Kategorie: Verstärker Phono Vorverstärker

Einzeltest: Vitus Audio SP-102


Schmelz-Sicherung

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und wieder einmal ist der Moment gekommen, sämtlich Vernunft über Bord zu werfen und sich einfach daran zu erfreuen, was alles machbar ist

Die Erinnerung ist noch sehr lebendig: Es gab da mal ein Setup in unserem Hörraum, dessen analoges Front End so ziemlich alles in den Schatten stellte, was wir bis dato an Unvernunft zusammengestöpselt hatten. Daran beteiligt war ein großer TW Acustic-Plattenspieler und eine Phonovorstufe wie vom anderen Stern: die dänische Vitus Audio MP-P201. Der Schmerz über des Auszug dieser Lösung saß ziemlich tief und es hat eine ganze Weile gedauert, bis Platte hören wieder mit etwas normaleren Mitteln Spaß gemacht hat. Das Problem mit dem dänischen Zweiteiler: ein Verkaufspreis von 40000 Euro. Heute, rund sechs Jahre später, kostet die MP-P201 45000 Euro. Macht nichts, darauf kommt´s nun auch nicht mehr an.

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Jetzt könnte ich die frohe Kunde verbreiten, dass Hans Ole Vitus sein Phono-Flaggschiff endlich soweit herunterskaliert hat, dass es erschwinglich geworden ist, aber das ist natürlich nur bedingt richtig: Die neue SP-102 kostet 32000 Euro, was mich jetzt auch nicht spontan in Jubelgeschrei ausbrechen lässt. Okay, wir müssen lernen zu akzeptieren, dass der ehemalige DSP-Experte beim Halbleiterriesen Texas Instruments keine Geräte für Normalsterbliche baut, sondern für eine spezielle Klientel. Und die findet´s bestimmt völlig normal, wenn die „Reference“-Baureihe eines Herstellers nicht etwa die Riege mit den Topmodellen bildet, sondern die Einsteigerlinie. Unsere SP-102 gehört zur „Signature“-Serie, das ist die mittlere. Die MP-P201 ist „Masterclass“, das real existierende obere Ende des Reigens. Der Masterclass-Vollverstärker kostet übrigens 100000 Euro. Nur mal so. Hans Ole Vitus denkt jedoch noch weiter: Eine vierte, noch darüber angesiedelte Baureihe namens „Design Studio“ liegt seit Jahren in der Schublade. Tatsächlich hat man in Herning aber so gut zu tun, dass es mit deren Realisation noch nicht geklappt hat. Was einige russische Oligarchen bestimmt ganz traurig macht. Wir sind bescheiden und nähern uns respektvoll dem knackige 24 Kilo schweren Viertelquadratmeter von Phonovorstufe, der real existierend seinen Weg nach Duisburg gefunden hat. So einteilig, wie wir ursprünglich dachte ist die PS-102 übrigens beileibe nicht, auch sie verfügt über ein ausgelagertes Netzteil. Das allerdings muss mit einem zugekauften Alu-Druckgussgehäuse vorlieb nehmen und darf nicht, wie in der Masterclass, einen zweiten Wahnwitz-Quader aus zentimeterdicken Aluminiumplatten besetzten. Ja, es gibt deutliche Parallelen zwischen SP-102 und MP-P201. Der Herstellerwebseite nach ist die neue Signature-Variante – es gab vorher schon eine SP-101 - aus der Notwendigkeit entstanden, neben dem Topmodell ein adäquates kleineres Modell zur Seite zu stellen, was der Vorgänger nicht mehr bedienen konnte. Die SP-102 ist eine echt symmetrische Konstruktion. Sie verfügt über je einen symmetrischen Ein- und Ausgang, die Eingänge dürfen beide gleichzeitig mit verschiedenen Abtastern belegt werden. Fürs Parametrieren des Gerätes muss man sich mit der Vitus´schen Bedienlogik anfreunden, und das kann ein bisschen anstrengend sein, die Menüführung ist nämlich etwas speziell. Dazu braucht´s die drei Taster links vom orangefarbenen Klartext-Display und eben jenes. Vor dem Anwählen des Setup-Modus ist der entsprechende Eingang anzuwählen, dann kann man Lastimpedanzen einstellen und dem Eingang einen Namen geben. Dabei kann man aus einer Liste mit vorgegebenen Tonabnehmerherstellern auswählen, angeblich kann man auch eigene Bezeichnungen definieren – daran bin ich allerdings gescheitert. Das Gerät unterscheidet auf den ersten Blick nicht zwischen MM- und MC-Abtastern, was die Wahl der Lastimpedanz etwas trickreich gestaltet. Zunächst muss man wissen, dass im Inneren eines von vier lieferbaren „Load Modules“ steckt, das die anwählbaren Impedanzen bestimmt. Also: Erst einmal dem Gerät erklären, welches Modul gesteckt ist, bei uns ist´s Nummer zwei. Damit kann man für MC-Betrieb 16 Impedanzen zwischen 