Mit faustdicken Überraschungen rechne ich aus jeder Ecke des HiFi-Marktes. Der Einzige, bei dem ich mir sicher bin, was als Nächstes kommt, ist Nelson Pass. Jetzt aber hat er mich kalt erwischt, der alte Fuchs
Mitspieler
Plattenspieler:
Simon Yorke S10/Aeroarm/ Jan Allaerts MC2
Clearaudio Master Reference/ SME309/MFSL C3.5
Selbstbaulaufwerk/Clearaudio Unify 14”/Goldring 2500
Vorverstärker:
MalValve preamp three line
Accustic Arts Tube Preamp II
Endverstärker:
Accustic Arts Amp II
SymAsym
Vollverstärker:
Pass INT-30A
Lautsprecher:
Fischer & Fischer SN770
Klang + Ton „Mini hb“
Zubehör:
Netzversorung von PS Audio und HMS
NF-Kabel von Transparent
Phonokabel von Straight Wire und van den Hul
Lautsprecherkabel von Transparent
Plattenwaschmaschine von Clearaudio
Gegenspieler
Phonovorstufen:
Pass XP-25
Audio Consulting Silver Rock Phono
van den Hul „The Grail“
Also das war so: Wie Sie als Stammleser wissen, geistert seit Monaten das Thema „Test der großen Pass-Phonovorstufe XP-25“ durch den Raum. Für die ursprünglich angedachte Ausgabe 4/2010 kam sie zu spät, Ausgabe 5 war das alljährliche Plattenspieler-Spezial, und so wurde es letztendlich das nun vorliegende Heft, in dem der Test endlich stattfindet. Und so hatte ich die leider viel zu seltene Gelegenheit, mich mit einer Komponente mal richtig lange auseinanderzusetzen – bevor der Test in die heiße Phase geht.
Und so kam es, dass die zweiteilige XP-25 (Preis: 11.500 Euro) über Monate bei mir in der Anlage stand, den mir vom Vertrieb freundlicherweise als „Spielgefährten“ dazugeliehenen Vollverstärker Pass INT-30A befeuerte und die ganze Zeit am Netz war, immer wieder Musik spielte und ein paar ganz intuitive Eindrücke in meinen Hinterkopf pflanzte. Der erste Eindruck war: „Ich weiß nicht“, der zweite: „seltsam“, danach wurde es differenzierter: „Auf jeden Fall anders als die XP-15“. Die XP-15 ist die einteilige Pass- Phonovorstufe, die ich auch einige Zeit genießen durfte. Das mit dem Genuss allerdings, das ließ sich bei der XP-25 irgendwie etwas zäh an. So ganz verstanden hatte ich das nicht, denn sowohl die XP-15 also auch die beiden Hochpegelvorstufen XP- 10 und XP-20 – ergo alle Vorverstärker der neuen Pass-Generation – litten nicht mehr unter dem Problem einer ewig langen Einspielzeit wie ihre Vorgänger. Eigentlich gingen alle drei bereits aus dem Karton exzellent, der Zuwachs an Klangqualität über die Zeit war zwar stetig, aber absolut betrachtet gering. Dann kam der Sommer, und die Beschäftigung mit dem Thema HiFi trat etwas in den Hintergrund. Andere Phonovorstufen kamen und gingen, auch das waren hübsche Töchter anderer Mütter, und die Pass verbrachte die ganze Zeit damit, Strom zu verbrauchen. Dann kam irgendwann der Moment, sich etwas ernsthafter mit dem Gerät auseinanderzusetzen. Plattenspieler angeschlossen, Arm in die Rille gesenkt und dann dachte, ich mich trifft der sprichwörtliche Schlag. Zu den Details später. Jedenfalls macht mir das Gerät nachdrücklich klar, dass dies keine Pass ist, die aus dem Karton perfekt spielt. Und dabei war doch eigentlich klar, wie das Gerät konstruktiv aufgebaut ist: Schaltung von der XP-15, ergänzt um ein paar Komfortfunktionen, Netzteil von der XP-20 – fertig ist das Topmodell. Schaltbild und Aufbauskizze der Maschine hätte ich fast aus dem Kopf zeichnen können. Toll, aber mit einem kleinen Schönheitsfehler behaftet: All meine ach so logischen Überlegungen waren nämlich komplett falsch. Ich war mir meiner Sache so sicher, dass ich es monatelang nicht für nötig erachtet hatte, auch nur einen einzigen Blick unters Deckelblech zu werfen. Hätte ich mal, dann wäre der Forscherdrang wohl deutlich eher erwacht. Der langen Rede kurzer Sinn: Die XP-25 ist eine komplette Neukonstruktion und hat mit der XP-15 oder dem berühmten Vorgänger X-Ono praktisch nichts mehr zu tun. Bevor wir zum Eingemachten kommen, betrachten wir das Offensichtliche: Die XP-25 hat, wie die gute alte X-Ono auch, ein ausgelagertes Netzteil: Wo so kleine Spannungen verarbeitet werden, da haben Netztrafos einfach nichts zu suchen. Abgesehen davon muss man zum Einstellen der Betriebsparameter nicht mehr den Deckel öffnen, ja noch nicht mal mehr die Geräterückwand bemühen. Per Drehschalter lassen sich Eingangswiderstand, Abschlusskapazität und Verstärkung wählen, per Taster einer von zwei Eingängen selektieren, ein Rumpelfilter aktivieren und die Ausgänge stummschalten. Ohne