Kategorie: Vintage Hifi

Retro-Box mit Philips-Breitbänder


Breitbänder, alt, groß, laut

Vintage Hifi Philips AD5200M im Test, Bild 1
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Eine ganz besondere Vintage-Box ist mir quasi nebenbei „zugelaufen“, während ich eigentlich eine ganz andere Sache bearbeitet habe. Aber der Fundus der Klang+Ton-Leser ist wahrhaft unerschöpflich.

Klang+Ton-Leser Heinz war mit seiner Hauptbox in der Messhalle zugegen, um sie einmal gründlich durchmessen und anpassen zu lassen, als er ganz nebenbei seine Ausweichlösung erwähnte, mit der er momentan gerne Musik hören würde, wenn es nicht gar so grausig klänge. Die Antwort auf die Frage, was das denn für eine Box sei, machte mich hellhörig: Alte Philips-Breitbänder in einem großen Gehäuse nach Original- Plänen aus den 70er Jahren. Ein Wort gab das andere und schließlich vereinbarten wir eine Anlieferung der Boxen, wenn er die anderen wieder abholen würde. Und so geschah es: Auf Rollen (die dringend zu empfehlen sind) rollte Heinz am vereinbarten Tag zwei große gedrungene Klötze in die Messhalle, die ich auch erst einmal unterbringen musste – Sie können sich vorstellen, dass sich bei uns auch so nicht gerade zu wenige Lautsprecher tummeln.  

Technik


Aber kommen wir erst einmal zum verwendeten Chassis: Der Philips AD5200M ist ein zwölf Zoll großer Breitbänder mit Alnico-Magnet und einer sehr leichten Membran mit Schwirrkonus. Damit ist er ein Zeitgenosse und recht enger Verwandter des bekannteren AD9710M, der vor allem in diversen rundstrahlenden Sonab-Boxen eingesetzt wurde, aber auch als direktstrahlender Breitbänder einen hervorragenden Ruf genießt, besitzt er doch einen famosen Hochtonbereich und Konstruktionsmerkmale, die erst viel später bei hochwertigen Chassis Standard wurden, wie zum Beispiel eine Kupferkappe über dem Polkern.

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Der AD5200M hat das auch alles, nur eben in allen Dimensionen größer. Da ich bei Boxen, die nicht mir gehören, und gerade bei so alten Schätzchen nicht alles auseinander reiße, gibt es hier keine Einzelmessungen – man kann aber auch anhand der Boxenmessung ganz gut sehen, was man in den Händen hat. Das Ding ist laut, sehr laut und hat für die Größe einen ziemlich beeindruckenden Hochtonbereich. Okay, bei etwa 10 Kilohertz ist Schluss, aber das ist absolut im Rahmen für einen 12-Zöller. Was aber natürlich auf den ersten Blick auffällt, ist die markante Stufe im Frequenzgang, der bis 2 Kilohertz recht linear verläuft, und dann nach einer schmalbandigen Senke um 10dB nach oben zu springen. Das Phasenverhalten ist an der Stelle natürlich auch eher sprunghaft.
Vintage Hifi Philips AD5200M im Test, Bild 8
Textdiagramm: unbeschaltet freq+phase
 

Gehäuse


Das Gehäuse, wie gesagt nach einem Philips Originalplan, bietet eine sehr breite Schallwand, die wie die Open-Baffle- Bauvorschläge der gleichen Zeit nach hinten geneigt ist. Hier haben wir es eben mit einer Bassreflexkonstruktion zu tun, wobei der Reflexkanal einfach eine Öffnung in der Schallwand unten ist. Ich habe den Plan für den AD5200M nicht gefunden, deswegen hier eine Originalzeichnung einer etwas kleineren Box für den AD9710M, die genau so aufgebaut ist. Wir sehen hier eine ganz spezielle Konstruktion aus Holzplatten mit einer zweiten Innenschicht aus einer Art Weich-Spanplatte, die zumindest teilweise mit Abstand zu den Außenwänden montiert wird – alternativ darf auch Mineralfaser verwendet werden. Mein erster Ansatz bezüglich der Stufe im Frequenzgang war „Bedämpfung“ – nun ich wurde eines Besseren belehrt. Die folgenden Frequenzgangschriebe zeigen einmal die zweite Box (deswegen die leichten Abweichungen vom Diagramm oben) im Urzustand, einmal mit Noppenschaumstoffmatten an Rückwand und Boden und einmal mit Matten und Sonofil rund um die Treiber-Rückseite.

Vintage Hifi Philips AD5200M im Test, Bild 9
Textdiagramm: Bedämpfung
Wir stellen fest: Auch vor 60 Jahren wussten Lautsprecherhersteller, was sie tun.  

Frequenzweiche


Nun, wenn es die Bedämpfung nicht ist, ist es das Chassis – also musste ich es elektrisch richten. An dieser Stelle muss man sich die Frage stellen, was man möchte: Natürlich kann man auch eine solche Box mit diversen Filtermaßnahmen komplett entzerren, ihr damit manierliches Verhalten anerziehen – und ihr damit auch komplett jeglichen Charakter rauben. Oder man versucht, behutsam an den richtigen Stellen ein bisschen zu korrigieren, ohne gleich komplett einen anderen Lautsprecher zu bekommen. Im Falle der Philips-Box habe ich natürlich den zweiten Weg gewählt. Der fiese Klangeindruck, den der Besitzer beklagte, kommt natürlich in erster Linie von der gewaltigen Stufe im Frequenzgang, denn unserem Gehör fallen Spitzen im Frequenzgang immer mehr auf als Senken – und denn haben wir hier eben noch im Präsenzbereich diesen Riesensprung. Andererseits wollte ich dem großen Treiber nicht gleich die gesamte Hochtonenergie nehmen, die ihn überhaupt fullrangetauglich macht – hier darf es auf Achse durchaus etwas mehr sein, denn unter Winkeln ist früh Schluss mit Hochton. Ein Sperrkreis an der richtigen Stelle macht dann aus der Stufe eine deutlich sanfter verlaufende Rampe und korrigiert den Frequenzgang so, dass wir auf Achse einen stetig steigenden Pegel zum Hochton hin bekommen.

