Festwiderständen bestückter 24-poliger Stufenschalter übernimmt den Job. Und nicht irgendein Schalter, sondern einer vom Schweizer Spezialisten Elma. Neben klanglichen Vorteilen hat diese Lösung in ganz pragmatischer Hinsicht die Nase vorne: Der Gleichlauf ist deutlich besser. Während das blaue Alps-Poti laut Spezifikation im Bereich höherer Dämpfungen Kanalunterschiede bis drei Dezibel produzieren darf, sind beim Stufenschalter mehr als 0,17 Dezibel Abweichung nicht drin – Widerstände mit „normaler“ Toleranz vorausgesetzt. Das kann sich beim leisen Musikhören mitunter merklich auswirken. Auch beim Ear 90 gilt: Alle Buchsen sitzen auf der Rückwand. Sowohl die XLR-Eingänge als auch die Netzbuchse und die beiden Kopfhörerausgänge. Das Gerät gibt’s auch in einer Variante mit unsymmetrischen Eingängen, der Hersteller hält die XLR-Version aber für klanglich besser. Zur Not lässt auch sie sich mit einem entsprechenden Adapterkabel an einem Cinchausgang betreiben. Das brauchen wir nicht, unsere zur Ansteuerung eingesetzte MalValve-Phonovorstufe verfügt über beide Arten von Ausgängen, die zudem praktisch gleich klingen – optimale Voraussetzungen für einen fairen Vergleich also. Ein Wort zum Thema Kopfhörer. Je nach Hersteller, Konstruktionsphilosophie und Bauart unterscheiden sie sich in Sachen Impedanz recht deutlich. Der übliche Bereich reicht von 32 bis 300 Ohm. Die hochohmigeren Varianten belasten den Verstärker naturgemäß weniger, dafür jedoch kann es Probleme mit dem Maixmalpegel geben – diese Modelle sind einfach leiser. Beide Harmony-Design-Verstärker sind für derlei Situationen gerüstet und lassen sich in Sachen Verstärkung anpassen. Den dazu notwendigen Widerstandstausch sollte man allerdings einem Fachmann überlassen. Niederohmige Hörer sind von Natur aus lauter, konsumieren aber auch mehr Strom – den muss die Endstufe zu liefern in der Lage sein. Einen typischen 32-Ohm-Kopfhörer hatte ich nicht zur Hand, aber einen mit 62 Ohm (AKG K701). Mit dem haben beide Verstärkermodelle keinerlei Probleme. Pegelprobleme hatte ich mit dem Sennheiser HD800 auch nicht, das ist ein klassischer Vertreter der 300-Ohm-Zunft. Beginnen wir mit gesetztem Trio-Jazz. Paul Kuhns wunderbares Konzert im „Birdland“ zu Neuburg ist eine wundervoll leichte, entspannte und transparente Einspielung. Bereits der Ear 9 ltd demonstriert nachhaltig, wie gut „Paulchen“ an diesem Abend drauf war und wie viel Spaß seine Jungs und er an der Session hatten. Das Einstiegsmodell sortiert das Geschehen ausgezeichnet im Raum, intoniert den Flügel wirklich gut und bringt Kuhns Stimme wunderbar zur Geltung. Der Umstieg auf den großen Amp bringt in zweierlei Hinsicht noch eine Steigerung: Der Kontrabass gewinnt an Kontur und verliert an Volumen; sicherlich ein Schritt in die richtige Richtung. Die Raumgröße bleibt in etwa gleich, der 90er stellt die einzelnen Elemente aber fester umrissen und kompakter in den Raum. Musikalischer Temenwechsel: Nirvanas Über-Live-Album „Live at Reading“ ist klanglich, sagen wir mal, nicht immer ganz einfach. Und eigentlich nicht wirklich HD800-kompatibel. Hier würde ich die etwas gedrungenere, rundere Wiedergabe des kleinen Gerätes der schneidigeren und schlackenloseren Gangart des symmetrischen Modells vorziehen. Wirklich gut schlagen sich beide Geräte. Musik machen sie beide, der große kann ein bisschen mehr HiFi.
Fazit
Die beiden schwedischen Kopfhörerverstärker machen ihre Sache ausgezeichnet. Der kleine ein bisschen getragener, der große ein wenig aufgeräumter. Problemlos im Handling und qualitativ über jeden Zweifel erhaben sind beide.