100 Ohm und zwei Kiloohm anwählen, für MMs zwischen 105 Ohm und 47 Kiloohm. Wie bitte? War da nicht was mit „keine Unterscheidung zwischen MM- und MC-Betrieb“? Im Prinzip ja, aber: Rechts neben dem Display kann man mit zwei Tastern die Verstärkung wählen, hier in Gestalt der Abtaster-Nennausgangsspannung. Das Gerät wertet alles unter einem Millivolt als MC-, alles darüber als MM-Betrieb. Und je nach eingestellter Verstärkung wird die entsprechende „Widerstandsbank“ angewählt. Sollten Sie also beim Variieren der Verstärkung über oder die Ein-Millivolt-Grenze kommen, ändert Ihnen das Gerät automatisch die Abschlussimpedanz. Ob das eine gelungene Lösung ist, dürfen Sie selbst entscheiden. Optional gibt´s übrigens eine Fernbedienung, mit dem sich der ganze Zinnober vom Sessel aus erledigen lässt. Ich weiß nicht, ob sich damit direkt Eingangsimpedanzen umschalten lassen; falls man auch mit dem Infrarotgeber erst ins Menü dafür muss, ist der Vorteil der Parametrierbarkeit vom Sessel aus dahin – das ist viel zu kompliziert fürs schnelle Vergleichshören. Sind diese Klippen umschifft, braucht´s nur noch die zwei Taster zum Anwählen des gewünschten Eingangs und unter Umständen den Mute-Taster rechts – das war´s. Unter der mächtigen Deckelplatte bietet sich ein vertrauter Anblick: Fein säuberlich kanalgetrennt verrichten zehn in schirmenden Metallgehäusen vergossene Module ihren Dienst. Fünf pro Kanal – warum nicht, das kennen wir schon von der MP-P201. Bei der SP-102 ist noch eine Armada diskret aufgebauter Spannungsreglermodule hinzugekommen, damit jeder Verstärker seinen Job auch ja ungestört machen kann. Eine Unmenge von Relais schaltet Widerstände für Impedanzanpassung und Verstärkung, die Cost-No-Object-Koppelkondensatoren von Duel und in der MP-P201 mussten etwas gewöhnlicheren Typen von Mundorf weichen. Vorne im Gehäuseabteil werden abermals Spannungen geregelt, die das über zwei Strippen angeleinte Netzteil liefert. Darin stecken drei Trafos und ordentlich Siebkapazität, das kennen wir so schon vom „Reference“-Modell RP-101. Der mittlere der drei Trafos bedient die Intelligenz und die Relais im Verstärkertrakt, die beiden anderen jeweils einen Kanal der verstärkenden Zunft. So macht man das bei Geräten dieser Klasse, das Resultat ist eine praktisch nicht mehr messbare Kanaltrennung, und das trotz eines ausgezeichneten Fremdspannungsabstandes. Was ich zu Zeiten des MP-P201-Tests nicht hatte: einen mit Reed 3p und Lyra Atlas bestückten TechDAS Air Force III. Und wenn auch der große Zweiteiler möglicherweise damals das Eine oder andere noch eine Spur besser gemacht haben mag als die SP-102 – die Familienähnlichkeit ist auch nach all den Jahren nicht zu überhören. Die entscheidende Zutat beim Sound dieser Maschine ist Schmelz. Zarter, luftiger, sahniger Schmelz. Einer, der die Halbleiterverstärkern gerne attestierte Körnigkeit ad absurdum führt. Die SP-102 ist so glatt, so schwerelos, so analog, das ist schon eine Klasse für sich. Ganz einfach nachzuvollziehen zum Beispiel mit Hilfe von Louis Armstrong und Ella Fitzgerald auf der Speakers Corner-Wiederveröffentlichung von „Ella And Louis Again“: Die SP-102 verleiht der Stimme von Louis Armstron genau diesen Glanz, der sie so unverwechselbar macht. Der Mann swingt, dass es eine wahre Freude ist. Das klappt schon bei ganz kleinen Pegeln. Die dänische Phonovorstufe liefert soviel Detailinformationen, dass das Klangbild auch dann stabil bleibt, die Größenverhältnisse stimmen. Das Schlagzeug tönt rund, sonor, abermals extrem leichtfüßig und so selbstverständlich farbig, dass keine Wünsche offen bleiben. Gut. Richtig gut. Was Ella beim Klassiker „Autumn in New York“ an Ausdruck und Eindringlichkeit abliefert, dass ist bei aller Sanftheit des Titels einfach atemberaubend. Zweifelsohne eine der besten Halbleiter-Phonovorstufen, die ich je das Vergnügen hatte zu hören.

Fazit

Über die Realisation des einen oder anderen Details kann man streiten, über den Sound der SP-102 nicht: Mit ihrer extrem sahnigen und wunderbar fein ziselierten Wiedergabe zählt sie eindeutig zu den ganz Großen ihrer Zunft.

Kategorie: Verstärker Phono Vorverstärker

Produkt: Vitus Audio SP-102

Preis: um 32000 Euro

10/2016
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