Vintage Hifi Philips AD5200M im Test, Bild 10
Textdiagramm: unbeschaltet vs Sperrkreis
Denkt man sich die Senke weg (und das darf man ruhig), gibt es jetzt einen recht ausgeglichenen Verlauf mit steigendem Pegel. Den leichten Pegelverlust im Grund- und Mittelton kann man verschmerzen. Bleibt noch der Wunsch des Betreibers nach der Tauglichkeit der Box für einen Single-Ended-Röhrenverstärker – also braucht es noch eine Impedanzlinearisierung. Und dann auch gleich gründlich: Je ein Saugkreis auf die obere Spitze der Reflexhöcker und auf den durch den Sperrkreis entstandenen Buckel, der sich aber nicht komplett entzerren lässt, weil hier ja noch die Störung aus dem Chassis selbst liegt.
Vintage Hifi Philips AD5200M im Test, Bild 11
Textdiagramm: Sperrkreis vs 2 Saugkreise
Und hier noch einmal, weil es so schön geworden ist, der linearisierte Impedanzverlauf alleine.  

Messungen


So modifiziert zeigt sich der Philips 5200M in seinem Gehäuse als wirkungsgradstarker Breitbänder alter Schule: Bei einer Nennimpedanz von 6 Ohm haben wir 96dB an 2,83 Volt schon im Tieftonbereich, die bis über 100dB im Brillanzbereich gehen. Oben ist bei 11 Kilohertz Schluss, unten geht es mit sanftem Abfall bis in die 40-Hertz-Region, die bei normaler Aufstellung im Raum auch bedient wird. Die Box sollte zumindest leicht auf den Hörplatz eingewinkelt werden – irgendwo zwischen 0 und 15 Grad Hörwinkel ist es am besten. Die Verläufe unter 30 und 45 Grad sind wegen des Schwirrkonus etwas unvorhersehbar, gleichen sich aber im Mittel aus. Klirr spielt durchgängig gar keine Rolle und auch das Wasserfalldiagramm sieht angesichts der uralten Technik und eines im herkömmlichen Sinne unbedämpften Gehäuses hervorragend aus.  

Hörtest


Jetzt habe ich mir für den Hörtest schon Einiges erwartet – und wurde nicht enttäuscht. Die enorme Durchschlagskraft im Bass, die durch Tiefgang, gepaart mit Wirkungsgrad für spontanen Bewegungsdrang beim Hören sorgt – die beiden riesigen Klötze klingen einfach beschwingt und groovig. Das ist so nah am Live-Konzert, wie man sich nur fühlen kann! Klar – für klassische Klaviermusik gibt es bessere, neutralere Lautsprecher, obwohl ich es schon recht akzeptabel finde. Aber wenn da ein Schlagzeug, ein paar Marshall-Türme und eine vom Leben gezeichnete Rock-Röhre aufgelegt werden, lebt die Philips-Box mal so richtig auf – das fetzt und knallt hochdynamisch und gleichzeitig so riesengroß, dass man sich wahrlich in die erste Reihe versetzt sieht. Die räumliche Abbildung ist sehr breit gestaffelt und ist zumindest im Sweet Spot auch ordentlich tief. Davon profitieren auch weniger adrenalingeladene Musikrichtungen – alte Blue-Note-Alben wie das sehr entspannte „Idle Moments“ von Grant Greene atmen förmlich die Studioatmosphäre der genialen Aufnahmen von Rudy Gelder. Klar, die Box macht auch ihre Fehler, aber unterm Strich überwiegt immer der Eindruck, den die gewaltige Spielfreude auf den überwältigten Zuhörer macht.  


Zubehör pro Box


 Polklemmen
 Lautsprecherkabel 2x1,5 mm2
 Schrauben
 Dichtband  


Weichenbestückung


L1: 15 mH Kernspule, 0,5 mm
L2: 1 mH Luftspule, 0,7 mm
L3: 0,33 mH Luftspule 1 mm
C1: 220 µF Elko
C2: 5,6 µF MKT
C3: 15 µF MKP
R1: 2,2 Ohm MOX 10W
R2: 12 Ohm MOX 10W 

Fazit

Die alten Philips-Breitbänder sind – sorgfältig eingesetzt – auch heute noch überaus beeindruckend.

Kategorie: Vintage Hifi

Produkt: Philips AD5200M

Stückpreis: um 300 Euro

7/2024

Die alten Philips-Breitbänder sind – sorgfältig eingesetzt – auch heute noch überaus beeindruckend.

Philips AD5200M

7/2024

Philips AD5200M
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Ausstattung & technische Daten 
Technische Daten:
Hersteller: Philips 
Konstruktion: Philips 
Funktionsprinzip: Bassreflex 
Bestückung: 1x Philips AD5200M 
Nennimpedanz: 6 Ohm 
Kennschalldruckpegel 2,83V/1m: 96 dB 
Abmessungen (HxBxT): ca. 80 x 77 x 49 cm 
Kosten pro Stück: ca. 300 Euro 
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Thomas Schmidt
Autor Thomas Schmidt
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Datum 08.07.2024, 09:59 Uhr
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