Schrauben, ohne Verrenkungen. Um unangenehmen oder für die nachfolgende Kette sogar gefährliche Knackser zu vermeiden, wird bei jedem Schaltvorgang zuerst stumm geschaltet, dann geschaltet, dann der Ausgang wieder eingeschaltet. Die dafür notwendigen Steueraufgaben übernimmt ein Mikrocontroller. Im Gegensatz zu Vorgänger und kleinem Bruder hat die XP-25 keine getrennten Eingänge für MM- und MC-Betrieb mehr, anders wäre das neue Bedienkonzept auch nicht sinnvoll zu realisieren gewesen. Die Verstärkung ist in drei Stufen zwischen 47, 60 und 70 Dezibel einstellbar; nimmt man das Signal symmetrisch ab, kommen noch jeweils sechs Dezibel dazu. Das ist nicht wenig Holz, und für das eine oder andere System mögen die 47 Dezibel Minimum etwas zu viel sein, für leise MCs allerdings sind die hohen Verstärkungen optimal. Die Eingangsimpedanz ist in neun Stufen zwischen 30 Ohm und 47 Kiloohm schaltbar, hier sollte praktisch immer etwas Passendes dabei sein. Der Schalter für die Abschlusskapazität erlaubt sechs Werte zwischen 100 und 750 Picofarad – praxisgerecht. Erfahrungsgemäß spielt dieser Parameter beim Einsatz von MC-Abtastern keine große Rolle, die Bedienungsanleitung empfiehlt aber, auch mit diesem Wert ein wenig zu spielen. Die XP- 25 verfügt erstmals über ein Rumpelfilter, das je nach Breitbandigkeit Ihrer Verstärker und dem Zustand Ihrer Platten durchaus Segensreiches bewirken kann. Wir konnten nur in Extremfällen hörbare Auswirkungen dieses Filters wahrnehmen, so dass es sich durchaus lohnen kann, es bei Bedarf einzusetzen. Die XP-25 verstärkt nur noch zweistufig; die einzelnen Verstärkerstufen sind Neuentwicklungen. In der Eingangsstufe (zwei der vier Steckmodule) kommen nach wie vor parallel geschaltete JFets zum Einsatz, neuerdings allerdings in einer komplementärsymmetrischen Anordnung. Die Entzerrung erfolgt danach, ob rein passiv oder zumindest zum Teil in der Gegenkopplung von Stufe zwei, kann ich derzeit noch nicht sagen. Jene zweite Stufe ist ebenfalls modular aufgebaut und beherbergt eine illustre Schar von Einzeltransistoren und auf einem (SMD-)Chip thermisch gekoppelten Doppeltransistoren. Hier wird offensichtlich auch das symmetrische Ausgangssignal erzeugt. Wie die Stufe im Detail arbeitet – keine Ahnung. Und da man bei Pass mittlerweile in Sachen Schaltungstechnik nicht mehr so auskunftsfreudig ist wie früher, werden Selbstbauer und professionelle „Kloner“ noch ein Weilchen auf Detailinformationen warten müssen. So. Vergessen wir mal die ganze Technik. An Eingang eins steckt das auf einem Miyabi Standard aufbauende MFSL C3.5, von Hause aus ein farbiger und zupackender Abtaster. Was jetzt allerdings aus den Klemmen des Pass-Vollverstärkers – selbstverständlich symmetrisch mit der XP-25 verbunden – kommt, das ist Dynamit. Hier ist ungeheures Feuer im Spiel und verbindet sich mit einem Universum von Feininformationen zu Schall gewordener Atmosphäre. Die XP- 25 lässt vor einem extrem ruhigen Hintergrund Klangbilder von ungeheurer Intensität entstehen, die blitzartig auftauchen, aber weit weniger schnell wieder im Nichts verschwinden: Ausschwingen, Atem, Raumresonanzen – hier sind sie noch da, wenn andere sie schon längst untergepflügt haben. Hinzu gesellt sich etwas, das ich bei der guten alten X-Ono sehr geschätzt habe, bei den neuen Pass- Kreationen aber ein bisschen in den Hintergrund getreten ist: Kraft. Unbändige, manchmal schon fast beängstigende Kraft. Diese sich auf wunderbare Weise zu einem schlüssigen Ganzen verbindende Kombination aus Gewalt und Feinsinn habe ich bislang genau einmal gehört, und das bei einem Gerät, das fast das Vierfache der Pass kostet. Das soll das exorbitante Preisschild nicht rechtfertigen, aber verdeutlichen, dass Wayne Colburn – er und nicht „Papa“ Pass zeichnet für alle neuen Vorstufenentwicklungen verantwortlich – hier etwas wirklich Großes geschaffen hat. Wenn die Kalifornier jetzt auch noch die vermutlich ungeheuer schwierige technische Hürde nehmen würden, Verstärker und Netzteil auch nur halbwegs gleichfarbige Leuchtdioden zu verpassen, könnte man von einem rundum perfekten Gerät reden.
Fazit
Die XP-25 ist keine aufgebohrte XP-15, sie ist ein Meilenstein. Die Verstärkerprofis aus Foresthill lassen wieder einmal mit einer eher überschaubaren Dosis sorgsam ausgesuchter und clever kombinierter Teile vollkommen souveräne klangliche Erlebnisse der allerhöchsten Güteklasse entstehen.